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Rubrik: Tagesberichte

ETH-Spinoff "LiberoVision"
Mit magischem Auge am Ball

Published: 01.06.2006 06:00
Modified: 01.06.2006 09:07
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Mit einer virtuellen Kamera enthüllen die Fussballfans und ETH-Informatiker Stephan Würmlin und Christoph Niederberger Szenen bei Fussballspielen, die keine normale Kamera so einfängt. Das Geheimnis: Eine spezielle Software, die Bilddaten neu zusammensetzt. Aus der Leidenschaft für Fussball ist für die beiden Basler eine Erfolg versprechende Geschäftsidee geworden.



Peter Rüegg (mailto:peter.rueegg@cc.ethz.ch)

Auf dem Boden liegt der WM-Ball 2002, an der weissen Magnetwand hängt das neue Poster der Schweizer Fussballer aus dem Tages-Anzeiger-Magazin. „Alex Frei“, sagt Stephan Würmlin mit Blick auf das Faltplakat, „ist in einem Nachbardorf aufgewachsen, auch er kickte einst beim FC Aesch, nur war er erfolgreich.“ Der Basler schmunzelt. Vielleicht wird er bald selbst erfolgreich im Fussballgeschäft mitmischen, allerdings nicht im Kampf um den Ball, sondern im Kampf um die Gunst der Fernsehzuschauer. Würmlin und sein Partner Christoph Niederberger, beide als Postdocs am Computer Graphics Laboratory der ETH Zürich angestellt, haben eine Geschäftsidee entwickelt, die vielleicht in den nächsten Jahren in die Produktionszentren der Fernsehstationen einzieht.

Rundflug durchs Stadion

Das Produkt, das die beiden entwickelt haben, ist eine „magische“ Kamera. „Diese Kamera ist nicht wirklich im Stadion anwesend“, so Würmlin, „sie ist virtuell.“ Die magische Kamera ist ein Computerprogramm und setzt aus dem Strom von Bildern, die die echten Kameras liefern, neue Bilder zusammen. Dadurch versetzt die virtuelle Kamera die TV-Zuschauer in eine andere Perspektive und präsentiert Bilder, als hätte sie einen Rundflug um das Rasenviereck unternommen. Auch zeigt sie umstrittene Offside-Positionen oder schön heraus gespielte Tore aus einer anderen Warte. Diese Szenen kann die Fernsehregie wenn nötig als Wiederholung einblenden. Die Bilder werden so echt aussehen, als hätte am fraglichen Ort eine Kamera gestanden. „Wenn man sehen würde, dass ein Computer die Bilder erzeugt, würden das die Zuschauer nicht akzeptieren“, ist der 31-jährige überzeugt.

Billiger, besser

Das Verfahren ist nicht grundsätzlich neu. Konkurrenz besteht in den USA und in England. „Doch unser Produkt ist besser“, sagt Würmlin. Um solche Bilder zu produzieren, brauchen herkömmliche Systeme Daten von mindestens 30 Fernseh-Kameras. Das ist teuer und lohnt sich nur für spezielle Spiele, wie das englische Cupfinal. Die beiden Informatikingenieure und Fussballfans haben deshalb sich selbst die Vorgabe gegeben, dass ihr Programm nur die Daten aus den von der TV-Produktion bereits installierten Kameras braucht. Somit kann ihr Produkt auch bei normalen Schweizer Super League-Spielen eingesetzt werden.

Die Idee haben die beiden erst im letzten Spätsommer ausgebrütet und sogleich eine eigene Firma gegründet: LiberoVision. Damit haben sie beim SF Schweizer Fernsehen angeklopft, wo die magische Kamera auf reges Interesse gestossen ist. „SF hat uns von Beginn an unterstützt“, sagt Würmlin. So hätten sie beim WM-Ausscheidungsspiel im September 2005 gegen Israel in Basel Zugang zur Produktion der Fussball-Übertragung erhalten, um die Abläufe zu studieren. „Das war für uns wichtig, um zu sehen, ob und wie wir unsere Idee umsetzen können“, blickt er zurück.

Erfolg bei Jungunternehmer-Wettbewerb

Unterstützung erhalten die beiden ETH-Absolventen nicht nur vom Fernsehen, sondern auch von der KTI, der Technologie-Förderstelle des Bundes. Im Wintersemester haben Würmlin und Niederberger am „Venture Challenge“-Kurs der KTI-Agentur „Venturelab“ (1) teilgenommen, um sich das Rüstzeug zum Unternehmer zu holen.

Am Ball geblieben: Mit ihrem neuen Verfahren für Wiederholungen bei Sportübertragungen können Stephan Würmlin (l.) und Christoph Niederberger spektakuläre Bilder von Fussballspielen auf den Bildschirm zaubern.

Mit Erfolg: LiberoVision hat den „Venture Leaders“-Preis von „Venturelab“ und der Gebert Rüf Stiftung gewonnen. Dieser Preis berechtigt Würmlin in Boston am Babson College ein Business-Training zu absolvieren. Mit ihrer Geschäftsidee überzeugten sie auch die Jury von „Venture 2006“ (2) , dem gemeinsamen Wettbewerb von McKinsey Schweiz und der ETH Zürich. Aus 200 Eingaben wurde ihr Projekt unter die zehn besten Geschäftsideen gewählt. Mit ihrem Geschäftsplan nehmen sie nun auch am zweiten Teil des Wettbewerbs für den besten Businessplan teil. Die Preisverleihung findet am 6.6. um 18.00 Uhr im Auditorium Maximum der ETH Zürich statt.

Euro 2008 als Traum

Noch hat LiberoVision keine Lizenz für ihr Produkt verkauft. Der Prototyp der Software steht erst seit Mitte April. Seit kurzem haben die Jungunternehmer auch die Erlaubnis, Bilder zu zeigen, denn die Bildrechte gehören dem Schweizer Fernsehen. Noch leisten sie viel Arbeit für LiberoVision in der Freizeit. Würmlin arbeitet noch bis maximal Ende Jahr als Postdoc an der ETH, betreut Doktorierende sowie ein Projekt der dreidimensionalen Videotechnik, das blue-c-II. Im Visier haben die Forscher die Fussballsaison 2007/2008 und natürlich die EURO 2008. „Beim europäischen Fussballverband UEFA reinzurutschen wäre ein Traum, wird aber nicht einfach zu realisieren sein“, sagt Würmlin. Einführen wollen sie ihr Produkt deshalb erst in einem überschaubaren Markt wie dem schweizerischen.

Finanziell interessant sind jedoch die grossen Fussballligen Europas: Spanien, England, Italien, Deutschland und Frankreich. Ziel sei es nicht, jedes Wochenende von einem Stadion zum anderen zu jetten, um die Produktion selbst zu steuern. Lizenznehmer sollten dereinst das Instrument selbstständig anwenden. Das Programm taugt zudem fast für alle Sportarten, die in einem Stadion stattfinden, also auch Baseball, Eishockey oder Basketball. „Mit gewissen Anpassungen an der Software“, wie Würmlin zu bedenken gibt.

Marktreife in einem Jahr

Um ihr Programm zur Marktreife zu bringen, braucht das Duo noch mindestens ein Jahr und vor allem mehr Geld. Mehrere hundertausend Franken, wie der Postdoktorand unumwunden zugibt. „Dies würde es uns erlauben, sofort von der ETH unabhängig zu werden.“ Sie seien keine Anhänger des helvetischen Sicherheitsdenkens. „Wir machen es lieber wie die amerikanischen Jungunternehmer: Erst Geld aufnehmen und vorinvestieren, dann mit Vollgas zum Erfolg.“

Footnotes:
(1 Website von venturelab: www.venturelab.ch
(2 Website von venture: www.venture.ch


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