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Rubrik: Tagesberichte |
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Bundesräte Dreifuss und Couchepin zum Denkplatz Schweiz "Schweiss und Tränen" |
Der Bund reagiert auf die Alarmsignale der Schweizer Wissenschaft. Ab 2004 sollen die Budgets wieder steigen, und zwar jährlich um 6,5 Prozent. Dennoch bleibt kaum Spielraum: den tertiären Sektor erwarten "Schweiss und Tränen", sagte Bundesrätin Dreifuss gestern Donnerstag an einem "Gipfeltreffen" der Schweizer Hochschul- und Forschungsszene in Bern. Von Norbert Staub Dass es bei der Tagung unter dem Titel "Investieren wir genug in den Denkplatz Schweiz?" am Donnerstag in Bern um viel ging, zeigte die Teilnahme gleich zweier Regierungsmitglieder: Ruth Dreifuss beleuchtete die Frage unter dem Blickwinkel von Wissenschaft und Grundlagenforschung, Pascal Couchepin mit Blick auf das Berusbildungswesen, die Fachhochschulen und die angewandte Forschung. Anlass dazu war das Erreichen der "Halbzeit" der Budgetperiode 2000/2003, der ersten unter dem seit April 2000 geltenden Universitätsförderungsgesetz, das neu eine gesamtheitliche, nationale Strategie im Hochschul- und Forschungssektor ermöglicht hat – vor allem mit den Kompetenzen, die der SUK (Schweizerische Universitätskonferenz) übertragen wurden. Der Gesamtkredit für diese vier Jahre beläuft sich auf knapp 14 Milliarden Franken, Mittel für den ETH-Bereich und internationale Organisationen eingerechnet. - Aber nicht die zweite "Halbzeit" stand im Zentrum des Interesses, sondern bereits der nächste "Kickoff": Noch im Herbst 2002 werden mit der Botschaft an den Gesamtbundesrat die Weichen für die Kreditperiode 2004 bis 2007 gestellt. 6,5 Prozent als Zielgrösse Wie hoch der Kredit sein wird, steht noch dahin. Klar ist: er soll höher sein als der bisherige. Im November 2001 hatten die Spitzenvertreter der Schweizer Wissenschaft mit Nachdruck eine Erhöhung der Bundesförderung um zehn Prozent jährlich gefordert.(1)
Soviel wird es kaum werden, aber 6,5 Prozent pro Jahr ist die von Dreifuss und Couchepin avisierte "vernünftige Zielgrösse". Bundesrat Couchepin - nicht im Ruch etatistischer Tendenzen stehend - unterstrich, dass der Staat in der Förderung angewandter Forschung spürbar präsent sein müsse, sonst drohe der Denk- und vor allem der Werkplatz Schweiz ins Hintertreffen zu geraten. Die offizielle Schweiz habe sich hier in der Vergangenheit als allzu zögerlich erwiesen. Die Zahlen sprechen in der Tat eine Besorgnis erregende Sprache: im Jahr 2000 sind die Fördermittel des Bundes real unter die Marke von 1988 gefallen - während andere Staaten wie Finnland im gleichen Zeitraum die staatlichen Förderung um 50 Prozent steigerten. Couchepin verwies auf das Credo des CEO eines auch in rezessivem Umfeld erfolgreichen Mikroelektronik-Unternehmens. Es lautet: "Der Grund unseres Erfolgs liegt darin, dass wir unsere Forschungsbudgets nie angetastet haben."
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Sein Ziel sei, bis 2007 die Projekte in angewandter Forschung an den Fachhochschulen von heute 170 auf 600 und die Studierendenzahl von 20'000 auf 40'000 zu steigern. Beim Trend, ausländische Graduates in die Schweiz zu locken, machte der Wirtschaftsminister ein Fragezeichen. Er betonte, dass zum Beispiel das Potential der Frauen in der Schweizer Forschung bei weitem noch nicht ausgeschöpft sei. „Den Transfer von Eliten ärmerer Länder in reiche halte ich grundsätzlich für bedenklich“, erklärte Couchepin. Es wird weh tun Ruth Dreifuss verwies auf Entwicklungsschritte wie den „Arc Lémanique"“, das Genfersee-Hochschulnetzwerk unter Beteiligung der EPF Lausanne. Es stehe dafür, „dass der Leistungsabbau zugunsten der Konzentration auf andere Kompetenzen viel mehr als Chance denn als Verlust“ wahrgenommen werden könne. Die relativ „starre Welt“ der Universitäten, in der zum Beispiel wenig Toleranz in Bezug auf den Karriereverlauf herrsche, müsse künftig ohnehin mehr Individualität und Durchlässigkeit zulassen, sagte Frau Dreifuss. Für die nötigen Reformen und die Verteilung der begehrten Forschungsmittel - etwa zwischen den ETH’s und den kantonalen Universitäten - prophezeite die Bundesrätin „Schweiss und Tränen“. Derzeit Priorität genössen bei ihr die freie Grundlagenforschung (Nationalfonds) sowie die Verbesserung des prekären Betreuungsverhältnisses in den Human- und Sozialwissenschaften.
Geld fliesst an Projekten vorbei In der anschliessenden Podiumsdiskussion wurde deutlich, dass in der Schweizer Forschung und Wissenschaft an zahlreichen Baustellen gleichzeitig gearbeitet wird. Moderiert vom ehemaligen Tages-Anzeiger-Chefredaktor Roger de Weck, brachten Vertreter und Vertreterinnen von ETH, kantonalen und Fachhochschulen, der Studierendenschaft, der Industrie, der Chancengleichheit, des Mittelbaus und des Nationalfonds je ihre Anliegen vor. Unverkennbar ist, dass nur schon eine ansatzweise Erfüllung der - isoliert gesehen - mehr als berechtigten Ansprüche Mehraufwand erzeugte, der die in Aussicht stehenden Budgeterhöhungen umgehend aufbrauchen würde. Hans Peter Hertig, Generalsekretär des Nationalfonds, warnte diesbezüglich vor dem bereits zu beobachtenden Trend, immer weniger in die Projekte selbst zu investieren. |
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Fussnoten:
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