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Rubrik: Tagesberichte

Materials Day des Departements Materialwissenschaft
Von der Natur lernen

Published: 05.02.2007 06:00
Modified: 06.02.2007 08:58
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Tribologie, sagt das Lehrbuch, ist die Wissenschaft von der Reibung, dem Verschleiss und der Schmierung. Forscherinnen und Forscher des Departements Materialwissenschaft zeigten am Materials Day, wie die Natur mit dem Thema umgeht und was die Wissenschaft davon übernehmen kann.



Peter Rüegg (mailto:peter.rueegg@cc.ethz.ch)

Die Materialwissenschaftler setzen viel daran, Abrieb und Verschleiss von Materialien zu verhindern oder wenigstens zu mindern. Deshalb werden meist Schmiermittel auf Ölbasis eingesetzt, die gewisse Zusatzstoffe enthalten, darunter Zink, Phosphor- und Schwefelverbindungen. Dies hat einen entscheidenden Nachteil: Die Zusatzstoffe schaden unter anderem den Katalysatoren von Autos und dadurch der Umwelt. Die Forschung sucht deshalb umweltfreundliche Alternativen.

Noch aber verstehen die Wissenschaftler nicht vollständig, was auf molekularer und atomarer Ebene mit dem Schmierstoff und seinen Additiven passiert. Antonella Rossi von der Professur für Oberflächentechnik hat deshalb untersucht, wie sich die verschiedenen Schmiermittelzusätze verhalten. Mit neuen analytischen Methoden ist es ihr gelungen, die Grundlagen der Reibung, des Verschleisses und den Kontakt zwischen zwei Oberflächen zu ergründen. Offenbar bilden sich an der Grenze zwischen dem zu schützenden Material und dem Schmiermittel mehrere ultradünne Schichten mit unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung, die die Wissenschaftlerin auseinanderhalten kann.

Schmiermittel auf Wasserbasis?

ETH-Forscher Seunghwan Lee geht noch einen Schritt weiter. Statt giftige Additive zu eliminieren, will er Schmiermittel auf Wasserbasis entwickeln. Wasser ist in vielen biologischen Systemen, zum Beispiel den Gelenken des Menschen, der wichtigste Schmierstoff, hat jedoch den Nachteil, dass es unter Druck nachgibt und zur Seite ausweicht. Öl wird unter Belastung hingegen zähflüssiger und verhindert somit, dass zwei Kontaktflächen aufeinander scheuern. So braucht es, wenn tatsächlich Wasser eingesetzt wird, an den möglichen Kontaktstellen eine spezielle Beschichtung aus Polymeren, die ähnlich wie die Gelenkköpfe in biologischen Systemen das darunterliegende Material vor Abnützung schützen. Die ETH-Materialforscher sind derzeit dabei, Materialien für solche Beschichtungen zu erforschen. Auch hier dienen ihnen natürliche Vorbilder, etwa der Mundschleim von Kühen.

Polyethylen statt Schmiermittel und Metall

Abrieb und Verschleiss lassen sich aber auch minimieren, wenn für Teile, die stark beansprucht werden, hochmolekulares Polyethylen verwendet wird. Solche Kunststoffe sind jedoch in geschmolzenem Zustand sehr zähflüssig und lassen sich nicht wie niedermolekulare Polyethylene in Spritzgussverfahren einsetzen. Um hochmolekulares Polyethylen zu formen, sind teure und umständliche Verfahren nötig.


Staudinger Durrer-Medaille für Cambridge-Professor

Im Rahmen des Materials Day erhielt Professor Ian Hutchings von der University of Cambridge (GB), die Staudinger Durrer-Medaille 2007 des Departements Materialwissenschaft der ETH. Hutchings gilt als einer der führenden Forscher in der Tribologie und erhielt die Ehrung für seine aussergewöhnlichen Beiträge in dieser Wissenschaftsdiziplin. Einerseits hat er zahlreiche komplexe Zusammenhänge aufgezeigt, andererseits ist es ihm gelungen, die Theorie in Alltagsanwendungen zu überführen. In seiner Festrede zeigte Hutchings neben Anwendungen von Abrasionen, zum Beispiel dem Schleifen von Glas für hochpräzise optische Instrumente, sehr anschaulich das Funktionieren des Tintenstrahldrucks auf.


Gaben Einblick in die verschiedenen Forschungsrichtungen der Materialwissenschaft: Theo Tervoort (l.o.), Lina Nilsson (r.o.), Ralph Spolenak und Antenolla Rossi (r.u.). Weitere Referenten (nicht abgebildet): Ian Hutchings, Seunghwan Lee, Hans Christian Öttinger und Marco Siegrist.

Theo Tervoort von der Professur für Polymertechnologie hat nun verschiedene neuartige hochmolekulare Polyethylene entwickelt und getestet, die gegen Abnutzung mindestens so hart sind wie frühere Polyethylene, sich aber besser giessen und formen lassen. Dadurch wird es möglich, Polyethylenteile billiger und besser zu produzieren.

Metallische Gläser härter als Stahl

Vielversprechend sind auch neuartige metallische Gläser, eigentlich amorphe Metalllegierungen, die kein Kristallgitter besitzen. Die metallischen Gläser sind gegen Abrieb sehr resistent. Das macht sie interessant als Material für Bestandteile von Mikroantrieben. Das zeigte der Doktorand des Laboratoriums für Metallphysik und Technologie, Marco Siegrist. Allerdings haben die neuartigen Metalle den Nachteil, dass sie spröder sind als vergleichbares kristallines Metall. Die Metallforscher haben deshalb begonnen, der Legierung von metallischen Gläsern Graphit zuzuführen. Untersuchungen über die Abnützung dieser neuen Materialien stimmen die Forscher zuversichtlich. Eine Glasmetalllegierung, die mit Zirconium und Graphit angereichert wurde, war in Materialtests härter als Kugellager-Stahl.

Haftung als Vorteil

Mit welchen Wundermitteln die Natur die Gesetze der Schwerkraft überwindet, zeigte Ralph Spolenak, Professor für Nanometallurgie, am Beispiel der Geckos. Die Echsen können senkrecht Wände hochklettern, haften an Glas oder kopfüber an der Zimmerdecke. Dies ist möglich, weil sie an den Zehen unzählige, winzigste Härchen, so genannte Setae, haben. Diese wiederum sind in grösseren Einheiten, den Spatulae, zusammengefasst, welche in Lamellen angeordnet die ganzen Zehen bedecken. Die Forscher haben nun herausgefunden, dass einerseits molekulare Anziehungskräfte und Kapillarkräfte, die durch einen hauchdünnen Wasserfilm zustande kommen, für die aussergewöhnliche Haftung der Geckos verantwortlich sind. Die Forscher konnten denn auch zeigen, dass Geckos bei hoher Luftfeuchte besser haften als unter trockenen Bedingungen. Sind die Härchen aber richtig nass, dann haften sie nicht mehr. Das System der Geckofüsse nachzubilden, um allenfalls Klebestreifen herzustellen, bleibt allerdings noch unerreicht. Mittlerweile gelingt es den Forschern, feine Härchen im Nanometerbereich herzustellen.

Bakterien haften zu gut

Ebenfalls hervorragend haften können gewisse Bakterien wie E. coli. Diese besitzen spezielle Härchen, die Fimbriae, welche an ihren Spitzen das Protein FimH haben. FimH bindet an Mannose, einen Zucker, der ein wichtiger Bestandteil von Zellmembranen ist und im ganzen Körper häufig vorkommt. Die Bakterien können sich über diese Verbindung festsetzen, wo Flüssigkeiten fliessen. Intuitiv würde man denken, dass sich die Verbindung löst, wenn mehr daran gezogen wird. Nicht so bei der FimH-Mannose-Bindung. Nimmt die Fliessgeschwindigkeit zu, wird die Bindung sogar stärker, wie die Doktorandin der Professur für biologisch-orientierte Materialwissenschaft Lina Nilsson herausfand. Für das Bakterium ist das vorteilhaft. So kann es sich zum Beispiel im Blutströmen, im Harnleiter oder Darmtrakt festkrallen, ohne dass es durch den Flüssigkeitsstrom in diesen Organen weg gespült wird.

References:
•  Website zum Materials Day: www.materialsday.mat.ethz.ch/


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