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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 18.02.2004 06:00

Servicelabor für Elektronenmikroskopie
Mit 300'000 Volt auf Spurensuche

Mitte März 2003 hat die Schulleitung der ETH Zürich beschlossen, ein Elektronenmikroskopiezentrum (EMEZ) zu schaffen. Darin sollen das Servicelabor des Departements Biologie und die bestehende Interessengemeinschaft Elektronenmikroskopie Hönggerberg zusammengeführt werden. ETH Life begleitete zwei Forscher – aus der Zellbiologie und der Angewandten Physik – am Elektronenmikroskop.

Von Michael Breu

Das Auge ist das wichtigste Sinnesorgan des Menschen: kein anderes liefert so viele Informationen an das Gehirn. Sehr kleine Gegenstände sieht man von blossem Auge noch – ein zehntel Millimeter (100 Mikrometer) ist im Abstand von etwa 20 Zentimeter noch knapp erkennbar. Wer kleinere Gegenstände untersuchen will, etwa Zellen, benutzt ein Lichtmikroskop. Damit lassen sich Strukturen abbilden, die ein tausendstel Millimeter (1 Mikrometer) klein sind. Noch kleinere Strukturen – zum Beispiel die Erbsubstanz DNA oder Kristalle – lassen sich mit dem Lichtmikroskop nicht untersuchen, dazu verwendet man Elektronenmikroskope (EM).

Präparation, der limitierende Faktor

Das Prinzip ist vergleichbar: Anstatt eine Licht- besitzt das EM eine Elektronenquelle, eine glühende Wolfram-Spitze. Die emittierten Elektronen werden anstatt von einer Linse durch Magnetfelder gebündelt und durch die Probe geschickt. Ein stark vergrössertes Bild erscheint dann auf einem Leuchtschirm oder bei modernen Geräten auf dem Computermonitor. Mit den besten Geräten erreicht man heute eine Auflösung von etwa 0,1 Nanometer (millionstel Millimeter). Zum Vergleich: die Bindungslänge zwischen zwei Atomen beträgt etwa 0,2 Nanometer!

„Der limitierende Faktor ist nicht die Auflösung des Elektronenmikroskops, die ist wirklich hervorragend. Der limitierende Faktor ist die Präparationstechnik“, sagt José M. Sogo, der am ETH-Institut für Zellbiologie (1) seit mehreren Jahren die Elektronenmikroskopie für seine Forschung anwendet. Sogo untersucht den Kopiervorgang, die Replikation von DNA; ihn interessieren dabei vor allem die dynamischen Prozesse – was sich zu welcher Zeit beim Kopierprozess abspielt. Dabei hat er in den letzten Jahren mehrfach wichtige Erkenntnisse gewonnen, etwa über fehlerhafte Kopien von Plasmiden (die zu einem Knoten in der Erbsubstanz führen) oder über einen vorzeitigen Abbruch des Kopierprozesses (was zur Genominstabilität führt).

Die DNA eines sich replizierenden SV-40-Minichromosoms: Der parentale Strang und die neu replizierten Tochterstränge sind als einsträngige Blasen dargestellt. Bild: José Sogo gross

Die Arbeit von José Sogo beginnt am Fermenter. Dort werden Zellkulturen vermehrt, „etwa ein Liter ist nötig“, sagt der gebürtige Spanier. Diese werden dann zentrifugiert, angereichert und mit Psoralen versetzt. Der Naturstoff bindet unter Einwirkung von UV-Licht an die Nucleinbasen der DNA (cross-linking). Die so gestoppte Zellteilung wird nun weiter untersucht. Dazu muss die Erbsubstanz isoliert und aufwendig gereinigt werden. Schliesslich liegen nach etwa drei Wochen Arbeit knapp fünf Mikroliter (millionstel Liter) der gewünschten Nukleinsäure vor in einer Reinheit von maximal 50 Prozent. Daraus werden nun 0,7 Mikroliter mit einer Eppendorfer-Pipette in ein Röhrchen gegeben, mit 0,5 Mikroliter Formaldehyd/Glyoxal versetzt (Denaturierung) und schliesslich bei 45 Grad Celsius im Wasserbad erwärmt. „Dann kommt ein interner Standard hinzu und etwas Detergent“, erklärt José Sogo. Nun muss die Probe auf sieben bis acht kleine Kupfernetzchen gebracht und anschliessend zur Kontrastierung mit einem Platin-Kohlenstoff-Gemisch bedampft werden.

Kopiervorgang abgebrochen

Dann ist sie bereit für die eigentliche Untersuchung. José Sogo reicht eines der ältesten Elektronenmikroskope der ETH – ein Philips EM 420, ein vor zwanzig Jahren gekauftes Gerät: „Um biologische Informationen lesen zu können, reicht eine Auflösung von 2 bis 3 Nanometern“, sagt er. Das dunkelgrüne Gerät startet, die Vakuumpumpen saugen die Apparatur leer. Nun wird die Wolfram-Spitze aufgeheizt, und Licht auf dem fluoreszierenden Bildschirm bestätigt, dass Elektronen emittiert werden. Das Elektronenmikroskop ist bereit. Eines der Kupfernetzchen wird nun auf den Probenhalter gebracht und vorsichtig in die Apparatur eingebracht. Das fluoreszierende Grün des vergrösserten Bildes auf dem Fluoreszenzschirm wird mit einem Lichtmikroskop abgesucht – und tatsächlich: Die Hefezelle mit der fehlenden rad53-Kinase hat den Kopiervorgang abgebrochen, unter dem EM ist es deutlich sichtbar.

Auseinanderlaufende Metalle

Ebenfalls mit der Elektronenmikroskopie befasst sich Helge Heinrich vom ETH-Institut für Angewandte Physik (2). Er untersucht derzeit, wie die einzelnen Metallatome aus der bei hohen Temperaturen unbeständigen Legierung Gold-Nickel „auseinander laufen“ und stellenweise wieder reine Elemente bilden. Dazu hat er eine hauchdünne Probe vorbereitet und sie auf den Probenhalter gespannt. Verglichen zu Sogos biologischen Proben braucht Heinrich eine deutlich bessere Auflösung – das Kristallgitter der Legierung sollte mindestens sichtbar sein. Er wählt deshalb ein Tecnai F30, das modernste Gerät von Philips.


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Elektronenmikroskopie live: Mathias Terheggen, er hat im Sommer seine Dissertation am Institut für Angewandte Physik erfolgreich abgeschlossen, bei der Arbeit am Tecnai F30. Bild: Helge Heinrich gross

Vier Ionengetter-Pumpen sorgen für gutes Vakuum, und die Wolframspitze erzeugt bei einer Temperatur von 1’500 Grad Celsius einen feinen Strahl, der eine elektrische Beschleunigungspannung von 300’000 Volt durchläuft. Doch das Bild wackelt. „Das kann passieren“, sagt Helge Heinrich, „nicht immer läuft alles so, wie man es sich vorstellt“. Der Physiker dreht an Rädchen und Hebeln. Und dann gibt’s doch noch ein scharfes Bild, zumindest für einige Sekunden. Doch darauf ist deutlich zu erkennen, „dass Gold und Nickel sich in der Legierung nicht mögen und sich wieder trennen“, sagt Heinrich.

Bilder geben Hinweise über das Verhalten

Solche Erkenntnisse sind nicht unwichtig; den Materialforschern geben sie wichtige Hinweise über das Verhalten der verschiedenen Materialkomponenten. So weiss man zum Beispiel, dass heterogene Legierungen verglichen zu homogenen eine höhere Festigkeit aufweisen. Ein gutes Beispiel aus der Praxis sind Aluminiumbleche, die nach dem Legieren speziellen Heiz- und Abkühlprozessen ausgesetzt werden, um Ausscheidungen im Nanometerbereich zu erzeugen. Auch solche Legierungen werden im Tecnai F30 untersucht.

Einheitlich? Im Rastermodus des Tecnai F30 zeigt sich: die Nickel-Gold-Legierung ist entmischt. Die hellen Gebiete haben eine hohe Gold-Konzentration, die dunklen Bereiche sind reich an Nickel. Bild: Helge Heinrich gross

Das Elektronenmikroskop „ist eine der wichtigsten Erfindungen im 20. Jahrhundert“. Es hat grossen Fortschritt gebracht in der wissenschaftlich fundierten Naturerkenntnis und die Strukturaufklärung erst ermöglicht. Dies schrieb das Nobel-Komitee 1986, als es Ernst Ruska für die Entwicklung des Transmissions-Elektronenmikroskops (1931-1939) mit der einen Hälfte des Physik-Nobelpreises auszeichnete, die andere Hälfte bekamen Gerd Binnig und Heinrich Rohrer für die Entwicklung des Rastertunnelmikroskops, ebenfalls eine Methode zur Abbildung atomarer Strukturen.


Modernisierungen rechtzeitig realisieren

Mitte März 2003 hat die ETH-Schulleitung beschlossen, dass die beiden bestehenden Labors für Elektronenmikroskopie zum „Elektronenmikroskopiezentrum der ETH Zürich (EMEZ)“ zusammengeschlossen werden. Professor Gernot Kostorz, Sie sind Leiter dieses Zentrums. Welche Idee steht hinter der Zusammenführung?

Gernot Kostorz: Die Zusammenführung soll zunächst der besseren Erhaltung von Know-how auf dem Gebiet der Elektronenmikroskopie und dem ETHZ-weiten Abgleich der Wünsche für Gerätebeschaffungen dienen. Man wünscht sich darüber hinaus auch die Sicherung des personellen und infrastrukturellen Potenzials für Weiterentwicklungen und Anwendungen elektronenmikroskopischer Methoden auf höchstem Niveau.

Mitglied am EMEZ sind mehrere Professuren, Institute und Departemente. Sie teilen sich nun 12 Geräte. Wie wird die Benutzung geregelt, dass niemand zu kurz kommt? Und wie wird das EMEZ finanziert?

Kostorz: Zu jedem Gerät gibt es einen Benutzerschlüssel, der bei Bedarf auch verändert werden kann, so dass kaum jemand zu kurz kommen kann. Neben der Grunddotation sind wir auf substantielle Leistungen der EMEZ-Partner angewiesen. Diese Beiträge werden je nach Interessenlage sehr individuell ausgehandelt.

Einzelne Mikroskope sind bereits mehrere Jahre alt. Deshalb sollen zwei neue Geräte gekauft werden. Nun sind die Interessen der verschiedenen Institute und Departemente nicht die gleichen – vor allem etwa jene der Physik und der Biologie. Wie werden die Interessen bei einer Neubeschaffung gewichtet?

Kostorz: Je nach Bedarf und Dringlichkeit. Wir kennen die Leistungsprofile der existierenden Geräte und versuchen Modernisierungen rechtzeitig zu realisieren, vor allem, um weitere und neue Spitzenleistungen zu ermöglichen – wobei alle vorhandenen und sich anbahnenden Anforderungsprofile zu berücksichtigen sind.

Noch sind die verschiedenen Elektronenmikroskope über mehrere Gebäude verteilt. Idealerweise sollten Kernpersonal und Geräte unter einem Dach räumlich zusammengefasst werden. Doch der Platz an der ETH ist knapp. Wo soll dieses eigentliche Zentrum entstehen? Gibt es einen Zeitplan?

Kostorz: Leider ist bisher keine konkrete Möglichkeit einer engeren Zusammenführung absehbar, obwohl gut durchdachte Pläne schon seit sehr langer Zeit vorliegen. Das Thema kann nach derzeitiger Kenntnis frühestens im Investitionsplan 2005 aufgegriffen werden. Einem Sponsor, der uns ein neues Gebäude finanziert, würden wir uns sicher nicht verschliessen.




Fussnoten:
(1) Institut für Zellbiologie: www.cell.biol.ethz.ch/
(2) Institut für Angewandte Physik: www.iap.ethz.ch/



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