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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 26.04.2005 06:00

Kritischer Blick auf die Bautätigkeit einer Hochschule
ETH-Bauten im Visier

Vom Bau des Polytechnikums ging ein städtebaulicher Impuls aus. Um architektonische Akzente waren die beiden Hochschulen auch in der Folge besorgt; jüngstes Beispiel ist die projektierte Science City. Werner Oechslin, Professor für Kunst- und Architekturgeschichte an der ETH, blickt in einem Sammelband auf die Bautätigkeit der Hochschule zurück, den er heute Dienstagabend an der Buch- und Ausstellungsvernissage vorlegt. (1)

Von Samuel Brandner

„Der Semper-Bau bleibt bis dato die grösste bauliche Geste, die Zürich erlebt hat“. So brachte Werner Oechslin kürzlich die architektonische Bedeutung des Polytechnikums auf den Punkt. (2) Der symmetrische Bau von Gottfried Semper legte die Basis für den Sprung Zürichs von einer mittelalterlichen Stadt zu einer Metropole modernen Formats und bereitete das Feld für den späteren Bau der Universität, die Anlage der Rämistrasse, das Unispital und das Kunsthaus. Zürich errang mit dem Bau des Polytechnikums wenn nicht die Stellung einer Landes-, so doch diejenige einer Bildungshauptstadt. Der Öffentlichkeit wurde die Wissenschaft als Palast präsentiert und damit versucht, die Akzeptanz der Wissenschaft in der Öffentlichkeit zu fördern.

Ein kritischer Rundgang durch die ETH-Gebäude

Mit Oechslins Sammelband, der zum 150 Jahr-Jubiläum der ETH erscheint, wird dem architektonischen Erscheinungsbild der ETH auf den Zahn gefühlt. Die Bauten der ETH widerspiegeln einen wesentlichen Teil der Hochschulgeschichte und zeigen, wie prägend sie für die Stadt waren. Die architekturhistorische Publikation erschöpft sich jedoch nicht im Deskriptiven. Vielmehr wird mit einem kritischen Blick auf den Wildwuchs und die Vermeidung baulicher Akzente seit dem Ersten Weltkrieg hingewiesen. Kritisiert werden aber auch die fehlenden Linien, welche den Campus ETH Hönggerberg als neues Bildungsquartier sichtbar machen sollten. Statt sich der zunehmend zentralen Lage in „Greater Zurich“ bewusst zu werden, sei in der weiteren Planung auf dem Hönggerberg die Bildwelt der Peripherie zelebriert worden, erklärt Oechslin . Für einen Hauch von Urbanität sorgt seiner Ansicht nach bloss der VBZ-Bus, der regelmässig in den Campus hineinfährt.

Zweckorientierte Baupolitik

Die Schuld für die teilweise missliche Lage der Hochschulbauten will Oechslin allerdings nicht den Architekten alleine zuschieben. Er zieht den Kreis der Verantwortung viel weiter und findet ihn im „polytechnischen Geist“, der sich „vordringlich am Funktionieren und am blossen Zweck orientiert“ und sich um die Synthese von Form und Funktion foutiere.


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Entwickelt sich die ETH Hönggerberg als "Science City" zur städtebaulichen Goldgrube für Zürich? (Bild: ETH Zürich)

Auf der Strecke geblieben sei damit die architektonische Vermittlung der Wissenschaft an die Öffentlichkeit, wie sie in der Fassade des ETH-Hauptgebäudes so trefflich zu erkennen sei.

Von Semper lernen

Ist es möglich, den Hochschulbauten einen weiteren Impuls für das Stadtbild zu entlocken? Oechslin fordert eine verbesserte städtische Einbettung der ETH Hönggerberg. Der Campus verliere damit das „Ghetto-Syndrom“ und die Stadt gewinne von den dynamischen Hochschulbauten einen neuen städtebaulichen Impuls, ist Oechslin überzeugt. Heute ständen die Zeichen der Zeit gut. Ganz offensichtlich hätten die Architekten von Semper gelernt: Die Ziele „Rückeroberung der Öffentlichkeit“ und „Urbanisierung des Hochschulgebiets“ fänden bei Architekten heute eine breite Akzeptanz.

Masterplan für das Hochschulgebiet als Chance

Pünktlich auf das ETH-Jubiläum ist der „Masterplan Zürich Hochschulgebiet“ erstellt worden. Mit der Idee einer „Kulturmeile“ liege eine Vision vor, wie sie seit langem nicht mehr gedacht worden ist. Oechslin sieht darin eine Chance für die Stadt Zürich, ihren Ruf einer Bildungs- und Kulturstadt wie zu Sempers Zeiten zu vertreten. Im Rahmen dieses Masterplanes seien inzwischen aber auch auf dem Hönggerberg die Weichen richtig gestellt, wie Oechslin zufrieden feststellt. Statt der ländlichen Illusion zu verfallen, soll „Science City“ – wie die ETH Hönggerberg nun heissen soll – in ein urbanes Umfeld gestellt werden.

Die Bautätigkeit der Hochschulen weiter kritisch zu beobachten, scheint Oechslin gerechtfertigt. Unter dem wachsenden Kostendruck bestehe auch bei der ETH die Gefahr, die architektonischen, städtebaulichen und repräsentativen Aufgaben eines Gebäudes zu Gunsten seiner Funktion zu vernachlässigen. Aufschlussreich wäre es gewesen, wenn der Autor überdies einen Hinweis gegeben hätte, wie die Hochschule heute mit architektonischen Mitteln für mehr Akzeptanz der Wissenschaft in der Öffentlichkeit sorgen kann.


Literaturhinweise:
Oechslin, Werner (Hg.). Hochschulstadt Zürich. Bauten für die ETH 1855-2005. Zürich 2005.

Fussnoten:
(1) Die Buch- und Ausstellungsvernissage findet am Dienstag 26. April 2005 um 18.00 Uhr. ETH Zentrum, Rämistrasse 101, Eingangsgeschoss, Vortragssaal E5. Weitere Informationen unter: www.gta.arch.ethz.ch/d
(2) Siehe dazu NZZ, 19. April 2005.



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