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Rubrik: Tagesberichte

Neue Erkenntnisse zur Struktur des Erdmantels
Gegen die Intuition

Published: 25.08.2004 06:00
Modified: 24.08.2004 15:50
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Unmittelbar an der Grenze zum Erdkern besteht der Erdmantel aus Gesteinen mit ungewöhnlichen Eigenschaften. Warum dies so ist, konnte bislang nicht plausibel erklärt werden. Ein ETH-Forscher kommt nun zusammen mit seinem japanischen Kollegen zum Schluss, dass diese Gesteinsschicht aus einem bisher unbekannten Mineral bestehen muss. Dies wirft auch ein neues Licht auf die Vorgänge im Erdinnern.



Von Felix Würsten (mailto:felix.wuersten@ethlife.ethz.ch)

Tief im Erdinnern, unmittelbar an der Grenze zwischen Erdmantel und Erdkern, verbirgt sich ein Mysterium, über das in der Fachwelt schon seit längerem heftig gestritten wird. Die sogenannte D"-Schicht besitzt im Vergleich zum darüber liegenden Erdmantel nicht nur ganz andere physikalische Eigenschaften, sondern sie weist auch eine merkwürdige Topographie auf. Während sie an einigen Stellen nur wenige Dutzend Kilometer mächtig ist, erreicht sie andernorts eine Dicke von bis zu 300 Kilometern. Artem R. Oganov vom Laboratorium für Kristallographie der ETH Zürich (1) und Shigeaki Ono von der Japan Agency for Marine-Earth Science and Technology (2) haben nun Mitte Juli in der Zeitschrift "Nature" (3) berichtet, dass eine bisher unbekannte Mineralstruktur für diese Eigenschaften verantwortlich ist.

Unglaublich stabiles Mineral

"Der untere Erdmantel besteht zum grössten Teil aus dem Mineral Perovskit", erklärt Oganov. "Da diese Verbindung unglaublich stabil ist, glaubte man lange, der ganze untere Erdmantel bestehe aus diesem Mineral. Die Messungen der Geophysiker zeigten jedoch, dass dies nicht stimmen kann. Denn im untersten Bereich gibt es eine Schicht, welche andere physikalische Eigenschaften aufweist. Einige Forscher machten in der Folge chemische Inhomogenitäten für diese D"-Schicht verantwortlich. Andere wiederum vertraten die These, Perovskit zerfalle bei extrem hohem Druck in reine Oxidverbindungen."

Beide Auffassungen, so ist Oganov überzeugt, sind falsch. "Unsere Daten zeigen, dass der unterste Erdmantel aus einer anderen Mineralphase mit gleicher chemischer Zusammensetzung bestehen muss." Bemerkenswert ist, dass das neue Mineral, Post-Perovskit genannt, nicht isotrop ist, wie man eigentlich intuitiv erwarten würde, sondern eine Schichtstruktur aufweist. "Mit dieser Struktur können wir die Beobachtungen der Geophysiker sehr gut erklären", meint Oganov. Diese haben festgestellt, dass Erdbebenwellen die D"-Schicht je nach Orientierung und Wellentyp unterschiedlich schnell passieren.

Das neu entdeckte Mineral Post-Perovskit (rechts) weist eine geschichtete Kristallstruktur auf. Im Vergleich dazu weist das bekannte Mineral Perovskit (links) eine fast isotrope Struktur auf.

Starke Abhängigkeit von Temperatur

Oganov ist überzeugt, dass die Entdeckung des neuen Minerals die geophysikalische Forschung massgeblich beeinflussen wird. Die D''-Schicht spielt beispielsweise bei der Entstehung von heissen Mantelplumes eine wichtige Rolle, welche für den Vulkanismus in Island oder auf Hawaii verantwortlich sind. "Unsere Erkenntnis wird das Bild von den Vorgängen im Erdmantel grundlegend verändern."

Auch die merkwürdige Topographie der D''-Schicht kann Oganov nun elegant erklären. "Der Übergang von normalem Perovskit zu Post-Perovskit hängt stark von der Temperatur ab. Dort wo der Mantel besonders heiss ist, entsteht Post-Perovskit demnach erst in grösserer Tiefe; die D"-Schicht ist dort also weniger mächtig. In den kühleren Regionen des Erdmantels hingegen ist die D"-Schicht dicker, weil Post-Perovskit bereits bei einem tieferen Druck, also in geringerer Tiefe stabil ist."

Footnotes:
(1 Homepage des Laboratoriums: www.crystal.mat.ethz.ch/
(2 Homepage des Institute für Frontier Research on Earth Evolution der JAMSTEC:www.jamstec.go.jp/jamstec-e/IFREE/index.html
(3 Oganov A.R., Ono S. (2004): Theoretical and experimental evidence for a post-perovskite phase of MgSiO3 in Earth's D" layer. Nature 430, 445-448.


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