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Rubrik: Tagesberichte

Zum Tod von Martin Rotach
Ein Gestalter in der ETH und der Schweiz

Published: 29.03.2007 06:00
Modified: 28.03.2007 17:10
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Der einstige Direktor des Instituts für Orts-, Regional- und Landesplanung (ORL), der erste Delegierte des Bundesrates für Raumplanung, der verdienstvolle o. Professor für Verkehrsingenieurwesen an der ETH Zürich ist am 19. März 2007 verstorben. Eine Würdigung durch Martin Lendi, emeritierter Professor für Rechtswissenschaften.



Martin Lendi

Martin Rotach prägte die werdende Raumplanung und die moderne Verkehrsplanung. Seine grösste Wirkung für die Öffentlichkeit entfaltete er in den Jahren vor und nach dem Erlass des Verfassungsartikels über die Raumplanung im Jahre 1969. An der ETH Zürich gewann er durch Lehre und Forschung während rund 30 Jahren die Aufmerksamkeit der Studierenden. Die planerisch sorgfältige Vernetzung von Landschafts-, Siedlungs- und Transport-/Versorgungsstrukturen war eines seiner Kernthemata.

Kaum als Professor für Verkehrsingenieurwesen an die ETH Zürich gewählt übernimmt Martin Rotach im Jahre 1965 die Leitung des ORL-Instituts (Institut für Orts- Regional- und Landesplanung). In grosser Eile baut er es zu einem interdisziplinären aus. Bis gegen 100 Mitarbeiter wurden involviert. Gleich mehrere Aufträge lässt er sich, teils auf seinen Vorschlag hin, durch die zuständigen Bundesorgane (insbesondere durch den Delegierten für Wohnungsbau, Fritz Berger) erteilen: Landesplanerische Leitbilder, Richtlinien für die Orts- und Regionalplanung, Zweckmässigkeitsprüfungen solcher Planungen, Qualifikation von Planern, Organisation der Raumplanung Schweiz. Die ETH gebot zusätzlich die Ausbildung von Raumplanern – ein Nachdiplomstudium entstand. Seine Fähigkeiten im Projekt- und Forschungsmanagement erlaubten, die vielfältigen Arbeiten parallel an die Hand zu nehmen. Dank Begleitung durch engagierte Kollegen und Zuwahl tüchtiger Mitarbeiter sowie aufgrund seiner Motivationsbegabung läuft alles rasch an – mit wissenschaftlicher Kompetenz und Innovationskraft. Das Hauptwerk, die Landesplanerischen Leitbilder, wird 1971 publiziert. Es gewann international Beachtung. Der Bericht „Raumplanung Schweiz“ mit Anregungen zur Organisation der Raumplanung, ausgearbeitet unter der Leitung von Regierungsrat Kim (AG), getragen vom ORL-Institut, schloss sich an. Gleich darauf zieht er sich auf seine angestammte Professur zurück.

Gründer des Instituts für Verkehrs- und Transporttechnik

Was lag für den Bundesrat näher als Martin Rotach im Jahre 1972 – es war ein Bundesbeschluss über dringliche Massnahmen auf dem Gebiet der Raumplanung ergangen – zum Delegierten für Raumplanung zu wählen. Diese Funktion versah er bis 1975. Währen der kurzen Zeit forcierte er die nötigen provisorischen Schutzmassnahmen, begleitete das Entstehen des Bundesgesetzes über die Raumplanung und liess das erste gesamtschweizerische Raumordnungskonzept ausarbeiten. Brücken baute er zur Gesamtverkehrs- und zur Energiekonzeption. Die eigene Bundesstelle formte er zum Vorläuferin des künftigen Bundesamtes für Raumplanung (heute Amt für Raumentwicklung). Seine engsten Mitarbeiter konnten die künftige Leitung über mehr als zwei Jahrzehnte versehen.

Zurück an der ETH Zürich gründete er das Institut für Verkehrs- und Transporttechnik. Auch hier setzt er Akzente, so durch das Ausweiten des Lehr- und Forschungsbereiches. Der öffentliche Verkehr rückte auf. Sich selbst nahm er in Pflicht, Raum- und Verkehrsplanung zu harmonisieren, bald schon mit der klaren Absicht, den materiellen, den auf Strasse und Schiene greifbaren Verkehr durch immateriellen zu substituieren, also die modernen Informationstechnologien in den Dienst der Reduktion der überbordenden Mobilität zu stellen. An der Studie „Manto“ – Wirkungen der Telekommunikation auf Siedlung und Verkehr – neu waren der Gegenstand und die direkte Verbindung zwischen theoretischen Grundlagen und Testversuchen.

Gleichzeitig perfektionierte er die bevorzugten Planungsmethoden, insbesondere die Szenarientechnik, u.a. auch zuhanden der Planungskommission der ETH Zürich. Eine originelle Vorlesung, mit Wirkungen weit über die Bauingenieurabteilung hinaus, galt der Nationalplanung, auch hier der Versuch, zusammen mit einem Geistes- und Sozialwissenschaftler Multi- resp. Interdisziplinarität zu wagen. Kontinuierlich wuchs seine Skepsis gegenüber Sinn und Zweck der Mobilität heran. In seiner Abschiedsvorlesung warnte Martin Rotach, vorausschauend, vor dem Verkehrsinfarkt.

Martin Rotach entsprach nicht einem genormten Professorenbild. Es war ihm wichtig, aktiv zu forschen – mit unmittelbarer Wirkung für die Gesellschaft. Er verknüpfte Hochschule und Öffentlichkeit. Bereits vor der Wahl zum Professor wirkte er als Kantonsingenieur im Kanton Thurgau. Die ruhige und doch geschwungene, elegante Linienführung der Autobahn A1 zwischen Attikon und Wil (SG) spiegelt seinen gestalterischen Einfluss. Als Kantonsingenieur wirkte er auch für die Schweizerische Baudirektorenkonferenz. Mit ihr bereiste er Amerika, wo er einst ein Master-Studium seinem ETH-Diplom beigefügt hatte. Ziel war die Harmonisierung der teils auseinanderdriftenden kantonalen Vorstellungen zum eben angelaufenen Bau der Nationalstrassen. Die erwähnte berufliche Etappe als Delegierter für Raumplanung unter Bundesrat Kurt Furgler belegt ihrerseits sein Engagement für öffentliche Aufgaben.

Brilliantes Raumordnungskonzept

Ein selektiver Blich auf die „Landesplanerischen Leitbilder“ – das Hauptwerk – darf nicht fehlen. Martin Rotachs Leistung bestand vorweg im Insistieren auf einer gesamtschweizerischen Wahrnehmung der Probleme des belasteten Lebensraumes – keine Selbstverständlichkeit in einer Zeit der Festschreibung der kantonalen Kompetenzen. Sodann liess er vor der Inangriffnahme der konzeptionellen Studien die Sachprobleme aufarbeiten und zwar aufgrund von 3 übergeordneten (Staatspolitik, Gesellschaft, Volkswirtschaft) und 13 Teilleitbilden – von der Siedlung über das Militär bis zum Gesundheitswesen, zum Verkehr usw. In differenzierten Schritten ermittelte er die räumlich/sachlichen Konflikte, um vor diesem Hintergrund raumprägende, in sich und unter sich harmonisierte Strukturen (Landschaft, Siedlung, Transport/Versorgung) zu skizzieren – in Varianten. Mit der erreichen Klarsicht sollte es – so sein Anspruch – gelingen, ein tragfähiges, politikrelevantes materiell aussagekräftiges Raumordnungskonzept Schweiz vorzulegen. Methodisch brillant. Dass die Politik nicht reif war, unvermittelt auf die Vorgaben einzuschwenken, erstaunt nicht. Das Gedankengut aber gewann Oberhand – bis in die Zweckbestimmung des Bundesgesetzes über die Raumplanung und die dortigen Planungsgrundsätze hinein.

Das Bild bliebe unvollständig, wenn Martin Rotachs Interesse an Menschen unerwähnt wäre. Seine Kollegen und Mitarbeiter konnten in seiner Nähe ihr eigenes Profil bewahren oder gar mehren – eine Tugend. In seinem wissenschaftlichen Umfeld wirkten professorale Persönlichkeiten wie Heinrich Brändli, Karl Dietrich, Carl Hidber sowie Jakob Maurer und Ernst Winkler, im Bund waren es die späteren Amtsdirektoren Marius Baschung und Hans Flückiger. Von den direkten Mitarbeitern – die grosse Zahl erlaubt kein gerechtes Erfassen – seien der Schriftsteller Hans Bösch und sein Forschungsbegleiter während der Jahre am IVT, der heutige Leiter des Nachdiplom-/Masterstudiums in Raumplanung, Peter Keller (Dipl. Arch. ETH, Raumplaner NDS-ETHZ), ausdrücklich erwähnt.

Der Sohn eines Appenzellers und einer Baslerin vereinigte Witz und lebendige Geistigkeit in seiner Person. Die Vorlesungen sprühten davon. Sie wurden für die Studierenden zum bleibenden Erlebnis. Kaum zu glauben, der Ingenieur, der immer nichts anderes als Ingenieur sein und bleiben wollte, widmete seine Freizeit der Literatur und den Künsten.


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