www.ethlife.ethz.ch    
ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuftETH Life - wissen was laeuftETH LifeDie taegliche Web-Zeitung der ETHETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuftETH Life - wissen was laeuft


Rubrik: Tagesberichte

Viertes Energy Science Colloquium an der ETH Zürich
Energiepolitik - auf gutem Weg oder erst am Anfang?

Published: 30.04.2007 06:00
Modified: 30.04.2007 09:24
druckbefehl
Wie kann die Energieversorgung der Schweiz langfristig gesichert werden ohne dabei ökologische Ziele aus den Augen zu verlieren? Welche Technologien sind erfolgversprechend und wie können diese politisch gefördert werden? Diese Fragen standen im Zentrum des vierten Energy Science Colloquium an der ETH Zürich. Nach Vorträgen von Energieberatern, Vertretern von NGOs und Führungskräften aus der Wirtschaft, kamen vergangenen Donnerstag zwei Politiker zu Wort.



Samuel Schlaefli (mailto:samuel.schlaefli@cc.ethz.ch)

Das Thema Energiepolitik ist heiss. Während der Diskurs über den Klimawandel weltweit auf Hochtouren läuft, versuchen Politiker in Bern Forderungen nach einer nachhaltigen, wirtschaftlichen und stabilen Schweizer Energieversorgung unter einen Hut zu bringen. Die parteipolitischen Positionen dazu sind weitgehend bekannt: Während die Bürgerlichen den Atomstrom als Ausweg aus der Klimafalle propagieren, setzt die Linke ihre Hoffnungen noch immer in die alternativen Energien. Ein Podiumsgespräch zwischen SP-Nationalrätin Ursula Wyss und FDP-Nationalrat Georges Theiler im Rahmen des vierten Energy Science Colloquium (1) am Donnerstag an der ETH untermauerte dieses Bild weitgehend. Trotzdem fanden sich aber im Gespräch gemeinsame Positionen, gerade auch dann, wenn es um die Rolle der Wissenschaften im politischen Prozess geht.

Ein Silberstreifen am Horizont

Für Wyss, Ökonomin und zurzeit Präsidentin der SP-Fraktion im Bundeshaus, hat die bisherige Energiepolitik noch zuwenig gegriffen. Das Prinzip der Subsidiarität, also der freiwilligen Massnahmen von Industrie und Wirtschaft, trage zuwenig zur Lösung der heutigen Umweltprobleme bei. Zwei Punkte stehen für Wyss in der Energiedebatte heute im Vordergrund: Erstens müsse der Energieverbrauch der Schweiz gesenkt werden und zweitens gelte es ökologische Alternativen zu den heutigen Energiequellen zu finden. Theiler, ETH-Ingenieur und Inhaber eines Consultingunternehmens, plädierte hingegen in erster Linie für eine sichere und ökonomische Energieversorgung. Seiner Meinung nach hat die Politik die Problematik rund um Umwelt- und Energiefragen erkannt. Man sei heute auf gutem Weg die Energieziele zu erreichen. Das revidierte Stromversorgungsgesetz, der Klimarappen sowie die vom Parlament im März beschlossene CO2-Abgabe auf Brennstoffe seien Vorstösse in die richtige Richtung. Nun gelte es in erster Linie diese umzusetzen.

Für Wyss ist dies jedoch erst der Anfang. Sie erachte zwar das revidierte Stromversorgungsgesetz und die beschlossene Einspeisevergütung als ein „Silberstreifen am Horizont“. Mit der kostendeckenden Einspeisevergütung wird Strom aus Kraftwerken, die erneuerbare Energien nutzen, mit einer Vergütung entschädigt. Nun seien aber weitere Massnahmen notwendig, darunter eine Lenkungsabgabe, damit die tatsächlichen Energiekosten besser auf die Verbraucher abgewälzt werden. Durch eine Lenkungsabgabe würden Brennstoffe (Öl, Gas, Kohle) und Treibstoffe (Benzin, Diesel) mit einer Klimaabgabe verteuert und der Erlös über die Krankenkasse und Rabatte auf AHV-Beiträge wieder an die Bevölkerung ausgeschüttet. Weiter forderte Wyss vom Bund massive Investitionen in erneuerbare Energien sowie in energieeffiziente Technologien.

Gegensätzlicher Freiheitsbegriff

Wyss machte sich in der Diskussion für die 2000 Watt-Gesellschaft (2) stark. Dabei handelt es sich um das radikalste Szenario von vier Energieperspektiven, die im Auftrag des Bundesamtes für Energie verfasst wurden. Es fordert unter anderem die Senkung der in der Schweiz kontinuierlich verbrauchten Leistung von 5000 Watt auf 2000 Watt pro Kopf. Almut Kirchner hatte am ersten Energie Science Colloquium bereits ausführlich darüber berichtet (3) . Theiler beurteilte die 2000-Watt-Gesellschaft als ein spannendes theoretisches Konstrukt, befürchtet jedoch in der Umsetzung eine zu grosse Bevormundung des Bürgers. Wenn jedermann nur noch 2000 Watt zur Verfügung habe, dann bedeute das einen deutlichen Eingriff in die persönliche Freiheit. Ausserdem könne er noch nicht nachvollziehen, wie zum Beispiel Eigentümer eines alten, denkmalgeschützten Bauernhauses – also einer „Energieschleuder“ – solche Ziele erreichen sollten. Die Politik dürfe in der Energiefrage keinen Zwang auf die Bevölkerung ausüben, diese müsse selber bestimmen welche Alternativen gangbar sind. Er forderte die SP dazu auf in der Energiepolitik auch gewisse Kompromisse zugunsten des Bürgers einzugehen, schliesslich handle es sich bei der Energie nicht um eine parteipolitische Frage, sondern eine nationale Dringlichkeit.

Unterschiedliche Ansichten mit zeitweiligen Gemeinsamkeiten: FDP-Nationalrat Georges Theiler, Rolf Probala (Moderation), SP-Nationalrätin Ursula Wyss. (V.l.n.r.)

Die Nationalrätin liess den Vowurf der Freiheitsbeschneidung nicht gelten. Freiheit und Lebensqualität hänge nicht vom Benzin- oder Stromverbrauch ab, sondern wenn schon von der Mobilität und dem Komfort. Beides könnte jedoch genauso mit der Hälfte des Energieverbrauchs gewährleistet werden, indem neue Technologien mit erhöhter Effizienz gefördert würden, so Wyss. Die Zeiten seien vorbei, als man Stromsparen noch mit der Angst verband, die Wohnung mit der Kerze beleuchten zu müssen.

AKW als Grundlage oder Notlösung?

In einem Punkt waren sich die beiden Nationalräte einig: Ein „Mosaik von Instrumenten“, wie Wyss es nannte, soll zu einer nachhaltigen Energieversorgung der Schweiz beitragen. Ausserdem wollen beide den Bau von Gas-Kombi-Kraftwerke möglichst verhindern. Während Theiler jedoch in diesem Mix die Atomkraftwerke explizit einschliesst, ist dies für Wyss nur die schlechteste von einer ganzen Reihe von Optionen. Theiler hingegen ist überzeugt, dass sich die AKW in der Schweiz bewährt haben und eine Erneuerung der bestehenden Anlagen vom Volk getragen würde. Sein Ziel ist es eine Vorlage darüber in drei bis vier Jahren vor das Volk zu bringen. Wyss hingegen hält dies für illusorisch. Schon nur deshalb, weil die Frage nach der Endlagerung kurzfristig nicht gelöst werden könne. Als Alternativen zur Kernenergie schlägt die Ökonomin eine breite Palette von Alternativen vor, darunter Sonnenenergie, Windenergie, Wasserenergie, Biomasse und Erdwärme. Gerade in der Nutzung von Sonnenenergie durch Photovoltaik sehe sie noch grosses Potenzial. Sie gestand jedoch ein, dass sie für dessen Einschätzung auf die Wissenschaft angewiesen sei, würden doch die Chancen der Solarzellen je nach Studie in den Himmel gelobt oder als erschöpft verschrien.

Offshore-Windkraftwerke, wie sie Wyss vorschlägt, sind für Theiler keine Option. Zu schwierig und zu teuer sei der Transport von Strom aus der Nordsee in die Schweiz. Ausserdem stehe er für eine vom Ausland unabhängige Stromversorgung der Schweiz ein. Der Ingenieur setzt neben den AKW vor allem auf den Ausbau von Wasserkraftwerken, deren Effizienz noch um fünf bis sieben Prozent verbessert werden könnten. Seit der von Naturschützern geschürten Empörung zur Staumauererhöhung im Grimselgebiet seien jedoch auch die Wasserkraftwerke politisch heikel geworden. Ähnlich bei der Geothermie, mit welcher sich Theiler stark auseinandergesetzt hat und die er als elegante und vielversprechende Lösung einstuft. Seit den Erdbeben in Basel würden sich jedoch Politiker hüten diese Lösung auch weiterhin ernsthaft zu propagieren.

Theiler und Wyss stimmten überein, dass die Wissenschaften eine entscheidende Rolle spielen, um in der Politik pragmatische Lösungen zu finden, die weniger von parteipolitischen Ideologien, sondern von Fakten gesteuert sind. Mögliche Schwierigkeiten in diesem Zusammenspiel zeigten sich jedoch bereits bei der Podiumsdiskussion. Die interessierten Zuhörer, viele davon anscheinend mit einem fundierten technischen Wissen in Fragen der Energiegewinnung, scheuten sich nicht, von Nationalrätin Wyss genannte Zahlen zu hinterfragen oder auch gleich zu korrigieren. Manchmal scheint der Grat zwischen Fakten und Ideologie gerade in der Politik noch immer schmal zu sein.

Footnotes:
(1 Energie Science Colloquium: www.esc.ethz.ch/news/colloquia
(2 Projekt 2000 Watt-Gesellschaft: www.novatlantis.ch/frames_d.html
(3 ETH Life Artikel zum ersten Energie Science Colloquium: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/ESCSeminar.html


Copyright 2000-2002 by ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zurich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
ok
!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!