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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 09.03.2004 06:00

Zirkulationsänderungen im Polarmeer
Den Klimaschwankungen auf der Spur

Könnten kurzfristige Klimaverschiebungen durch Zirkulationsänderungen in den polaren und subpolaren Ozeanen verursacht worden sein? Ein ETH-Geologe ist dieser Frage nachgegangen und hat dabei Mechanismen gefunden, die den atmosphärischen CO2-Gehalt und somit das globale Klima steuern.

Von Edith Oosenbrug

Langfristige Klimaveränderungen in der Vergangenheit sind schon mehrfach erforscht worden. Im Gegensatz dazu ist relativ wenig über die Mechanismen extremer und abrupter Klimaschwankungen in der früheren erdgeschichtlichen Vergangenheit bekannt. Samuel Jaccard vom Geologischen Institut der ETH Zürich (1) hat nun zusammen mit Kollegen aus Princeton und Potsdam in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift „Nature“ (2) gezeigt, dass Änderungen der Ozeanzirkulation für einen schnellen Wechsel von Warm- und Kaltzeiten verantwortlich sein könnten.

Abkühlung vor 2.7 Millionen Jahren

Ein rapider Klimaumsturz fand beispielsweise vor 2.7 Millionen Jahren statt. Innerhalb von wenigen hundert Jahren waren starke Temperatur- und Meeresspiegelschwankungen zu verzeichnen. Das Klima kühlte sich rasch ab, und es kam zu einer Vergletscherung der Nordhalbkugel. Um die Ursachen dieser Temperaturschwankungen zu erklären, hat Jaccard zusammen mit seinen Kollegen Bohrkerne von Tiefseesedimenten untersucht, die im Rahmen des internationalen „Ocean Drilling Program“ (ODP) (3) in einer Tiefe von rund 3200 Metern entnommen wurden.

Die Analysen ergaben nun, dass in den Schichten, die nach der Klimaverschiebung abgelagert wurden, fünf bis zehn Mal weniger Opal zu finden ist als in den älteren Schichten. Die Produktivität der Kieselalgen in den polaren Meeren ging offenbar massiv zurück. „Diese Situation konnten wir sowohl auf der Nord- wie auch auf der Südhalbkugel nachweisen,“ sagt Jaccard. „Das beweist, dass diese Änderung eine globale Ursache haben muss.“

Frustrulen, Skelette von Kieselalgen, unter dem Elektronenmikroskop in 625-facher Vergrösserung. Diese Diatomeenreste stammen aus Sedimentproben des Nordwestpazifiks aus dem Pliozän vor ungefähr 2.7 Mio. Jahren. Bild: Samuel Jaccard. gross


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Eisschollen auf dem südlichen Polarmeer. In Kaltzeiten bildet sich eine Süsswasserschicht auf der Meeresoberfläche, die die Durchmischung der Wassersäule verhindert. Bild: Michael Van Woert, NOAA Photo Library. gross

Gute Durchmischung in Warmzeiten

Der Rückgang der Kieselalgen ist auf Nahrungsmangel zurückzuführen, und dieser wiederum hängt mit den veränderten Strömungsverhältnissen in den Ozeanen zusammen, ist Jaccard überzeugt. In der Warmzeit ist die Wassersäule wegen der so genannten thermohalinen Zirkulation gut durchmischt: Im Atlantik wird warmes, salzreiches Wasser an der Oberfläche in den Norden transportiert. Im nördlichen Atlantik kühlt es ab und sinkt in die Tiefe.

Das schwere, salzreiche Tiefenwasser wird in den Süden zurücktransportiert und gelangt in den kalten Gewässern der Antarktis als nährstoffreiches Tiefenwasser wieder an die Oberfläche. Die Meeresoberfläche in den polaren Gebieten wird in solchen Zeiten also ausreichend mit Nährstoffen versorgt.

Deckel aus Süsswasser

In kalten Perioden ist die Durchmischung jedoch reduziert. Die Tiefseesedimente zeigen, dass die subarktischen Ozeane vor 2.7 Millionen Jahren eine stärkere Schichtung erfuhren. Da dieses Ereignis zeitlich mit dem Übergang zur Vergletscherung auf der Nordhemisphäre zusammen fällt, vermutet Jaccard, dass es einen kausalen Zusammenhang gibt. Je kälter das Wasser, desto kleiner wird der Einfluss der Temperatur auf die Dichte und umso entscheidender wird der Salzgehalt.

Mit zunehmender Abkühlung kann das Oberflächenwasser den Gradienten des Salzgehalts nicht mehr überwinden: Das leichtere Wasser sammelt sich zusammen mit dem Süsswasser aus den Niederschlägen auf der Meersoberfläche an. „Auf dem Ozean bildet sich ein 'Süsswasserdeckel', ähnlich wie ein Ölteppich, der die Durchmischung der Schichten verhindert“, vergleicht Jaccard. Dies wiederum könnte die Abkühlung beschleunigt haben: Wegen der stärkeren Schichtung gelangt weniger Kohlendioxid aus den Tiefen des Meeres in die Atmosphäre.

Erklärung von Temperaturschwankungen

Jaccard untersucht noch andere Perioden, in denen abrupte Klimaschwankungen stattfanden. Damit möchte er zeigen, dass Kohlendioxid nicht nur heute, sondern auch bei grossen Temperaturschwankungen in der Vergangenheit eine massgebende Rolle spielte. Entscheidend ist, dass sich bei Klimaänderungen jeweils gleichzeitig ähnliche Mechanismen auf der Nord- und der Südhalbkugel abspielten und dass diese Prozesse heute in gleicher Weise stattfinden. Jaccard schliesst nicht aus, dass bei steigender Globaltemperatur die Stratifizierung im Nordpazifik verschwinden könnte. Dies hätte eine positive Rückkoppelung zur Folge, da mehr CO2 in die Atmosphäre freigesetzt würde.


Fussnoten:
(1) Geologisches Institut der ETH Zürich: www.erdw.ethz.ch
(2) Sigman, D.M., Jaccard, S.L. und Haug, G.H.: Polar ocean stratification in a cold climate. In: Nature, Vol. 428, S. 59-63 (2004), 4. März 2004.
(3) „Ocean Drilling Program“ (ODP): www-odp.tamu.edu/



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