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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 23.10.2006 06:00

Beginn des Jubiläums „25 Jahre Informatik“
Blick zurück und nach vorne

Informatik gibt es schon lange an der ETH, aber erst spät erhielt dieses Fach einen eigenen Studiengang. Für die Zukunft gilt es zu klären, wie die Grundlagenforschung und angewandte Ingenieurarbeiten in diesem Gebiet sich am besten ergänzen. Diese Einblicke erhielt man an einem Gründer- und einem Zukunftspodium, die einen Bestandteil des am Freitag eröffneten Jubiläumsanlasses zu 25 Jahre Informatik an der ETH Zürich darstellten. (1)

Christoph Meier

„Die Informatik an der ETH hat bereits 1948 begonnen“, meinte Peter Läuchli. Der emeritierte ETH-Professor vom Institut für theoretische Informatik wollte damit ein Trostpflaster liefern, für die für manchen Anwesenden schmerzvolle Tatsache, dass die Informatik erst 1981 einen eigenen Studiengang an der Hochschule erhielt. Der Informatikpionier erläuterte am Gründerpodium letzten Freitag, dass in den 40er Jahren bereits Eduard Stiefel, ETH-Professor für Mathematik, das Institut für angewandte Mathematik gegründet hatte und derselbe Forscher 1950 Konrad Zuses Relaisrechenautomaten Z4 nach Zürich holte. Mit dieser wurden dann schon in den 50er Jahren Praktika durchgeführt.

Dass es dann trotzdem bis 1981 dauerte, bis die Informatik eigenständig wurde, hatte mehrere Ursachen. Einen erwähnte der Gründervater Niklaus Wirth in einer eingespielten Filmsequenz. Professoren aus Physik und Mathematik hätten sich gegen eine solche „Pseudowissenschaft“ gewehrt. Da nützte auch die Einsicht des damaligen ETH-Präsidenten nichts, dass man die Gründung eines eigenen Studiengangs Informatik nicht verschlafen, sondern „hellwach vertrödelt“ habe. Carl August Zehnder, ein weiterer Gründervater, ergänzte auf dem Podium wieder, dass es Heinrich Ursprung nicht einfach gehabt habe. Denn noch sei die 68er-Bewegung spürbar gewesen; von oben verordnete Entscheide hatten es dadurch schwer.

Trotz Autobahnberechnungen wenig Eingang in Industrie

Der Durchbruch sei dann auch mit Hilfe „unakademischer“ Argumente erfolgt. Beispielsweise habe man aufgezeigt, dass in Jobinseraten vermehrt Datenverarbeiter gesucht wurden, so Zehnder. Eine grössere Akzeptanz hätte die Informatik dann spätestens mit den ersten Absolventen erreicht, beschrieb der emeritierte ETH-Professor Jürg Nievergelt den weiteren Verlauf. Man war sich einig, dass Informatikausbildungen, die an anderen Orten in der Schweiz entstanden, nicht eine Konkurrenz, sondern ein Gewinn waren.

Etwas ratlos waren die Podiumsteilnehmer, wieso die Informatik hierzulande nicht mehr Eingang in die Industrie fand. Denn schon in den 60er Jahren habe man unter anderem für die Erstellung italienischer Autobahnen an der ETH Berechnungen angestellt. Nievergelt glaubt einen Grund für die industrielle Passivität darin zu erkennen, dass es in der Schweiz keine Informatik-Industrie gibt, sondern nur eine die Informatik nutzende.

"Die Schweiz hat keine Informatik-Industrie, sondern nur Informatik nutzende Industrie", meint Jürg Nievergelt (rechts) zur Distanz zwischen Industrie und ETH-Informatik. (Links: Moderator David Gugerli) gross


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Mit einer kurzen Filmeinspielung meldete sich am Gründerpodium auch der ETH-Infortmatikpionier Niklaus Wirth zu Wort. gross

Informatikermangel hat Wurzeln in Mittelschulen

Mit dem Nutzen der Informatik beschäftigte sich auch das Zukunftspodium, das ebenfalls am Freitagmorgen stattfand. Dabei ging es vor allem um die Frage, ob die Informatik an der Hochschule mehr anwendungsorientiert sein sollte oder ob die Grundlagen im Zentrum stehen müssen. Zur Sprachekam kam auch, welche Ausrichtung mehr Studierende anlocken könnte. In diesem Zusammenhang wies ETH-Professor Walter Gander darauf hin, dass schon die Voraussetzungen bei den Gymnasien nicht stimmen. Denn hier würden häufig nur Kenntnisse in MS-Office und im Surfen auf dem Web vermittelt, aber leider keine Programmierkenntnisse. Solche Grundlagen sind aber für Ganders Kollegen Emo Welzl zentral. Denn die Informatik stehe erst am Anfang. Sie müsse zunächst eine überzeugende Sprache finden, um mit Problemen wie „Randomness“ und „Tractability“ umgehen zu können.

Dass man an einem Anfang steht, war auch die Ansicht von ETH-Professor Joachim Buhmann. Für ihn, der für das Panel neben seinem Kollegen Gustavo Alonso als Pragmatiker „gedraftet“ worden war, beginnt aber eine aufregende Zeit, nicht einfach weil es noch vieler theoretischer Grundlagen bedarf, sondern weil Informatiker sowohl Ingenieure als auch Wissenschaftler seien. Als solche hätten sie zentrale Beiträge zur Klimamodellierung oder zur biotechnologischen Revolution zu liefern. Alonso plädierte auch dafür, dass man sich von einer künstlichen Trennung verabschieden soll.

Trennen oder zusammen bleiben?

In der allgemeinen Diskussion erwähnten Besucher aus den USA, dass sie schon länger mit dem Problem zwischen den „Fundamentalisten“ und „Pragmatikern“ konfrontiert seien. Bei ihnen habe man darauf reagiert, indem man eigene Informatikfakultäten schuf mit den zwei Hauptdisziplinen „Computational Science“ und „Informatics“. Buhmann zweifelte, ob diese Trennung sinnvoll sei, da damit die interessantesten Projekte wieder im interdisziplinären liegen würden. Nachdem vor 25 Jahren die Informatiker die Herausforderung für einen neuen Studiengang erfolgreich bewältigt haben, traut man ihnen auch zu, die inneren Spannungen zu bewältigen. Denn obwohl die Podiumsteilnehmer verschiedenen Schwerpunkte legten, unüberbrückbar scheinen die Differenzen nicht zu sein.


Fussnoten:
(1) Jubiläum 25 Jahre Informatik-Studium: www.25jahre.inf.ethz.ch/index



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