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Rubrik: Tagesberichte |
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Volksinitiative für ein Gentech-Moratorium Forschung wird nicht tangiert |
Gestern lancierten Landwirtschafts-, Konsumentenschutz- und Umweltorganisationen in Bern die Volksinitiative für ein fünfjähriges Gentech-Moratorium (1). Ausgenommen ist die Forschung; sie soll im Gentechnikgesetz geregelt werden. Von Michael Breu Die Initiantinnen und Initianten sind zuversichtlich: Nicht Monate werde es dauern, bis die nötigen Unterschriften gesammelt sind, höchstens einige Wochen. Denn Umfragen würden bestätigen, dass eine Mehrheit gentechnisch veränderte Lebensmittel ablehnten (2). Die Stimmung ist von Angst geprägt: „Angst, dass wir mit der Freisetzung genmanipulierter Pflanzen und mit genveränderten Lebensmitteln den Geist aus der Flasche lassen, bevor wir wissen, wie wir ihn notfalls wieder zurückbringen, und bevor wir die Sicherheit haben, dass wir in der Umwelt und beim Menschen nicht folgenschwere, gefährliche Vorgänge und Veränderungen auslösen, die wir nicht mehr beherrschen und die irreversibel sein könnten“, bekennt Ruedi Aeschbacher, Zürcher EVP-Nationalrat und Mitglied des Zentralvorstandes von Pro Natura. Auch die Solothurnerin Elvira Bader und der Bündner Walter Decurtins – beide Bauern politisieren für die CVP im Nationalrat – warnen: „Solange eine Technologie als problematisch gilt, tut die Landwirtschaft gut daran, Vorsicht walten zu lassen.“ Time-out für die Landwirtschaft Die Lösung sei ein Time-out, ein Moratorium. „Die schweizerische Landwirtschaft bleibt für die Dauer von fünf Jahren nach Annahme des Verfassungsartikels gentechnikfrei“, fordern 23 Landwirtschafts-, Konsumentenschutz- und Umweltorganisationen mit ihrer gestern lancierten „Gentechfrei-Initiative“. Maya Graf, Baselländler Nationalrätin der Grünen und Präsidentin der Schweizerischen Arbeitsgruppe Gentechnologie, betont: „Es ist klar festzuhalten, dass die Gentechfrei-Initiative den kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in der Schweiz betrifft und somit Freisetzungsversuche für Forschungszwecke nicht direkt tangiert werden. Die Bedingungen für Freisetzungen zu Forschungszwecken regelt heute das Umweltschutzgesetz, ab Inkrafttreten das Gentechnikgesetz.“ Zeit für die Forschung nutzen Das bestätigt auf Anfrage Christof Sautter, ETH-Forscher am Institut für Pflanzenwissenschaften: „Die Forschung ist vom Moratorium nicht tangiert.“ Dennoch warnt er: „Die Stimmung, die durch die Initiative erzeugt wird, impliziert, es bestehe eine Gefahr.“ Das Buwal könne möglicherweise aufgrund dieser Stimmung in seiner Beurteilung von Gesuchen beeinflusst werden. Ein Moratorium sei dann sinnvoll, wenn die Wissenschaft die Zeit aktiv nutzen könne, um Ergebnisse zu sammeln – die Forschung also vorangetrieben werde.
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Diese Meinung unterstützt Ueli Suter, ETH-Vizepräsident für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen: „Für die Hochschulen und die Bevölkerung ist es wichtig, dass die Forschung nicht tangiert wird. Es braucht zum Beispiel ein grundsätzliches Bekenntnis zur Risikoforschung, weil noch grosse Wissensdefizite um die ökologischen Folgen von Freisetzungen bestehen.“ Gelebte Demokratie Keine Gefahr für Forschungsprojekte sieht auch Angelika Hilbeck vom Geobotanischen Institut der ETH. Zum Moratorium findet sie: „Mir scheint ein Time-out für die kommerzielle Freisetzung dieser Art vernünftig angesichts der vielen ungeklärten Fragen. Nicht nur aus rein umweltwissenschaftlicher Sicht, sondern auch hinsichtlich Haftungsfragen, der Rückverfolgbarkeit, der Koexistenz von IP-, Bio- und GVO-Anbau, des Monitorings und des Umgangs mit Unsicherheiten.“ Mit dem Moratorium komme man dem Bedürfnis der Bevölkerung nach: „Es hat eine demokratische Komponente, die bei solch gesellschaftlich umstrittenen Dingen wie der angewandten Gentechnologie im Ernährungs- und Landwirtschaftsbereich wichtig ist“, sagt die Forscherin. Dennoch: Nicht allen geht das Moratorium genügend weit. Während etwa der Schweizerische Bauernverband nur zaghaft zustimmte, lehnt Greenpeace die Formulierung entschieden ab: „Greenpeace engagiert sich gegen jegliche Freisetzung genmanipulierter Organismen“, heisst es in einem Positionspapier der Organisation (3). Auch andere Moratoriumsbefürworter lassen durchblicken: „Mit der Ausklammerung der Forschungsversuche geben wir kein grünes Licht für Versuche in der Natur“, wie Herbert Karch, Geschäftsführer der Kleinbauern-Vereinigung, im November 2002 in einem Leitartikel der „Gen-Schutz-Zeitung“ schrieb (4). De facto Moratorium in Europa Aktuell ist die Moratoriumsfrage nicht nur in der Schweiz: „Rund um den Globus führen die bestehenden Unsicherheiten bezüglich der Umweltfolgen von gentechnisch veränderten Pflanzen, die Sorge um die gentechnikfreie Produktion und die Furcht vor gesundheitlichen Folgen aufgrund des Verzehrs von gentechnisch hergestellten Lebensmitteln dazu, dass Moratorien und Verbote diskutiert, gefordert und auch umgesetzt werden“, schreibt Daniel Ammann, ehemaliger ETH-Forscher und heutiger Geschäftsführer der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft Gentechnologie (5) – in den Staaten der EU besteht seit 1998 ein de facto Moratorium. "Nature" pädiert für Grüne Gentechnik Diese Politik der Zurückhaltung veranlasste die Redaktion (in der aktuellen Ausgabe) des renommierten Fachmagazins „Nature“ zu einem feurigen Plädoyer für die Grüne Gentechnologie: Wer die Fachliteratur unbefangen lese, könne feststellen, dass nach jahrelanger Forschung keine Beweise dafür vorlägen, dass die Gentechnologie für die menschliche Gesundheit oder für das Ökosystem schädlich seien (6). |
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