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Rubrik: Tagesberichte

Latsis-Symposium "Research Frontiers in Energy Science and Technology"
"Wir haben ein massives Problem"

Published: 13.10.2006 06:00
Modified: 12.10.2006 18:00
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Der Strassenverkehr wird in den nächsten Jahren stark zunehmen – nicht nur in der Schweiz, sondern vor allem auch in China und Indien. Mit den heutigen Autos führt dies zu massiven Schwierigkeiten. Am Latsis-Symposium zeigen ETH-Forscher diese Woche auf, wie das Problem konkret gelöst werden könnte.



Felix Würsten (mailto:felix.wuersten@ethlife.ethz.ch)

Das Thema Energie wird in den nächsten Jahren zu einem zentralen Problem unserer Gesellschaft: Auf der einen Seite gilt es, eine stetig wachsende Nachfrage zu decken, insbesondere in China und Indien. Auf der anderen Seite drohen Engpässe bei der Versorgung mit Erdöl und Erdgas sowie negative Auswirkungen des Klimawandels. Über die Frage, wie diese Probleme auf verschiedenen Ebenen gelöst werden könnten, diskutieren diese Woche Fachleute im Rahmen des Latsis-Symposiums (1) an der ETH Zürich. Organisiert wurde die zweitägige Veranstaltung vom Energy Science Center (ESC) der ETH (2) , an dem sich 34 Professoren aus 11 Departementen beteiligen.

Begrenzte Möglichkeiten

Wie vielfältig die Forschungstätigkeiten der ETH im Bereich Energie sind, veranschaulichten vier Referenten vor Medienvertretern am Beispiel Strassenverkehr. Dieser dürfte in der Schweiz innerhalb der nächsten 30 Jahre um weitere 40 Prozent zunehmen. Gleichzeitig müssten die CO2-Emissionen pro Kopf massiv gesenkt werden, damit die Klimaerwärmung auf einem erträglichen Wert eingedämmt werden kann. Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist, die Energieeffizienz der Fahrzeuge weiter zu verbessern, erklärte Konstantinos Boulouchos, Professor am Institut für Energietechnik der ETH. Durch Umstellungen beim Antrieb – beispielsweise durch die flächendeckende Einführung von Gas-Hybridmotoren – lässt sich der Verbrauch um maximal 50 Prozent senken. Weitergehende Einsparungen – immer unter der Annahme, dass sich an den Fahrzeugen grundsätzlich nichts ändert – sind gemäss Boulouchos nur noch mit Batterie-getriebenen Fahrzeugen möglich.

Faktor 10 als Vision

Genau hier setzt Lino Guzzella, Professor am Institut für Mess- und Regeltechnik der ETH an. Sollten Indien und China einen ähnlichen Motorisierungsgrad erreichen wie beispielsweise die Schweiz – die immer noch weit hinter den USA liegt – würde sich weltweit die Zahl der Autos im Vergleich zu heute verfünffachen. "Wir haben ein massives Problem", hält Guzzella fest. Er plädiert deshalb dafür, bei den Fahrzeugen selbst anzusetzen. Würde man das durchschnittliche Gewicht von 1600 kg auf 400 kg reduzieren, die Aerodynamik und die Rolleigenschaften deutlich verbessern und gleichzeitig die Antriebe effizienter gestalten, dann liesse sich der Verbrauch um bis zu einem Faktor 10 reduzieren. Davon, so räumt Guzzella ein, sei man heute allerdings noch ein ganzes Stück entfernt. Ein kritischer Punkt ist insbesondere die Sicherheit. Die Konsumenten werden nur dann auf leichtere Autos umstellen, wenn die Sicherheit gewährleistet bleibt. Im Strassenverkehr müssten vermehrt aktive Sicherheitselemente wie Abstandswarngeräte eingeführt werden, ähnlich wie man dies im Flugverkehr bereits kenne, fordert Guzzella.

Spontane Entscheidung

Einen wichtigen Beitrag zur Senkung des Energieverbrauchs könnten auch die Käufer leisten. Je nach dem, für welches Modell sie sich entscheiden, können sie die CO2-Emissionen um 40 Prozent reduzieren. Gerade in der Schweiz, so zeigte Peter Jan de Haan vom Institut für Mensch-Umwelt-Systeme auf, kaufen die Konsumenten seit Jahrzehnten Autos mit deutlich stärkeren Motoren als in den umliegenden Ländern. Im Rahmen einer grösseren Studie hat Haan die Autokäufer über ihre Entscheidungskriterien befragt.

Durch den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur ist die Schweiz in den letzten Jahren deutlich "kleiner" geworden.

40 Prozent entschliessen sich beispielsweise innerhalb von nur zwei Wochen, welches neue Auto sie kaufen wollen. Der Energieverbrauch gehöre dabei meistens nur zu den kompensatorischen Grössen, hält Haan fest. "Die Käufer wissen meist schnell, welche Marke und welchen Fahrzeugtyp sie wollen. Erst wenn sie bereits im Laden stehen, machen sie allenfalls noch Gedanken zum Energieverbrauch." Das Institut für Mensch-Umwelt-Systeme hat ein Autokauf-Prognosemodell entwickelt, mit dem der Einfluss von staatlichen Massnahmen und Marktentwicklungen auf das Kaufverhalten untersucht werden kann.

Die Welt wird kleiner

Kay W. Axhausen, Professor am Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme, wies schliesslich darauf hin, dass die Entwicklung im Strassenverkehr einem längerfristigen Trend folgt, der sich wohl nicht so schnell ändern wird. Im Rahmen einer Studie hat er eine "Strassenkarte der Schweiz" (3) entwickelt, auf der die Distanzen proportional zu den Reisezeiten ausgewiesen sind. Das Bild der Schweiz hat sich in den letzten 50 Jahren massiv verändert. "Wir haben vieles unternommen, damit unsere Welt kleiner wird", meint Axhausen. Dementsprechend sind auch die Einzugsbereiche der einzelnen Städte grösser geworden. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: wer bereit ist zu pendeln, kann sich eine grössere Wohnung in der Peripherie leisten, aus einem breiteren Jobangebot auswählen und ein weitläufigeres Beziehungsnetz pflegen. Was Axhausen auf lokaler und nationaler Ebene nachgezeichnet hat, gilt auch auf internationaler Ebene. "Wenn die Menschen immer mehr fliegen, reicht es nicht aus, sparsamere Autos zu bauen, um das Energieproblem im Transportsektor in den Griff zu bekommen", bringt es Axhausen auf den Punkt.


Energie in Engelberg

Das Thema Energie stand auch an der diesjährigen Academia Engelberg (4) im Zentrum des Interesses. Rund 120 Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, darunter auch verschiedene Vertreter der ETH, setzten sich mit Fragen zu Energien der Zukunft auseinander. Ein Drittel der Konferenzteilnehmer waren junge Wissenschafter der Schweizerischen Studienstiftung und von Youth Encounter on Sustainability (YES). Rund 20 YES-Mitglieder haben auf Einladung von ETHsustainability in einem Sommercamp in Braunwald Fragen zu regionalen Energiesituationen erarbeitet. Einige Teilnehmer dieses Sommercamps stellten nun in Engelberg ihre Analysen vor und zeigten mögliche Handlungsfelder in Nordamerika, im Nahen Osten, in Indien und in Europa auf.


Footnotes:
(1 Das Latsis-Symposium findet noch heute Freitag im Audimax der ETH Zürich statt.
(2 Homepage des Energy Science Centers: www.esc.ethz.ch
(3 Siehe dazu auch "ETH Life"-Bericht "Die Schweiz wird immer kleiner": www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/zeitkarten.html
(4 Informationen zur Academia Engelberg finden sich unter: www.academia-engelberg.ch/


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