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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 31.01.2006 06:00

Zustandsuntersuchung von Brücken
Forschung für Unzimperliche

Wenn zwischen 1997 und 2004 in der Schweiz eine Brücke abgebrochen wurde, waren Bauingenieure im Auftrag der ETH zur Stelle. Sie wollten mehr über das Innenleben der Bauten herausfinden. Was die Forscher sahen, kann Strassenbenutzer beruhigen.

Peter Rüegg

Medizin und Brückenforschung haben eine etwas makabre Parallele: Gewisse Erkenntnisse lassen sich erst gewinnen, wenn der Körper seziert wird. Um mehr über die Innereien einer Brücke herauszufinden, untersuchten deshalb Bauingenieure im Dienst der ETH sieben Jahre lang verschiedene Objekte bei deren Abbruch. Für Fachleute ist dies eine gute Gelegenheit, sich vom Skelett der Brücken ein Bild zu machen, denn deren Zustand am „lebenden Objekt“ zu beurteilen, ist oft schwierig und aufwändig.

„Es gibt durchaus eine Parallele zur Medizin“, schmunzelt der Studienleiter, Professor Thomas Vogel vom Institut für Baustatik und Konstruktion (IBK), der im Auftrag des Bundesamts für Strassen (Astra) das Projekt ZEBRA (Zustandsbeurteilung von Brücken bei deren Abbruch) begleitete. Nicht-invasive Methoden, wie etwa Radar-, Röntgen- oder Ultraschall-Messungen sind zwar technisch möglich. „Röntgen aber wäre aufgrund der benötigten Strahlendosis nicht baustellentauglich“, erklärt er.

Abbruch öffnet Blick ins Innere

89 Brücken wurden zwischen 1997 und 2004 im Auftrag der ETH in der ganzen Schweiz während des Abbruchs begutachtet. Dabei durften die Forscher nicht zögern. Ein Teil ihrer Studienobjekte wurde über Nacht oder am Wochenende„entsorgt“, um den Verkehrsfluss nicht zu behindern. Da blieb oft nur Zeit für einen kurzen Augenschein. Ein Teil der Brücken wurden aber zersägt und die Teile in Kiesgruben zwischengelagert. Das gab den Wissenschaftlern Zeit, den Zustand der Brücke besser zu beurteilen. So wurden im Rahmen des Projekts ZEBRA 36 Objekte genau analysiert.

Besonders interessiert waren die Ingenieure am Zustand schwer zugänglicher, kritischer und gefährdeter Tragelemente wie den Spanngliedern. Denn über die Hälfte der untersuchten Objekte waren so genannte Spannbeton-Brücken. Bei diesen Brücken sorgen einbetonierte Spannglieder für die nötige Tragfähigkeit des Bauwerks. Diese bestehen aus Verankerungen und Hüllrohren aus Blech, welche mehrere Drähte oder Litzen aus einem hochfesten Stahl enthalten. Dank diesen Spanngliedern erhält der Beton den nötigen Widerstand, um die Last der Brücke zu tragen. In das Hüllrohr pumpen die Bauarbeiter schliesslich flüssigen Mörtel, der den Spannstahl umgibt und vor Korrosion schützen soll.

Zustand gut

Das Resultat der Forschungen stellt Brückenbauern in der Regel ein gutes Zeugnis aus. Die Spannglieder waren meist in gutem Zustand. Unangenehme Überraschungen hat es laut Thomas Vogel kaum gegeben. „Die Spannsysteme haben sich weitgehend bewährt“, sagt er. Ein grosses Problem ist jedoch deren Anfälligkeit gegenüber Korrosion. Durch undichte Fugen, Abdichtungen oder Fahrbahnen kann mit dem Schmelzwasser Strassensalz in den Beton eindringen und unter Umständen bis zu den Bewehrungen der Brücke gelangen. Die Folge: Verankerungen, Hüllrohre und schliesslich der Spannstahl beginnen zu rosten.

„Gerade ältere Brücken sind oft nicht genügend abgedichtet. Ihre Spannglieder waren deshalb auch stärker korrodiert“, so der Baustatik-Professor. Der Umkehrschluss stimme aber nicht. Fehle die Abdichtung, heisse das noch lange nicht, dass eine Brücke Korrosionsschäden aufweise. Es komme auch auf den Zustand des Betons an. Ist dieser porös, kann das Salzwasser besser eindringen.


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Spannglieder für den Brückenbau, vor dem Einbau (oben) und beim Abbruch der Brücke (unten). Auf dem oberen Bild ist das Hüllrohr - zur Veranschaulichung aufgeschnitten - intakt, auf dem unteren Bild ist es nach Jahren im Beton stellenweise total verrostet (oberes Bild: P. Rüegg; unteres Bild: IBK). gross

Ein Spannsystem habe sich diesbezüglich allerdings nicht bewährt, doch dieses werde seit den 60er-Jahren nicht mehr angewendet. Dessen Spannelemente waren besonders stark korrodiert, weil beim Einpressen des Mörtels in die Hüllrohre zuviele Hohlräume entstanden. Dadurch konnte sich Salzwasser in den Hüllrohren sammeln und die Spanndrähte stark angreifen.

Verfalldatum meist nicht erreicht

Weshalb mussten dann die Brücken weichen? Nur 15 der 89 untersuchten Objekte waren effektiv abbruchreif. Die restlichen Brücken hatten ihr Verfalldatum jedoch noch nicht erreicht, denn Strassenbrücken sind auf eine Benutzungsdauer von 50 bis 70 Jahren ausgelegt, Eisenbahnbrücken sollten 100 Jahre ihren Dienst tun. „Der primäre Abbruchgrund ist in vielen Fällen eine neue Linienführung von Strassen oder Schienen“, sagt Vogel. So müssten Brücken weichen, wenn die unter ihnen durchführende Autobahn verbreitert oder in einem Tunnel geführt werde.

Aus den Daten des Abbruchs konnten die Forscher auch Erkenntnisse über die Vor- und Nachteile verschiedener Abbruchverfahren und Vorgehensweisen, für den Neubau respektive die Erhaltung von Brücken gewinnen. Als Material für Hüllrohre wird beispielsweise immer häufiger Kunststoff, welcher nicht korrodiert, eingesetzt. Dafür müssen die Arbeiter beim Einbau der Spannglieder vorsichtiger sein, damit sie die Plastikrohre beim Einbau nicht verletzten. Zudem liessen die Resultate der Brückenforschung per Meissel und Betonbeisser wertvolle Rückschlüsse auf nicht-zerstörende Untersuchungsmethoden zu. An solchen Vorgehen arbeiten Vogel und sein Team nun weiter. Sie sind derzeit daran, eine nicht-invasive Ultraschall-Methode weiterzuentwickeln.




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