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Rubrik: Tagesberichte

Fachtagung zum Thema „Feinstaub in der Schweiz“
Forschung gegen Feinstaub

Published: 23.01.2006 06:00
Modified: 13.02.2006 11:20
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Feinstaub sorgt für dicke Luft in der Schweiz. Vor allem in Städten und verkehrsnahen Gebieten liegt die Belastung zurzeit deutlich über den geltenden Grenzwerten. Auf entsprechend grosses Interesse stiess die Fachtagung der EMPA zu dieser Thematik am letzten Freitag. Unter den Referenten befanden sich auch zwei Vertreter der ETH Zürich.



Claudia Naegeli

„Die reine Luft ist die wichtigste Nahrung und Arznei für den Menschen.“ Mit diesen Worten von Hippokrates begrüsste Martin Schiess vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) die gut 120 Tagungsteilnehmer aus Forschung, Wirtschaft und öffentlichen Ämtern. Es sei eine schöne und wichtige Aufgabe diese „Nahrung“ zu schützen, fügte der Initiator der Veranstaltung an. Einen Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität sollte die Tagung an der EMPA Akademie insofern leisten, als sie den Fachleuten aus den verschiedenen Bereichen eine Austausch- und Diskussionsplattform bot. (1)

Mit Referaten von Wissenschaftlern zu den drei Themenblöcken „Feinstaub in der Schweiz“, „Klimawirksamkeit“ sowie „Prozesse und Quellen“ konnten sich die Tagungsteilnehmer einen Überblick über die aktuellen Forschungsaktivitäten in der Schweiz verschaffen. Ausserdem präsentierten Vertreter des Nationalen Beobachtungsnetzes für Luftfremdstoffe (NABEL) ihre neusten Messungsergebnisse (2) . Diese Daten der von der EMPA und dem BAFU gemeinsam betriebenen Beobachtungsstelle bildeten die Grundlagen für Diskussionen über die Zusammenhänge zwischen Feinstaub, Gesundheit und Klima.

50 Millionen Partikel mit einem Atemzug

Die zurzeit in den Medien häufig aufgegriffenen akuten und langfristigen Auswirkungen des Feinstaubs auf die menschliche Gesundheit stellten auch an der EMPA-Tagung ein zentrales Thema dar. Den neusten Messungen zufolge atmen in der Schweiz 40 Prozent der Bevölkerung regelmässig zu viel Feinstaub ein. „In stark exponierten Gebieten nimmt der Mensch mit jedem Atemzug etwa 50 Millionen Partikel auf“, erklärte Peter Straehl vom BAFU. Grundsätzlich lassen sich diese Partikel auf zwei Arten unterscheiden: nach ihrer Grösse und nach der Art ihrer Entstehung. „Ein so genannter PM10 ist ein Partikel mit einem Durchmesser von weniger als zehn Tausendstel-Millimeter. Das entspricht einem Zehntel des Durchmessers eines menschlichen Haares“, erklärte Peter Straehl. PM10 gilt als grober Feinstaub. Die Wissenschaftler des NABEL messen aber feine Partikel (PM2.5) und ultrafeine Partikel (PM0.1).

Feinstäube gelangen einerseits als primäre Partikel in die Atmosphäre, zum Beispiel bei der unvollständigen Verbrennung von Brenn- und Treibstoffen und andererseits als sekundäre Partikel, die sich erst in der Luft aus gasförmigen Stoffen wie Ammoniak, Stickoxiden, Schwefeloxid und organischen Verbindungen bilden. „Toxikologische Studien belegen, dass grobe und feine Partikel in ähnlichem Masse giftig sind. Die ultrafeinen PM0.1-Partikel gelten jedoch als noch toxischer“ führte Peter Straehl aus. Ausserdem seien primäre Partikel für den Menschen schädlicher als sekundäre. „Auswirkungen auf die Mortalität und Morbidität haben aber sowohl die groben, feinen und ultrafeinen Partikel. Die Wirkungen sind zum Teil sogar unabhängig von einander.“

Auswirkungen auf das Klima

Doch die giftigen Feinstaubpartikel beeinflussen nicht nur die menschliche Gesundheit, sondern auch das Klima. Ulrike Lohmann, Professorin für experimentelle Atmosphärenphysik am Institut für Atmosphäre und Klima an der ETH erklärte zunächst, wie die Feinstaubpartikel den Strahlungshaushalt der Erde und damit das Klima beeinflussen (3) .

Wintersmog über Zürich. Bei stabilen Hochdrucklagen wird der Tagesgrenzwert für Feinstaub (PM10) häufig überschritten (Bild: EMPA).

„Die Partikel streuen die Sonnenstrahlen zurück und wirken somit der globalen Erwärmung entgegen“, sagte die ETH-Professorin. „Ausserdem führen diese Aerosole zu mehr Wassertröpfchen in den Wolken und verhindern so ein rasches Ausregnen.“ Mehr Wolken bedeutet weniger Sonneneinstrahlung und somit wirken die Feinstaubpartikel sowohl direkt als auch indirekt auf den Strahlungshaushalt ein.

Obwohl man diese Mechanismen recht gut verstehe, bestünden noch grosse Unsicherheiten darüber, wie stark diese Prozesse das Klima beeinflussen, sagte Ulrike Lohmann. Mit Messungen auf dem Jungfraujoch versuchen nun Wissenschaftler des Labors für Atmosphärenchemie am Paul Scherrer Institut (PSI) diese Fragen zu beantworten (4) . Der PSI-Wissenschaftler Ernest Weingartner berichtete in seinem Referat von diesen Forschungsbestrebungen, die sich mit der physischen und chemischen Charakterisierung von Feinstaubpartikeln befassen.

Reduktion dank Identifizierung

Im dritten Themenblock diskutierten die Wissenschaftler über die Prozesse, die zur Bildung von sekundären Partikeln führen, über die neuesten messtechnischen Entwicklungen zur Feinstaubbestimmung sowie über Feinstaubquellen. Die Bildung sekundärer Feinstaubpartikel sei ein komplizierter Vorgang, erklärte Markus Kalberer, Oberassistent am Departement für Chemie und Angewandte Biowissenschaften der ETH (5) . „Aus organischen Gasen können unter Lichteinwirkung neue chemische Stoffe entstehen, welche Partikel bilden oder auf Partikeln kondensieren können.“ Eine Identifizierung dieser sekundären Feinstaubpartikel sei aber notwendig, um wirkungsvolle Reduktionsstrategien entwickeln zu können und so die Luftqualität nachhaltig zu verbessern. Die chemische Zusammensetzung dieser Partikel sei jedoch erst in Ansätzen bekannt und Gegenstand der aktuellen Forschung.

Eine bislang unterschätzte Quelle von Feinstaub konnte das PSI mit neuesten Messungen nachweisen und am Freitag bekannt geben: Die Holzfeuerung stellt neben dem Verkehr eine Hauptursache der momentanen Feinstaubbelastung dar. Besonders in den Alpentälern herrsche eine aussergewöhnliche Situation vor, heisst es in einer Medienmitteilung des PSI. Dort könne die Emission aus den verbreiteten Holzheizungen jene des Strassenverkehrs sogar noch übersteigen. Die Feinstaubbelastung durch Holzverbrennung könnte durch emissionsarme Holzenergienutzung massiv gesenkt werden. Wissenschaftler befassen sich nun mit der Entwicklung entsprechender Verfahren.

Footnotes:
(1 Zur Website der EMPA Akademie: www.empa-akademie.ch
(2 Mehr Informationen zum Nationalen Beobachtungsnetz für Luftfremdstoffe: www.umwelt-schweiz.ch/buwal/de/fachgebiete/fg_luft/luftbelastung/nabel
(3 Zur Website des Instituts für Atmosphäre und Klima der ETH: www.iac.ethz.ch
(4 Mehr Informationen zum Paul Scherrer Institut: www.psi.ch
(5 Zur Website des Departements für Chemie und Angewandte Biowissenschaft: www.chab.ethz.ch


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