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Rubrik: Tagesberichte

Lobbying für den ETH-Bereich
“Unser Knowhow ist sehr gefragt“

Published: 19.02.2007 06:00
Modified: 19.02.2007 15:57
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Johannes Kaufmann kümmert sich als Leiter „Strategie und Politik“ beim ETH-Rat in Bern um den guten Draht des ETH-Bereichs zu Bundesbern. Mit ETH life sprach er über seine Aufgabe im Dienste der Wissenschaft.



Interview: Gabrielle Attinger (mailto:gabrielle.attinger@cc.ethz.ch)

Herr Kaufmann, seit März 2006 betreiben Sie Lobbying für den ETH-Bereich in Bern. Wie viele Stunden haben Sie schon im Bundeshaus verbracht?

Johannes Kaufmann: Ich zähle sie nicht. Meine Aufgabe ist es ja, Politik und Wissenschaft zusammen zu bringen, und Politik ist nicht nur im Bundeshaus. Während der Session nutze ich meinen unbeschränkten Zutritt zur Wandelhalle. Die eigentliche Arbeit ist jedoch das dauernde Monitoring. Wir müssen die politische Agenda studieren, sehen, wann etwa die BFI-Botschaft behandelt wird, um dann dafür zu sorgen, dass der ETH-Bereich darin optimal abgebildet wird. Die Vorbereitungen mit den politischen Akteuren finden auch oft in unseren Büros an der Effingerstrasse statt.

Wie viele Akteure gehen Sie regelmässig an?

Von den Gruppierungen ist die Legislative am wichtigsten, also die beiden Kommissionen für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) des Stände- und Nationalrats. Regelmässig treffe ich zudem die wissenschaftlichen MitarbeiterInnen der wichtigsten Parteien. Das Interesse beruht jedoch auf Gegenseitigkeit.

Inwiefern?

In der Politik ist der ETH-Bereich für viele Bereiche der politischen Agenda zentral. Unser Knowhow ist sehr gefragt. Ein Beispiel ist die Systembiologie, in der die ETH Zürich eine der weltweit führenden Institutionen ist. Die Politiker holen ihr Wissen in diesem Bereich bei den Professoren. Ich organisiere die Treffen, oft bilaterale Gespräche. Und ich organisiere Besuche. Das WBK war kürzlich an der ETH Zürich, Herr Leuenberger hat das neue Gebäude der EAWAG besucht, ein Null-Energiegebäude mit grosser politischer Symbolik.

Werden Expertisen mehrheitlich angefordert oder von Ihnen angeboten?

Die Anfragen und die aktiv angebotenen Expertisen halten sich in etwa die Waage. Spannend sind die Anfragen aus dem Parlament, wo neue Themen für künftige Debatten besetzt werden. Es gibt aber auch bahnbrechende Entwicklungen, die wir aktiv bekannt machen müssen wie etwa die Protonenstrahltherapie des Paul-Scherrer-Instituts.

Spielt der Technologietransfer des ETH-Bereichs politisch eine Rolle?

Der gesamte Bereich hat eine sehr gute Transferleistung, und gerade die ETH Zürich hat mustergültige Firmen hervorgebracht wie z.B. Sensirion, die im zweistelligen Bereich wächst. Aber es gibt noch Potential: Mit einem erfolgreichen Wissens- und Technologietransfer leisten wir einen Beitrag zur Wertschöpfung in der Schweiz, was in Bundesbern honoriert wird.

Sie waren zuvor Geschäftsführer des KTI. Mussten Sie für Ihre neue Aufgabe viele Kontakte neu knüpfen?

Nein, mit den Akteuren aus der Industrie, den KMU und der Forschungspolitik war ich schon bestens bekannt. Neu dazu gekommen sind nun die Verbindungen zur Bildungspolitik, wobei ich schon als Wissenschaftsattaché in Washington mit dieser Welt zu tun hatte.

In Bern sind viele Lobbyisten unterwegs, man spricht von 600. Wie verschaffen Sie sich da Gehör?

Ich weiss nicht, ob diese Zahl stimmt. Die Bildung und Forschung hat jedoch eine vergleichsweise schwache Lobby. Dies möchten wir ändern. Ich war als Wissenschaftsattaché der Schweiz in Washington, als hier die Genschutzinitiative zur Debatte stand. Da habe ich gesehen, wie stark dort die Verbindungen zwischen Akademia und der Politik sind. Das fand ich nachahmenswert und habe mich noch von Washington aus für die Schaffung von Politikstipendien für Wissenschaftler bei den Parlamentsdiensten in Bern eingesetzt. Seit 2001 bieten die Akademien der Wissenschaften Schweiz jährlich 2-3 solche Stipendien an.

Gerade wenn es ums Geld geht, gibt es in Bern aber auch Mitbewerber.

Ja und Nein. Die kantonalen Universitäten, Fachhochschulen, die Berufsbildung, der Nationalfonds, die KTI, kurz alle, die in der BFI-Botschaft genannt werden, sind nur auf den ersten Blick Konkurrenten, aber wir sind vor allem auch Partner. Es gilt ja, die Bundesgelder effizient in die Wissensgesellschaft Schweiz zu investieren. Alle diese Partner sind ein Glied in der Innovationskette.


Experte auf dem politischen Parkett

Johannes Kaufmann wurde 1958 in Luzern geboren und wuchs in Hergiswil bei Willisau auf. Er studierte an der Universität Bern Veterinärmedizin und schloss dort 1983 mit der Dissertation ab. Seine Forschungsarbeiten machte er im Bereich der klinischen Mikrobiologie und Tropenmedizin. Als Vorsitzender der Stiftung 3R, deren Ziel ein verantwortungsbewusster Umgang mit wissenschaftlichen Tierversuchen ist, wurde er im Vorfeld der Genschutzinitiative intensiv mit der Wissenschafts- und Wirtschaftspolitik konfrontiert. Von 1998 bis 2002 war er als Wissenschaftsattaché der Schweiz an der Schweizer Botschaft in Washington tätig. Von 2002 bis 2005 war er CEO der KTI, der Förderagentur für Innovation des Bundes. Seit März 2006 ist Johannes Kaufmann beim ETH-Rat Leiter Strategie und Politik. Er hat ein Büro in Zürich und in Bern.


Möchte in Bern einen Think Tank bauen: Johannes Kaufmann, Leiter "Strategie und Politik" des ETH-Rats (Foto: Florian Meyer)

Ist es in diesem Umfeld überhaupt möglich, spezifisch für den ETH-Bereich oder die ETH Zürich zu lobbyieren?

Tatsächlich steht an erster Stelle immer das gesamte Forschungs- und Bildungssystem. Der ETH-Bereich bekommt aber bei weitem am meisten Geld. Da macht es keinen Sinn, andere zu verdrängen, zumal Institutionen wie der Nationalfonds direkte Partner von uns sind. Seine Gelder fliessen zu einem grossen Teil an die beiden ETH.

Und in wissenschaftlichen Angelegenheiten?

Da steht die ETH Zürich ganz automatisch meistens im Mittelpunkt. Im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich ist sie die beste Hochschule auf dem europäischen Kontinent. Auf sie bin ich besonders stolz. Sooft es um Fragen aus diesem Bereich geht, ist klar, dass die Experten der ETH Zürich kontaktiert werden.

Zum Beispiel?

SystemsX, die Systembiologie. Sie soll allen Voraussagen nach die Arbeitsplätze von übermorgen schaffen, so, wie die Entwicklung der Computertechnologie dies vor 20 Jahren gemacht hat. Wo immer von der Systembiologie die Rede ist, spielt die ETH Zürich eine zentrale Rolle.

Stimmt es, dass die ETH Lausanne für sich besser lobbyiert in Bern als die ETH Zürich?

Jedes Lobbying, egal aus welcher Region es stammt, kommt dem ganzen ETH-Bereich zugute. Weil das Netz im Bern mit der Amtsdauer wächst, hat der Präsident von Lausanne tatsächlich immens viele Kontakte im Parlament und in der Bundesverwaltung. Aber auch Konrad Osterwalder, der Präsident der ETH Zürich, hat exzellente Kontakte zur Politik.

Was erwarten Sie persönlich von einem neuen Präsidenten, einer neuen Präsidentin der ETH Zürich?

Er oder sie muss „well connected and well grounded“ sein. Das heisst, er muss ein belastbares Netzwerk haben, darf keine Berührungsängste mit der Industrie haben, er müsste ein Opinion Leader sein und an die langfristige Entwicklung der Schweiz denken. Zudem müsste er/sie eine Integrationsfigur sein, ausgeprägte Sozial- und Kommunikationskompetenzen haben und führungserfahren sein.

Die beiden ETH wollen sich laut Schulleitung vermehrt auf ihre Autonomie fokussieren und nicht jeden Schritt vom ETH-Rat einleiten lassen. Wird Ihnen dies die Arbeit erschweren?

Nein. Die beiden Schulen sind weltweit führende Universitäten. Ich habe in den Vereinigten Staaten den Technologiehype in den letzten Jahren der Clinton-Präsidentschaft erlebt und gesehen, wie wichtig die Autonomie der Kompetenzgeneratoren ist. Sie müssen ihr Label frei vermarkten können. Als staatlich finanzierte Hochschulen haben die beiden ETH auch die Pflicht, über ihre Forschung zu informieren und zu zeigen, dass hier Mehrwert für die Gesellschaft generiert wird. Wenn es aber darum geht, Bundesgeld abzuholen, müssen wir mit einer Stimme auftreten. Es darf nicht sein, dass man Konkurrenzsituationen zum Thema macht. Der Auftraggeber Bund erwartet von seinen Hochschulen ein kohärentes Auftreten.

Haben Sie konkrete Pläne für einen verstärkten gemeinsamen Auftritt in Bern?

Ja, ich möchte eine Informationsplattform des ETH-Bereichs für Wissenschaft und Politik schaffen. Dies entspricht einem Bedürfnis der Parlamentarier. Wir haben ein Milizparlament, das auf unser Wissen angewiesen ist. Angedacht sind ein regelmässiger Newsletter zuhanden der Bundesparlamentarier sowie Anlässe während und ausserhalb der Session zu Themen, die auf der politischen Agenda stehen. Unser Büro in Bern soll zu einem Think Tank für die Politik werden, in dem die Institutionen des ETH-Bereiches auftreten.

Gibt es Parteien, die enger mit Ihnen zusammen arbeiten als andere?

Nein, aber es gibt natürlich politische Richtungen, die uns näher liegen als andere. Der ETH-Bereich braucht eine liberale Migrationspolitik. Die Schweiz hat zum Beispiel zu wenige Ingenieure. Da geht es nicht an, dass wir die Fachleute, die wir bei uns ausgebildet haben, nach Abschluss des Studiums nach Hause schicken, obwohl sie hier arbeiten könnten. Wir verkaufen aber keine politischen Meinungen, sondern sachliche Information.

Haben die Querelen des letzten Spätherbsts dem Image der ETH Zürich in Bern geschadet?

Im letzten November fand sich in Bern niemand, der sich für die von uns gewünschten zusätzlichen Gelder für den ETH-Bereich eingesetzt hätte. Das hat uns 30 Millionen Franken gekostet. Generell haben beide ETH aber einen exzellenten Ruf, und auch Personen, die der Hochschule nicht nahe stehen, sind stolz auf diesen Innovationsmotor.Das macht meine Arbeit sehr angenehm.

References:
•  BFI-Botschaft: www.edi.admin.ch/aktuell
•  Wissenschaftliche Politikstipendien für Post-docs: www.akademien-schweiz.ch/Programme/Politikstipendien/index.php


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