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Rubrik: Tagesberichte 10 Jahre Zentrum für Technologiefolgen-Abschätzung Basiswissen für die Politik |
Published: 19.09.2002 06:00 Modified: 18.09.2002 19:25 |
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Vor zehn Jahren hat der Bundesrat mit dem Zentrum für Technologiefolgen-Abschätzung (TA-SWISS) eine Institution geschaffen, deren primäre Aufgabe es ist, dem eidgenössischen Parlament Entscheidungsgrundlagen in kontroversen technisch-wissenschaftlichen Fragen zur Verfügung zu stellen. Aus aktuellem Anlass einige ausgewählte Meinungen aus der ETH. Von Roman Klingler Pränatale Diagnostik, pervasives Computing, embryonale Stammzellen, therapeutisches Klonen, functional Food, Xenotransplantation. Die Liste der Schlagwörter, die heute schon Gegenstand politischer Diskussionen sind oder es in naher Zukunft werden, liesse sich beliebig verlängern. All diesen Themen ist mindestens so viel gemeinsam: Sie sind das Resultat technisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse und sie überfordern schnell einmal den Laien. Die möglichen Folgen dieser Technologien abzuschätzen, einzuordnen und zu bewerten, fällt nicht leicht. Auch dem Gesetzgeber nicht, der gegenüber der Verwaltung punkto Fachwissen oft im Nachteil ist. Vor zehn Jahren setzte sich die Erkenntnis auch in der Schweiz durch, dass es einer speziellen Stelle bedarf, die das Parlament mit Basiswissen jenseits parteipolitischer Positionen beliefert. Drei SchwerpunkteDas Zentrum mit Sitz in Bern verfügt über ein Jahresbudget von knapp einer Million Franken. Ein halbes Dutzend Mitarbeitende spüren strittige Themen auf, schlagen Studien vor, planen und koordinieren diese in den drei Bereichen "Life Sciences", "Informationsgesellschaft" und "Mobilität". TA-SWISS ist dem Schweizerischen Wissenschafts- und Technologierat (SWTR) angegliedert, einem Organ, das seinerseits den Bundesrat in Forschungsfragen berät. Die eigentlichen Studien verfassen externe interdisziplinäre Fachgruppen. So wurde die jüngste Studie zur Stammzellenforschung unter der Leitung des deutschen Fraunhofer-Instituts erstellt. Sie stellt Chancen und Risiken dieser Technologie einander gegenüber und gibt Empfehlungen an die Politik ab. Wie wirksam sind Studien?Wie aber kommen die Studien an die Herren und Frauen Parlamentarier? Es darf mit Fug und Recht davon ausgegangen werden, dass sich wohl die wenigsten unserer Volksvertreter die 230 Seiten in extenso zu Gemüte führen. Dazu Geschäftsführer Sergio Bellucci, der an der ETH Agronomie studiert hat: " Wir sind uns der Problematik bewusst und erstellen Kurzfassungen zu den einzelnen Studien. Zudem veranstalten wir Parlamentarier-Apéros oder gehen direkt in die vorberatenden Kommissionen und versuchen dort, die wichtigsten Erkenntnisse aus den Studien zu präsentieren." Hier setzt die Kritik von Professor Hans-Peter Schreiber, Leiter der Ethik-Stelle der ETH und Mitglied im Leitungsausschuss von TA-SWISS, an: "Es wäre eine eigene Studie wert abzuklären, wo die Arbeit des Zentrums für Technologiefolgen-Abschätzung in den letzten zehn Jahren im politischen Entscheidfindungsprozess konkrete Spuren hinterlassen hat. Wenn ich heute sehe, wie verfahren die Gentech-Debatte in der Schweiz ist, setze ich einige Fragezeichen hinter die Wirksamkeit von TA-Studien." Schreiber ist ebenfalls Leiter einer im Zusammenhang mit der Stammzellendiskussion ins Leben gerufenen Ethikkommission des Basler Pharmamultis Novartis. Dem Volk den Puls nehmenNeben der Politikberatung für das eidgenössische Parlament hat das Zentrum ein Verfahren entwickelt, um die Meinung von Schweizer Bürgern und Bürgerinnen zu umstrittenen Themen herauszufinden. Dazu werden sogenannte PubliForen veranstaltet.
Zentrale Idee dabei ist, eine fundierte Diskussion mit einem Laienpublikum zu führen. Rund 30 Freiwillige bilden das Bürgerpanel, das nach eingehender Diskussion mit Fachleuten einen Schlussbericht verfasst, der konkrete Handlungsempfehlungen an die politischen Entscheidungsträger beinhaltet. So wurden seit 1998 unter anderen PubliForen zu "Strom und Gesellschaft", "Gentechnik und Ernährung" oder "Stammzellen" durchgeführt.
Weg vom Negativ-Image Wer sich wie das Zentrum vornimmt, zu heiklen politischen Themen sachliche und möglichst wertneutrale Grundlagen zuhanden der Politik zusammenzustellen, ist in heikler Mission unterwegs. Auf der einen Seite besteht die Gefahr der politischen Vereinnahmung, anderseits setzt man sich schnell einmal der Kritik der Technologiefeindlichkeit aus, wenn eine Studie eine gewisse Technologie kritisch hinterfragt. "Ich denke, dass es dem Zentrum gelungen ist, sich in diesen zehn Jahren gegenüber dem Parlament als glaubwürdiger Partner zu etablieren". So sieht es Albert Kündig, Professor am Institut für Technische Informatik der ETH und ebenfalls Mitglied im Leitungsausschuss von TA-SWISS. Dabei war man mit einer der ersten Studien - es ging um die LESIT-Studie (LESIT=Leistungselektronik, Systemtechnik und Informationstechnik) - offenbar tüchtig ins Fettnäpfchen getreten, indem die Forscher pauschal als naiv dargestellt wurden, erinnert sich Albert Kündig. Das Image der Technologieverhinderer habe man aber zwischenzeitlich weitgehend abgestreift, meint auch TA-SWISS-Geschäftsführer Bellucci.
References:
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