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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 27.02.2002 06:00

Adolf Ogi erhält Karl-Schmid-Preis
„Zur Krise gehen, bevor sie kommt“

„In Anerkennung seiner wertvollen Verdienste für die Öffentlichkeit“ verlieh die Karl-Schmid-Stiftung gestern Dienstag im Auditorium Maximum der ETH den diesjährigen Preis an alt Bundesrat Adolf Ogi. Die Professoren Kurt Spillmann und Roland Ris würdigten Verdienste und Persönlichkeit des Preisträgers.

Von Regina Schwendener

"Bei so grosser Würdigung ist es fast genierlich, noch weitere Worte zuzufügen", sagte Adolf Ogi nach der Preisübergabe. Aber er nehme den Karl-Schmid-Preis stellvertretend für die zivilen und militärischen Teams entgegen, die ihn jahrelang begleitet hätten. Seine kurze Ansprache nahm er zum Anlass, im Hinblick auf die bevorstehende UNO-Abstimmung auf die noch heute gültigen Aussagen von Karl Schmid hinzuweisen: Weltoffenheit sei Training zum eigenen Wohl und Training in der Auseinandersetzung in der Welt. "Es gilt, in Aufgeschlossenheit mit und in der Welt zu leben. Und das findet Ausdruck in der UNO, in die wir gehören." Es gehe nicht an, so Ogi, dass die Schweiz, die der Welt zum Beispiel im 19. Jahrhundert das IKRK geschenkt habe, sich heute im Glanz der Leistung der Vorfahren sonne und der Welt die kalte Schulter zeige. - "Das ist meine Botschaft!"

Nach Stiftungsratspräsident Professor Hans Künzi und ETH-Rektor Konrad Osterwalder würdigte Kurt R. Spillmann, ETH-Professor für Konfliktforschung und Sicherheitspolitik, Adolf Ogi als Politiker, der Entscheidendes für die Öffnung der Schweiz geleistet habe - zum Teil gegen massive Widerstände. Wie aktuell Karl Schmids vor über 30 Jahren geäusserte Gedanken heute noch seien, beweise das öffentliche Wirken des Preisträgers, der genau das getan habe, was Karl Schmid anvisierte: unerschrocken die Zeichen der Zeit gelesen, mit Mut für Veränderungen und Alternativen gewirkt und mit Tatkraft an der Ersetzung des traditionellen „Neins" zur Welt durch ein Ja gearbeitet.

Schweiz zur Vorreiterin gemacht

Den seit der Grossen Wende von 1989/91 notwendigen Schritt von einer reaktiven, schwergewichtig militärisch verstandenen Landesverteidigung zur präventiven Bearbeitung von Konflikt- und Spannungsherden habe Ogi als Chef EMD von Anfang an anvisiert - energisch und politisch klug.

Kurt Spillmann erinnerte an wichtige Ereignisse, die auf Ogis Wirken zurückzuführen sind, wie an den Beitritt zur die Partnerschaft für den Frieden (PfP) oder den Entscheid, die Schweiz durch Verbot des Exports sowie der Herstellung und Lagerung von Personenminen zum ersten minenfreien Land der Welt zu machen. Eine Vorreiterrolle übernahm die Schweiz auch bei der Information: Ogi übertrug der ETH den Aufbau eines Internet-Netzwerks, über das überall in der Welt jederzeit zuverlässige Informationen aus Aussen- und Sicherheitspolitik abgerufen werden können. Dieses International Relations- and Security Network (ISN) sei mittlerweile weltweit zum führenden Informationsnetzwerk in den genannten Bereichen geworden.

Ganz im Sinn Karl Schmids, so Spillmann, sei Adolf Ogis strategische Leitidee gewesen: „Wir müssen zur Krise gehen, bevor sie zu uns kommt." Der „grosse Kommunikator“ Ogi habe mitgeholfen, die Aussicht in eine Zukunft der kooperativen Sicherheit und des von allen europäischen Nationen mitgetragenen Friedens zu eröffnen.

Spontane Einigkeit

In seiner Laudatio holte Roland Ris, ETH-Professor für Germanistik, weit aus: Er spannte den Boden von Kaiser Augustus bis zum Politiker Adolf Ogi: Man könne sagen, „dass Bundesrat Adolf Ogi über mehr Einfluss verfügte als ihm auf Grund der ihm zugemessenen Machtbefugnis eigentlich hätte zukommen sollen." In der Begegnung mit ihm würden Emotionen frei.


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adolf u katrin ogi konrad osterwalder
Ehrung für sicherheitspolitische Öffnung der Schweiz: der ehemalige Bundesrat Adolf Ogi mit seiner Frau Katrin und ETH-Rektor Konrad Osterwalder. gross

„So geschehen in unserer Preiskommission, als nach einer Reihe von Namen derjenige von Adolf Ogi fiel und wirklich schlagartig Einstimmigkeit herstellte. Der Funke war da. Das Herz hatte spontan gesprochen - und der Kopf hatte Mühe nachzukommen", plauderte Ris und bemerkte: „Die Art, wie er gegen das Herz Rückzugsgefechte veranstaltet, ist bekannt: Es ist das 'Ja-aber', die nachträgliche Rationalisierung von Entscheidungen, die nicht aus einem 'Entweder-oder-Denken' heraus erfolgt sind. Karl Schmid hätte wohl, wäre er unter uns gesessen, geschmunzelt."

Emotionale Bindung und Realität verknüpft

So wie Gottfried Kellers „Grüner Heinrich" mit dem "Lob des Herkommens" beginne, so spräche Adolf Ogi auch an hochoffiziellen Anlässen immer wieder von seiner Familie und vom Ort, an dem er seine Jugend verbracht hat: Kandersteg. Es sei kein Zufall, dass Adolf Ogi auch seine höchsten Staatsgäste in „sein" Tal führt und sie mit seiner Familie bekannt macht. Die emotionale Bindung an das Reale finde ihren Platz im Symbolischen und im Sinne Karl Schmids „Mächtigen".

Ehrlich zu sich selbst

Als Bundesrat habe Adolf Ogi in gewissem Sinne immer über den Parteien und in seinem Denken letztlich auch über den Departementen gestanden. Ris: „Es ist höchst auffällig, dass Adolf Ogi stets für und fast nie gegen etwas gekämpft hat und dass er es strikte vermied, seine Gegner in irgendeiner Weise persönlich anzugreifen". Als Beleg dafür zitierte Ris den Preisträger: „Es gilt, zuallererst, mit sich selber ehrlich zu sein. Ich denke, die Politiker, die ihre Gefühle verstecken, die zum Beispiel denken, es sei unmännlich zu weinen, täuschen sich.“


Karl Schmid: Denker, Rektor, Stratege

(nst) Sein intellektueller Horizont war aussergewöhnlich breit, seine Ausstrahlung reichte weit über die Landesgrenzen hinaus. Als Literarhistoriker schrieb Karl Schmid (1904 – 1974) Brillantes und Bleibendes zur Bedeutung der (Deutsch-) Schweizer Kultur und ihrem Verhältnis zu diesem Land ("Das Unbehagen im Kleinstaat", 1963). Mit Max Frisch stand er diesbezüglich in einer leidenschaftlich geführten Debatte.

Der ETH-Literaturprofessor war zudem zwischen 1953 und 1957 Rektor dieser Hochschule, Präsident des Schweizerischen Wissenschaftsrats und - last, not least - Oberst im Generalstab. Als solcher präsidierte Karl Schmid die "Studienkommission für strategische Fragen", deren Bericht von 1969 die Grundlage der modernen Schweizer Sicherheitspolitik bildete.

Im Sinne dieser Vielseitigkeit wird von der Karl-Schmid-Stiftung alle zwei bis drei Jahre der gleichnamige Preis an eine Person verliehen, die sich um eines von Schmids Interessensgebieten verdient gemacht hat. Dazu gehören der Dialog zwischen Natur- und Geisteswissenschaften, die Auseinandersetzung mit der Schweizer Identität sowie mit der Sicherheits- und Friedenspolitik.




Literaturhinweise:
1998 ist im NZZ-Verlag eine sechsbändige Ausgabe der Werke von Karl Schmid erschienen: Karl Schmid: Gesammelte Werke I-VI.



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