www.ethlife.ethz.ch    
ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuftETH Life - wissen was laeuftETH LifeDie taegliche Web-Zeitung der ETHETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuftETH Life - wissen was laeuft


Rubrik: Tagesberichte

Simulation liberalisierter Strommärkte
Engpässe als Marktfaktor

Published: 16.11.2006 06:00
Modified: 16.11.2006 08:24
druckbefehl
Wie sollen liberalisierte Strommärkte am besten reguliert werden? Um diese Frage zu beantworten, haben ETH-Forscher ein Modell entwickelt, mit dem verschiedene Marktarchitekturen verglichen werden können. Eine entscheidende Bedeutung spielt dabei, wie die Übertragungsnetze abgebildet werden.



Felix Würsten (mailto:felix.wuersten@ethlife.ethz.ch)

Die Liberalisierung der europäischen Strommärkte schreitet zügig voran, und es ist wahrscheinlich, dass auch die Schweiz als Stromdrehscheibe Europas ihre Elektrizitätsversorgung in absehbarere Zukunft öffnen wird. Wie konkret der Länder übergreifende Stromhandel ausgestaltet werden soll, darüber gehen die Meinungen allerdings noch auseinander. (1) Weltweit gesehen gibt es heute verschiedene Marktarchitekturen, die sich – je nach Sichtweise – mehr oder weniger gut bewährt haben. Thilo Krause vom Power Systems Laboratory der ETH Zürich hat nun im Rahmen seiner Dissertation ein Simulationsmodell entwickelt, mit dem die verschiedenen Ansätze miteinander verglichen werden können.

Beschränkte Kapazitäten

Der Handel mit Strom zeichnet sich durch mindestens zwei Merkmale aus, die ein Regulator bei der Festlegung der Regeln berücksichtigen muss: Zum einen handelt es sich bei Strommärkten um Oligopole; wenige, in der Regel grosse Anbieter beherrschen den Markt oder können diesen zumindest durch ihr Verhalten beeinflussen. Werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht klug ausgestaltet, kann dies zu unerwünschten Marktverzerrungen führen. Zum zweiten kann Elektrizität nicht in beliebigen Mengen ausgetauscht werden. In jedem Netz gibt es mehr oder weniger einschneidende Engpässe, die den Stromhandel limitieren.

Das Modell, das Krause nun entwickelt hat, berücksichtigt genau diese Merkmale. Das Programm löst dazu auf drei Ebenen Modellierungsaufgaben. Auf der obersten Ebene steht die Abbildung der Marktstruktur. Anhand von mathematischen Gleichungen wird vorgegeben, nach welchen Regeln der Stromhandel ablaufen soll und welche Randbedingungen die Stromproduzenten berücksichtigen müssen.

Lernfähige Agenten

Auf der zweiten Modellebene stehen die Stromproduzenten. Diese werden als intelligente Agenten nachgebildet, die ihren Strom so absetzen, dass für sie ein möglichst hoher Profit resultiert. Ob sie dabei Erfolg haben oder nicht, hängt auch vom Verhalten der anderen Akteure ab. Dabei lernen die Agenten mit der Zeit, mit welcher Strategie sie ihren Profit maximieren können. Schliesslich kommt als dritte Modellebene das Stromnetz dazu. Das Programm berücksichtigt, dass der Strom nicht unabhängig von der physischen Realität hin und her transferiert werden kann, ein Agent also nicht nach Belieben überschüssigen Strom in ein Gebiet mit hoher Nachfrage absetzen kann.

Variable Preise

Wie das Zusammenspiel der drei Ebenen im konkreten Fall funktioniert, hat Krause anhand von verschiedenen Beispielen aufgezeigt. Beim nordamerikanischen System etwa basiert der Strommarkt auf dem sogenannten Knotensystem. Der gesamte Stromhandel wird über eine zentrale Koordinationsstelle abgewickelt, deren Ziel es ist, die soziale Wohlfahrt zu maximieren. Dabei versucht sie, das vorhandene Netz möglichst optimal zu nutzen. Die Strompreise sind an den verschiedenen Knoten nicht gleich hoch, sondern weichen je nach Bedarf mehr oder weniger stark voneinander ab. An sich wären die Stromproduzenten in Gebieten mit geringer Nachfrage interessiert, möglichst viel Strom dorthin zu verkaufen, wo die Preise hoch sind. Doch da die Kapazitäten begrenzt sind, können sie dies nur beschränkt machen. Aus diesem Grund wirkt sich das Netz markant auf den Erfolg der Teilnehmer aus.

Bei der Ausgestaltung der Märkte ist es wichtig, dass die physikalischen Eigenschaften des Übertragungsnetzes in geeigneter Weise berücksichtigt werden. (Bild: freephoto1.com)

Etwas anders funktioniert das skandinavische Modell. Zwar werden auch hier in Übereinstimmung mit dem Knotenpreissystem die physikalischen Gegebenheiten des Übertragungsnetzes ohne Vereinfachung berücksichtigt. Im Unterschied zu Nordamerika werden allerdings bestimmte Zonen definiert, innerhalb derer die Preise an den Knoten gleich sind. Nichtsdestotrotz wirken auch hier mögliche Engpässe als Preistreiber.

Hohe Abstraktion

In Mitteleuropa steht demgegenüber ein drittes Modell zur Debatte. Aus politischen Gründen kann der Kontinent nicht zu einem einzigen grossen Markt zusammengeschlossen werden wie in Nordamerika oder Skandinavien, sondern bleibt in einzelne Teilmärkte aufgeteilt. Jedes Land organisiert demnach seinen internen Stromhandel auf seine Weise. Zwischen den einzelnen Ländern gibt es zusätzlich einen definierten Austausch, der über eine "virtuelle" Leitung abgewickelt wird. "Bei diesem Ansatz werden die einzelnen Länder quasi als Kupferplatten betrachtet, und die grenzüberschreitenden Übertragungskapazitäten werden stark vereinfacht im Sinne einer virtuellen Leitung repräsentiert", erläutert Krause die Idee. "Diese Marktarchitektur basiert also auf einer relativ abstrakten Abbildung des Stromnetzes."

Die Berechnungen von Krause zeigen nun, dass das amerikanische und skandinavische System aus volkwirtschaftlicher Sicht am besten abschneiden; für die Gesellschaft resultiert bei diesen Modellen der grösste Nutzen. Das mitteleuropäische Modell der geteilten Märkte hingegen, bei dem das Stromnetz relativ abstrakt abgebildet wird, fällt demgegenüber deutlich ab. Es produziert einen volkswirtschaftlichen Ertrag, der einige Prozentpunkte tiefer liegt als beim nordamerikanischen Ansatz.

Footnotes:
(1 Siehe dazu auch "ETH Life"-Artikel "Die Tücken des offenen Strommarkts": www.ethlife.ethz.ch/articles/sciencelife/strommarktrisiko.html


Copyright 2000-2002 by ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zurich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
ok
!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!