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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 20.04.2004 06:00

Auf der Suche nach Nachtschattengewächsen und Krautfäule
Sammler im Dschungel

Im März dieses Jahr verbrachte Cesare Gessler vom ETH-Institut für Pflanzenwissenschaften (1) zwei Wochen in Ecuador, um dort eine Doktorandin zu betreuen. Im folgenden Bericht erzählt der Phytopathologe von seinen Erlebnissen als Sammler von Schadpilzen im Südamerikanischen Dschungel.

Von Cesare Gessler

Das Ziel unserer Dschungeltour bestand darin, den Schadpilz Phytophthora infestans (siehe Kasten rechts) auf einheimischen wilden Solanaceen eizusammeln, im Labor zu isolieren und genetisch zu analysieren. Zurzeit ist in den Anden Ecuadors Winter, respektive Regenzeit. Die berühmten Sechstausender sind meistens von Wolken und Nebel umgeben. Mehrmals täglich können ergiebige Regengüsse niedergehen. Die Wahrscheinlichkeit, sowohl Solanaceae als auch das Pathogen zu finden, sind in Regionen mit viel Regen und auf einer Höhe zwischen 2000 und 3000 Metern am grössten.

Auch mal auf allen Vieren

Das Team um den Greg Forbes, Forscher am Interbnational Potato Center (CIP), die Doktorandin Gabriela Chacon (siehe Bild oben rechts) und den ETH-Forscher Cesare Gessler sammelte primär an den Hängen des Vulkans Tungurahua in der Nähe der Dschungelstadt Banos. Unterwegs waren sie soweit möglich mit einem geländegängigen Fahrzeug, ansonsten zu Fuss oder auch mal auf allen Vieren im Unterholz. Andere Touren führten zu den Bauern und deren Kartoffeläckern und Weiden. Die Schaufel kam aber nicht nur im Feld zum Einsatz, sondern war auch unersetzlich bei den regelmässigen Bemühungen, das Fahrzeug aus einem tiefen Schlammloch zu befreien und wieder auf die Strasse zu bekommen.

Auf den Dschungel-Strassen ist ein Vierradantrieb kein Luxus. Trotzdem ist man zu Fuss oft schneller unterwegs. gross

Interessierte Bevölkerung

Neben der wissenschaftlichen Ausbeute war der Kontakt zu den Bauern ein positives Erlebnis. Neue Kartoffelkreuzungen werden direkt auf den Äckern der Bäuerinnen getestet (siehe Bild oben rechts). Die meisten Feldarbeiten werden von Frauen durchgeführt. Nur die Fungizidspritzungen sind ausschliesslich Männerarbeit. Erstaunt und auch erfreut waren sie darüber, dass der "grosse Forscher aus der Ferne" selber Kartoffeln ausgrub und mit ihnen die verschiedenen Gründe für die geringen Erntemengen diskutierte und ihnen zuhörte.

Greg Forbes und Cesare Gessler beim Versuch, durch Phytophthora-befallene Blätter von Solanum hispidum zu ernten. gross

In einem kleinen Dorf erklärten wir, dass wir eine Baumsorte namens Pungal suchten. Die Einheimischen verwenden dessen Früchte als Shampoo. Eine Bäuerin machte sich auf den Weg und zeigte uns einige Stellen, an denen dieser Baum wuchs (Bild oben). Als wir unsere Anerkennung aussprachen, erhielten wir als Dank einige frische (unreife) Äpfel und viele Wünsche für eine erfolgreiche Arbeit. Solche gemeinsamen Feldarbeiten sind äusserst förderlich für die Beziehungen und die Freundschaft zwischen den Forschenden. Sie sind zudem produktiver als die (zu) vielen Kongresse.


Von Links: Doktorandin Gabriela Chacon, der lokale Forschungsleiter Arturo Taipe, sowie eine Bauernfamilie in einem Versuchfeld, in welchem Kartoffel-Neuzüchtungen auf ihre Schadpilz-Resistenz in den lokalen Verhältnissen getestet werden. gross


Pilz löste Hungersnot aus

Die Kraut und Knollenfäule - eine wichtige Pflanzenkrankheit der Kartoffel - wird durch den Pilz Phytophthora infestans verursacht. Die Kartoffel und ihre Verwandten stammen ursprünglich aus den Anden. Die Heimat von Phytophthora wird zwar in Mexiko vermutet, ist aber auch auf den verschiedenen Nachtschattengewächsen (Solanaceae) der Anden heimisch.

Der Schadpilz Phytophthora infestans hat in Europa Mitte des 19. Jahrhunderts eine grosse Hungersnot ausgelöst, welche zur grossen Auswanderungswelle von Irland in die USA führte und deren Auswirkungen in der Schweiz von Gottfried Keller in seiner Erzählung «Käthi, die Grossmutter» treffend beschrieben wurden. Auch heute noch verursacht die Krankheit grosse Ernteeinbussen, wenn sie nicht permanent mit chemischen Mitteln bekämpft wird.

Die Sortenresistenz, das heisst die Unempfindlichkeit der Kartoffeln gegen den Krankheitserreger, ist ökologisch und ökonomisch die beste Lösung und dem Einsatz von Fungiziden vorzuziehen. Darum wird seit Jahren intensiv nach Resistenzen gesucht, welche man hofft in neue Sorten einkreuzen zu können. Einige Erfolge wurden bereits erzielt. So sind neuere Kartoffelsorten wie Nicola weniger anfällig als der traditionelle Bintje.

Aber auch die vorhandenen Populationen des Schadpilzes Phytophthora gehen mit der Zeit. So findet man bei uns seit 10 bis 20 Jahren Genotypen, die auf Kartoffeln und auf Tomaten gleichzeitig hoch aggressiv sind. Früher wurden Tomaten weniger stark und später in der Saison befallen.



Die wild wachsenden Tomatillo sind lianenförmig und die Früchte essbar. gross


ETH-Beteiligung an Projekt in den Anden

Um diese Art von Entwicklung vorauszusehen, untersucht ein Forschungsteam unter der Obhut des Centro International de la PAPA (CIP) in der peruanischen Hauptstadt Lima die Variabilität der Phytophthora in den Anden von Ecuador. Das an der ETH beheimatete Zentrum für Internationale Landwirtschaft (ZIL) (2) ist zusammen mit der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) an diesem Projekt beteiligt. Die DEZA finanziert zwei Doktorandenstellen.

Die DNA-Analysen werden an der ETH durchgeführt, während die phänotypischen Untersuchungen - beispielsweise die Fähigkeit des Pilzes, eine bestimmte Nachtschattengewächsart zu befallen - vor Ort an der CIP-Forschungsstation in Quito durchgeführt werden. Geleitet werden die Projekte von beiden Instituten gemeinsam.




Fussnoten:
(1) Website der Phytopathologie-Gruppe des ETH-Instituts für Pflanzenwissenschaften: www.pa.ipw.agrl.ethz.ch/
(2) Website des Zentrums für Internationale Landwirtschaft (ZIL): www.zil.ethz.ch/



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