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Rubrik: Tagesberichte

ETH-Kristallographen klären Struktur von neuem Mineral
Zeolith gibt Geheimnis preis

Published: 23.02.2007 06:00
Modified: 26.02.2007 17:32
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Ein künstlich hergestellter Zeolith hat seine Struktur zehn Jahre lang verbergen können. Jetzt ist es ETH-Wissenschaftlern gelungen, den komplizierten Aufbau des Minerals aufzuklären. Dieses Kunststück wird die Erforschung anderer komplexer Kristallstrukturen beflügeln.



Peter Rüegg (mailto:peter.rueegg@cc.ethz.ch)

Einem Forscherteam um Dr. Christian Baerlocher und Dr. Lynne McCusker vom Laboratorium für Kristallographie der ETH Zürich ist es gelungen, die Struktur des Zeolithen IM-5 zu klären. IM-5 wurde vor rund zehn Jahren zum ersten Mal synthetisiert. Sein Aufbau aber ist so kompliziert, dass die Strukturaufklärung bisher nicht geglückt ist. Dies vor allem auch deshalb, weil IM-5 nur als Pulver von Kristallen vorliegt, die kleiner als ein Tausendstel Millimeter messen. Von katalytischen Testreaktionen konnten Forscher im Jahr 2000 einzig ein grobes Bild des Porensystems von IM-5 ableiten. Die Arbeit von Baerlocher und seinen Mitarbeitern wird heute in Science (1) veröffentlicht.

Komplexer als je zuvor

Baerlochers Untersuchungen zeigen, dass IM-5 eine Grundstruktur von 24 individuellen Siliziumatomen besitzt. Eine Elementarzelle des Kristalls besteht aus 864 Atomen. Aufgrund von verschiedenen Symmetrien mussten die Forscherinnen und Forscher allerdings „nur“ gut 70 Atompositionen bestimmen. „Bisher waren 20 bis 30 Atome die obere Grenze für polykristalline Materialien. Die Struktur hier ist mehr als zweimal so gross“, betont Baerlocher. Damit ist IM-5 so komplex aufgebaut wie der Zeolith TNU-9. Dieser weist die bisher komplexeste Struktur auf, welche die gleiche Forschungsgruppe der ETH vor kurzem aufklären konnte.


Umweltfreundliche Alternative zu starker Säure

(per) Zeolithe sind poröse Mineralien, eigentlich „thermostabile Schwämme“. Sie entstehen natürlicherweise unter anderem in vulkanischen Gesteinen, doch grosse Lagerstätten findet man in Sedimenten. Heute werden allerdings die meisten Zeolithe künstlich hergestellt, vor allem jene, die als Katalysatoren in chemischen Reaktionen dienen. Zeolithe eignen sich beispielsweise als Kationentauscher in Waschmitteln anstelle von Phosphat. Dabei werden Kalziumionen vom Zeolithen gegen Natriumionen ausgetauscht. Die porösen Mineralien können aber auch in der Wasseraufbereitung und Entgiftung eingesetzt werden. Nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl wurden Kühen Zeolithe verfüttert, welche das radioaktive Cäsium aufnahmen und damit bewirkten, dass die Milch weniger radioaktiv wurde. Als Trockenmittel werden Zeolithe auch in Fensterrahmen von Doppelverglasungen eingefüllt. Sie verhindern, dass sich das Glas von innen her beschlagen kann.

Besonders begehrt sind Zeolithe wie IM-5 als Säurekatalysatoren in der Petrochemie. „Praktisch jeder Tropfen Benzin, der in Motoren verbrannt wird, ist durch einen Zeolith hindurchgegangen“, sagt Christian Baerlocher. Dabei werden die langen Kohlenstoffketten des Erdöls in kleinere Teile aufgebrochen und umgeformt, wodurch die Oktanzahl erhöht wird. Der Vorteil dieses „Schwammes“ ist, dass seine Poren begrenzte Volumina haben und dass daher darin nur ganz bestimmte Reaktionen ablaufen können. Dadurch entstehen weniger unerwünschte Nebenprodukte. Der grosse Vorteil dieser mineralischen Stoffe ist, dass sie zwar im Innern sauer reagieren, selbst aber nicht wie beispielsweise Schwefelsäure aggressiv sind. Sie gelten daher als äusserst umweltfreundlich.


Modellhafte Darstellung des Zeolithen IM-5: Das gelbe Gerüst umschreibt die Lage der Silizium-Sauerstoff-Atome, die rot-blauen Rohre verdeutlichen das einzigartige Porensystem (Bild: C. Baerlocher / Laboratorium für Kristallografie ETHZ)

Ein besonderes Merkmal von IM-5 ist das ungewöhnliche Poren- und Kanalsystem. Dieses ist einerseits zweidimensional, besitzt also unzählige parallel verlaufende Kanäle, andererseits ist es begrenzt dreidimensional, bedingt durch Querverbindungen zwischen den parallelen Poren und blind endenden Seitenverzweigungen. Jeweils drei in einer Ebene liegende Porensysteme sind untereinander verbunden. Einzelwände trennen diese Nanoebenen voneinander ab.

Neuartige Kombination führt zu Durchbruch

Um die Struktur aufzuklären, haben Baerlocher/McCusker und Kollegen von der Stockholm University neue Wege beschritten. Als Grundlage für ihre Strukturbestimmung dienten Daten aus Röntgenbeugungsexperimenten, Aufnahmen mit hochauflösender Transmissionselektronenmikroskopie und ein Berechnungsmodell ( „Charge Flipping“), das sie an die speziellen Erfordernisse bei der Bestimmung komplexer Kristallstrukturen von Pulvern anpassten.

Denn obwohl die Gruppe mit TNU-9 bereits ein komplexe Struktur geknackt hatte, konnte sie diese Methode nicht für IM-5 anwenden. Um die Struktur von ersterem zu klären, verwendeten die Wissenschaftler eine zeolithspezifische Methode, bei IM-5 aber entwickelten sie eine allgemeine. „Für die Erforschung komplexer Kristallstrukturen von polykristallinen Materialien ist deshalb unsere neue Methode ein Durchbruch“, sagt Lynne McCusker. Für die Forschung sei die Methode wohl mindestens so wichtig wie die Kenntnis der Struktur von IM-5. Die neue Methode werde es erlauben, in Zukunft andere polykristalline Materialien, etwa Katalysatoren, Medikamente, Keramiken oder komplexe Metalllegierungen zu untersuchen. Voraussetzung dafür ist, dass sich mit der Transmissionselektronenmikroskopie Bilder des Stoffes machen lassen.

Petrochemie an Struktur stark interessiert

Die Industrie, allen voran die Petrochemie, hat aber an der Strukturaufklärung von IM-5 ein grosses Interesse gehabt. Zeolithe werden in grossem Stil als Säurekatalysatoren bei der Raffinierung von Erdöl verwendet. Die Erdölindustrie erhofft sich von IM-5 einiges, unter anderem sehr spezifische katalystische Eigenschaften. „Ohne das Wissen um die Struktur kann die Industrie Synthesen nicht optimieren und wir verstehen nicht genau, was katalytisch passiert“, sagt Baerlocher. Um IM-5 industriell zu verwenden, sei es im Moment allerdings noch zu früh.

Footnotes:
(1 Baerlocher, C. et al. (2007): Structure of the Polycrystalline Zeolite Catalyst IM-5 Solved by Enhanced Charge Flipping. Science Vol. 315, pp 1113-1116


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