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Rubrik: Tagesberichte

Kreativität und Produktentwicklung im Silicon Valley
Lange Leinen für Mitarbeiter

Published: 24.01.2007 06:00
Modified: 25.01.2007 11:25
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Für Christian Bürgin war es der krönende Abschluss seiner Dissertation, für Céline Ray der fulminante Auftakt zu ihrer eigenen: Die Doktorandin und der Doktorand des Zentrums für Produktentwicklung und Autonomous Systems Lab der ETH verbrachten im letzten Herbst ein paar Monate im Silicon Valley um herauszufinden, was die dortigen IT-Firmen dermassen erfolgreich macht.



Peter Rüegg (mailto:peter.rueegg@cc.ethz.ch)

Die Begeisterung über die amerikanische Denkfabrik in Kalifornien ist Christian Bürgin und Céline Ray noch immer anzumerken. Auch rund zwei Monate nach ihrer Rückkehr aus Silicon Valley. „Das Tal ist so innovativ und einfach schön“, sagt Ray. Silicon Valley sei irgendwie aber auch chaotisch, strukturlos. „Man muss es mit eigenen Augen sehen“, ergänzt sie. Von August bis November haben sich Ray und Bürgin in Kalifornien aufgehalten, um dem Erfolgsgeheimnis von Silicon Valley und dessen Firmen auf die Spur zu kommen.

Die beiden Doktoranden des Zentrums für Produktentwicklung und Autonomous Systems Lab der ETH Zürich haben dort offiziell 20 Firmen besucht und mit deren Vertretern Interviews geführt. Neben diesen offiziellen Terminen befragten die ETH-Doktoranden in vielen informellen Gesprächen und Interviews die Akteure der Hightech-Hochburg. Ihr Interesse galt den Firmenstrukturen, die kreatives Handeln erlauben und neue Ideen fördern. „Wir untersuchten vor allem den kreativen Teil der Produktentwicklung“, so Bürgin.

Rumhängen, quatschen, Infos tauschen

Eines der Erfolgsgeheimnisse scheint zu sein, dass viele Unternehmen in Silicon Valley den inoffiziellen Informationsaustausch unter ihren Mitarbeitern fördern. Besonders Google lebe nach dem Motto „to hang out and to meet people“, sagen die ETH-Doktoranden. Der Internetriese hat für diesen Zweck offene Räume, Bars und Konferenzräume eingerichtet. An den Wochenenden veranstaltet das Unternehmen zum Beispiel auch Konzerte.

Erstaunt hat es die beiden, dass es Google den Mitarbeitern erlaubt, sich jederzeit mit anderen Mitarbeitern zu treffen. Fürs Schweizer Auge sehe das nicht nach Arbeit aus, sagt Bürgin. „Bei uns gilt als guter Mitarbeiter, wer den ganzen Tag vor seinem Computer sitzt. Wer sich hingegen während der Arbeitszeit mit Kollegen trifft, gilt als faul." Mit dieser Einstellung aber verhindere man den wichtigen Austausch. Zudem sind die Büros des Google-Hauptsitzes nur durch Glaswände getrennt. „Von jedem Platz aus sieht man jeden. Da sieht man sofort, wer da ist und wer nicht“, sagt Bürgin.

Google sorgt für alles

Die Mitarbeiter brauchen den Campus gar nicht zu verlassen. Google habe rund um die Arbeitsplätze eine ganze Stadt aufgebaut. „Da findet man eigentlich alles, was man braucht, wie Ärzte oder Autoreparaturwerkstätten“, ergänzt Ray. Alle 200 Fuss gebe es Verpflegungsstände, in jedem Gebäude des Campus könne man sich massieren lassen.


Swissnex: Kontakte waren Gold wert

(per) Ohne die Organisation Swissnex hätten Céline Ray und Christian Bürgin in Silicon Valley einen schweren Stand gehabt. Sie haben ihren Aufenthalt über diese Annexanstalt der Schweizer Vertretung abgewickelt – unkompliziert und unbürokratisch. „Ein Austauschprogramm mit einer anderen Universität wäre viel aufwändiger zu organisieren gewesen“, betont Bürgin. Swissnex ist in San Francisco ansässig. Der verlängerte Arm des Schweizer Generalkonsulats sieht sich als Bindeglied zwischen Wirtschaft und Wissenschaft der drei Länder Schweiz, Kanada und den USA. Die ETH Zürich ist assoziierte Gruppe der Swissnex und mit dem Vizepräsident für Planung und Logistik, Gerhard Schmitt, auch im Strategiekomitee vertreten. Swissnex hat sehr gute Kontakte zur lokalen Wirtschaft, organisiert zahlreiche Anlässe vom Symposium bis zur Weindegustation, um diese Verbindungen aufzubauen und zu verstärken. (1)


Christian Bürgin testet die Denkerecke des IT-Unternehmens IDEO (BIld: C. Ray).

Frühes Visualisieren und Erstellen von Prototypen, ist ebenfalls eines der Geheimrezepte von Silicon Valley. Das Motto: Früh scheitern, rasch reüssieren. Die Mitarbeiter sollen ihre Ideen so rasch als möglich auf Papier bringen oder einen Prototyp erstellen. Ein weiterer wichtiger Merksatz, der den beiden ETH-Doktoranden aufgefallen ist, lautet, die Ideen von den Leuten zu trennen. Dadurch können zwar Ideen kritisiert werden, nicht aber der Kopf der dahinter steckt.

Um sechs Uhr früh an social event

Besonders wichtig ist auch das soziale Umfeld. In Silicon Valley finden stets zahlreiche Anlässe aller Art statt, an denen sich vom Risikokapitalgeber bis hin zum Forscher verschiedene Leute aus unterschiedlichen Firmen treffen, sich austauschen und sich dadurch gegenseitig auf dem neusten Stand bringen. „Bei solchen Treffen gibt es kaum ein anderes Gesprächsthema als Business“, staunt Bürgin. Selbst bei einem Grillabend sprechen die Leute über ihre Geschäftsideen. Und soziale Events finden auch mal um sechs Uhr in der Früh statt. Céline Ray ergänzt, dass es so viele Leute in Silicon Valley gebe, die ihr eigenes Start-up haben und in irgendeiner Art im IT-Geschäft mitmischen, dass an informellen Treffen stets interessante Gesprächspartner anwesend seien. „Silicon Valley hat die kritische Masse an guten Leuten“, sagt die Westschweizerin.

Hilfreich ist zudem die Mentalität und die Kultur der USA. „Die Amerikaner sind offensiver, reden mit jedem und auf Etikette achten sie weniger als wir Europäer.“ Man spreche sich stets mit dem Vornamen an, unabhängig von Alter und Stellung, so Christian Bürgin.

Swisscom baut Treffpunkt-Gebäude

Das Silicon Valley hat die Swisscom inspiriert. Die Firma baut nun in der Schweiz ein Gebäude, das vor allem dazu dient, dass sich Mitarbeiter informell treffen können. So soll eine neue Art von Kommunikation unter den Mitarbeitenden zustande kommen. „In der Theorie ist die Notwendigkeit von solchen Treffpunkten unbestritten. In der Praxis ist diese aber viel zu wenig umgesetzt“, findet Ray.

Die Ergebnisse ihrer eigenen Nachforschungen fliessen nun in ihre Dissertationen ein - und eventuell in die Gestaltung ihrer jetzigen Arbeitsumgebung im CLA-Gebäude. Dort nämlich sind die Büros entlang von langen schmalen Gängen angeordnet. Dicke Wände und solide Türen trennen die Büros. „Das ist nicht optimal und verhindert den Austausch“, sagt Bürgin. Die beiden tragen sich deshalb mit dem Gedanken, einen Treffpunkt einzurichten, damit die Leute Kontakt mit anderen Forschern aufnehmen können – informell versteht sich. Als erster Schritt wird sich Ray einen Überblick über die Situation verschaffen, will wissen, wie sich die Leute am Arbeitsplatz fühlen, ob sie genügend mit anderen Mitarbeitenden sprechen. Klar aber ist ihr jetzt schon, dass der Informationsfluss stark verbessert werden muss.

Footnotes:
(1 Website von Swissnex: www.swissnex.com


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