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Rubrik: Tagesberichte Expressionismus in der Graphischen Sammlung Blätter der Bewegung |
Published: 23.08.2006 06:00 Modified: 23.08.2006 17:56 |
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Mit der Schenkung des Schweizers Fritz Schaufelberger erhält die Graphische Sammlung der ETH dereinst einen bedeutenden Beitrag zum Expressionismus – womit sich für die Sammlung auch eine kulturhistorische Lücke schliesst. Die Kollektion mit bedeutenden druckgraphischen Zeugnissen ist jetzt an der ETH erstmals öffentlich zugänglich. Norbert Staub (mailto:norbert.staub@sl.ethz.ch) Mit grellem Pathos und heftiger Emotionalität prägte der Expressionismus künstlerisch das erste Viertel des 20. Jahrhunderts, allem voran in Deutschland. In Malerei, Musik, Architektur und Dichtung, aber auch im neuen Medium Film traten Kunstschaffende auf, die zum bis anhin geltenden Credo des – vermeintlich – objektiven Abbildens einen scharfen Gegensatz herstellten. "Die Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar", postulierte Paul Klee. Der Wirklichkeit komme man demnach nicht mit dem Nachahmen der äusseren Formen auf die Spur, sondern viel eher mit der künstlerischen Umsetzung seelischer Prozesse. Wichtige ErweiterungErnst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Max Pechstein, Franz Marc, Wassily Kandinsky oder Karl Schmitt-Rottluff: Diese und weitere grosse Maler der Epoche sind auch mit graphischer Kunst hervorgetreten. „An Intensität stand die Graphik der Malerei kaum nach“, so Michael Matile, Kurator und stellvertretender Leiter der Graphischen Sammlung. Er hat die aktuelle Ausstellung mit bedeutenden Zeugnissen expressionistischer Druckgraphik konzipiert, die der Schweizer Sammler Fritz Schaufelberger während vier Jahrzehnten zusammengetragen hat. Der Graphischen Sammlung hat Schaufelberger die Kollektion nun als Schenkung in Aussicht gestellt. Damit wird laut Matile eine bedeutende Gebietserweiterung möglich; der Expressionismus war hier bisher kaum vertreten.
Der Sammler wurde 1920 als Sohn eines Ingenieurs in Deutschland geboren und verfolgte schon als Jugendlicher interessiert, was in der zeitgenössischen Kultur passierte. Er wurde Zeuge der nationalsozialistischen Verfemung der Expressionismus als „entartet“. Später, als Gymnasiallehrer für Deutsch in Baden und nachmaliger Rektor, vertiefte er dieses Interesse mit einer stetig wachsenden Sammlung von Druckgraphik aus der Epoche. Er verband dies erfolgreich mit der Absicht, Schülerinnen und Schülern die Kultur des Expressionismus zu vermitteln.
Generationen von Gymnasiasten konnten auf diese Weise an den Werken selbst studieren, wie sich der Expressionismus in der Graphik manifestierte. „Der harte Kontrast von flächigem Schwarz und Weiss im Holzschnitt, die Brüchigkeit der Strichlagen in Radierungen und Kaltnadelarbeiten und die nuancenreichen Eigenschaften der Lithographie haben sich zu einer überraschenden und eindringlichen Sprache der Bewegung entwickelt", erklärt Michael Matile.
Nicht nur ästhetisch schwammen die Expressionisten gegen den Strom, sondern auch gesellschaftlich: Sie empfanden sich als Avantgarde, die dem als überholt empfundenen Bürgertum etwas Neues, Dynamischeres entgegensetzen wollte. Künstlervereinigungen wie die „Brücke“ oder „Der Blaue Reiter“ verliehen dem Auftritt der Bewegung eine Zeitlang ein grosses Gewicht. Zeitschriften als MultiplikatorenEine wichtige Funktion als Sammelbecken und Sprachrohr übernahmen auch zahlreiche Kulturzeitschriften, etwa „Die Aktion“ oder, als führendes Organ, „Der Sturm“. Diese publizierten neben expressionistischen Texten auch Originalgraphik. Über solche Kanäle erfolgte die gezielte Popularisierung der neuen künstlerischen Anliegen und ihrer Vertreter. Diesbezüglich eine zentrale Instanz war Herwarth Walden, Galerist und Herausgeber des „Sturm“. Durch die frühe Publikation ihrer Arbeiten half Walden jungen Künstlern wie Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner oder August Macke, sich zu etablieren. „Breit sollten die Werke gestreut werden. Oft unsigniert und unnummeriert, vertrauten sie ganz auf die künstlerische Sprache und dienten nicht in erster Linie als Objekte exklusiven Sammelns“, erläutert Michael Matile. – Auch diesen Aspekt des Expressionismus als Gegenentwurf zum herkömmlichen Kunstbetrieb dokumentiert die Sammlung Schaufelberger in anschaulicher Weise. References:
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