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Rubrik: Tagesberichte

Podiumsdiskussion des Center for Comparative and International Studies CIS
Was bringt die Schweiz Europa?

Published: 19.06.2006 06:01
Modified: 22.06.2006 14:59
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Ein Beitritt zur Europäischen Union steht zurzeit für die Schweiz nicht zur Debatte. Die bilaterale Zusammenarbeit war bislang erfolgreich und im Grunde ist nicht die schweizerische Stellung in Europa, sondern in der Welt entscheidend. Doch der bilaterale Weg stösst auch an Grenzen und früher oder später wird sich die Frage „Alleingang, Beitritt oder Bilaterale Abkommen?“ wieder stellen. An der ETH diskutieren die Experten bereits letzte Woche.



Claudia Naegeli (mailto:claudia.naegeli@cc.ethz.ch)

Ist die Stellung der Schweiz gegenüber der EU überhaupt noch ein Thema? Immerhin sind die Argumente für oder gegen eine Annäherung an die Europäische Union sattsam bekannt. Ausserdem warf Professor Thomas Bernauer, Direktor des Centers for Comparative and International Studies der Universität und der ETH Zürich (CIS) die berechtigte Frage auf, ob es nicht weit sinnvoller wäre, sich vermehrt mit der Globalisierung als mit europäischen Fragen zu befassen (1) . „Die weltweiten Verflechtungen von Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft haben auf die Schweiz grössere Auswirkungen als ein Beitritt zur EU“, sagte er. Allerdings räumte er ein, dass die Bevölkerung einen EU-Beitritt im Gegensatz zur Globalisierung aktiv beeinflussen könne.

Bilateral oder „Beitritt light“?

Dass die CIS-Veranstaltung „Alleingang? Bilateraler Weg? Beitritt? Die Stellung der Schweiz gegenüber der EU“ trotz Fussball-WM und Sommerhitze zahlreiche Gäste in das Hauptgebäude der ETH locken konnte, zeigte dann aber auf dass die Europapolitik der Schweiz mindestens so interessiert wie das Spiel Schweden gegen Paraguay, das am selben Abend ausgetragen wurde. Mit Rudolf Ramsauer, Vorsitzender der Geschäftsleitung der economiesuisse und SP-Nationalrat Mario Fehr hatte das CIS denn auch zwei prominente Eröffnungsredner geladen. Sowohl der Verband der Schweizer Unternehmen als auch die Sozialdemokratische Partei haben im März eine Stellungnahme zur Stellung der Schweiz gegenüber der EU veröffentlicht.

Die Standpunkte der Redner waren somit schon vor der Veranstaltung klar. Während sich Ramsauer für den bilateralen Weg aussprach, plädierte Fehr für einen „EU-Beitritt light“. „Light“ deshalb, weil den Sozialdemokraten eine ähnliche Rolle innerhalb der EU vorschwebt, wie sie Schweden oder England bereits einnehmen. Konkret heisst das, den Euro nicht als Währung zu übernehmen und vor allem den Liberalisierungsdruck abzuwehren, den ein Beitritt zweifellos mit sich bringen würde. „Der Beitritt ist aber trotzdem ein wichtiger Schritt, damit die Schweiz aktiv in der EU mitreden und –bestimmen kann“, sagte Fehr. Die Schweiz müsse häufig EU-Normen übernehmen, die sie nicht mitgestaltet habe. Der bilaterale Weg sei ausserdem insofern instabil, als er nur auf Verträgen basiere und somit nur auf den Moment ausgerichtet sei. Ramsauer hielt dem entgegen, dass die Verhandlungen zwischen der Schweiz und der europäischen Union einen hohen Stand erreicht hätten. „Ausserdem haben zahlreiche Volksabstimmungen in den letzten Jahren den bilateralen Weg legitimiert“, betonte er.

Traum vom föderalen Staat

In einer anschliessenden Diskussionsrunde bezogen Experten zu einzelnen Aussagen der beiden Redner Stellung. Der ETH-Professor Frank Schimmelfenning von der Forschungsstelle für Europäische Politik(2) , der Ökonom Silvio Borner von der Universität Basel, der Historiker Georg Kreis vom Europainstitut der Universität Basel sowie der NZZ-Journalist Christoph Wehrli diskutierten die verschiedenen Standpunkten aus ihrer jeweiligen Perspektive.

Instabiler bilateraler Weg: Wie sich die Schweiz gegenüber der EU positioniert, bleibt ein Thema: Parlamente in Bern und Strasbourg (u., dieses Bild: © CUS 2005, G. Engel)

Angesprochen auf den Umstand, dass der grosse Traum eines befriedeten Europas nicht mehr lebendig sei, meinte Schimmelfenning: „Natürlich ist der europäische Alltag profan. Doch dass die Europäische Union eine Normalität geworden ist, kann man durchaus auch positiv werten.“ Ausserdem sei ein grosser föderaler Bundesstaat ohnehin nicht das eigentliche Ziel der EU gewesen. „Das war immer der Traum einer sprachmächtigen Minderheit“, meinte er. Georg Kreis betonte hingegen den Projektcharakter der Union. Insofern bleibt für ihn auch der „europäische Traum“ erhalten.

Rudolf Ramsauers Aussage, welche die Stellung der Schweiz gegenüber der EU müsse in erster Linie den Wirtschaftsstandort sichern, konnte der Ökonom Silvio Borner nicht uneingeschränkt unterstützen. „Die Stellung innerhalb der Welthandelsorganisation WTO ist für die Schweiz von grösserer Bedeutung als jene gegenüber der EU“, betonte er. „Die grossen Baustellen stehen anderswo.“, Eine grosse Diskussion könne man deshalb nicht vom Zaun reissen, fügte der NZZ-Redaktor Christoph Wehrli an. Trotzdem müsse man für die Zukunft gewappnet sein. „Auch wenn ein Beitritt momentan nicht realistisch ist, könnte doch einmal jemand eine Lanze brechen und sich exponieren“, forderte Wehrli.

Andere Menschen

In den kommenden Wochen soll ein Bericht des Bundesrates publiziert werden, der sich mit der Stellung der Schweiz gegenüber der Europäischen Union befasst. Georg Kreis erwartet in erster Linie eine Bestandesaufnahme. Im Grunde genommen könne nichts darin stehen, das nicht schon einmal gesagt worden sei. Persönlich hoffe er jedoch, dass der Bundesrat auch thematisiert, dass ein Beitritt nicht nur ein diplomatischer, sondern auch ein politischer Schritt sei. „Der bilaterale Weg hat enge Grenzen und ist nur für den Moment entscheidend, doch die Welt bewegt sich“, meinte der Historiker. Er forderte zudem, dass sich die Schweiz nicht überlege, was ihr ein EU-Beitritt nütze, sondern frage, was das Land für Europa leisten könne. „Wir müssen die Frage nicht der EU zuliebe stellen, sondern allein uns zuliebe. Wir wären dann nämlich andere Menschen.“

Footnotes:
(1 Zur Website des Center for Comparative and International Studies CIS: www.cis.ethz.ch
(2 Mehr Informationen zur Forschungsstelle für Europäische Politik: www.eup.ethz.ch


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