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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 01.03.2005 06:00

Tagung zum Thema “Angewandte Sporternährung”
„Sportler brauchen mehr!“

Letzten Freitag organisierte das „Swiss Forum for Sport Nutrition“(1) im AudiMax der ETH Zürich die zweite Tagung zum Thema “Angewandte Sporternährung”. (2) Vor rund 300 Zuhörenden präsentierten Forscher aus den Ernährungswissenschaften und der Medizin ihre neusten Erkenntnisse bezüglich der optimalen Ernährung im Spitzensport.

Von Jakob Lindenmeyer und Michael Schlumpf

„Sportgetränke sind eine äusserst effektive Sache!“, betonte der Ernährungs-Wissenschaftler Paolo Colombani von der Ernährungsbiologie der ETH Zürich (3) in seinem Schnellkurs für Sportler und ihre Trainer. Am Vorabend zur eigentlichen Tagung präsentierten Colombani und sein Kollege Christof Mannhart die wichtigsten wissenschaftlichen Erkenntnisse innert zwei Stunden in angewandter und unterhaltender Form. Auf kurze wissenschaftliche Fakten folgte eine mögliche Anwendung in einem für Spitzensportler optimierten Menüplan.

Organisator Paolo Colombani: „Wir Menschen sind dafür gebaut, uns zu bewegen.“ gross

Unten viel – oben wenig

Die eigentliche Tagung eröffnete Organisator Colombani mit einem Überblick über die erneuerte Schweizer Lebensmittelpyramide (Veröffentlichung im April 2005). Sie soll der breiten Bevölkerung als verständliche Leitplanke für eine sinnvolle Lebensmittelauswahl dienen. Dabei wird nicht etwa zwischen „guten“ und „schlechten“ Lebensmitteln unterschieden, sondern klare Mengenempfehlungen abgegeben, getreu dem Zitat von Paracelsus: „Alle Dinge sind Gift und nichts ohne Gift, allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“ Während also von den Früchten und Gemüsen an der Pyramidenbasis fünf mal täglich eine Handvoll konsumiert werden sollte, finden sich Süssigkeiten an der Pyramidenspitze und sollten daher nur sparsam eingenommen werden.

Die heutige Version der Schweizer Lebensmittelpyramide (siehe Bild oben rechts) wurde 1998 entwickelt und verbesserte die amerikanische Ur-Version durch die Einführung der untersten und wichtigsten Pyramiden-Ebene mit Getränken. Auf dieser Ebene gibt es nach sieben Jahren substantielle Änderungen: Statt „mindestens 1,5 Liter Flüssigkeit“ sollte man täglich neu „1-2 Liter“ trinken. Den Grund dafür erklärt Colombani wiederum mit Paracelsus: Es gebe von allem eine Maximalgrenze, auch von Wasser. Zudem sind die alkoholischen Getränke neu in die Pyramidenspitze verschoben worden, denn für Colombani ist bezüglich Alkohol ausserhalb von Mahlzeiten klar: „Jedes Mass ist ein Unmass.“

„Sportgetränke sind eine äusserst effektive Sache!“, erklärte Paolo Colombani in seinem Vortrag, und in der Pause konnten sich die Besucher gleich selbst davon überzeugen. gross

Nüsse statt Chips und Cola

Ebenfalls neu an der Spitze der Lebensmittelpyramide finden sich zuckerhaltige Limonaden und salzige Knabbereien. Während Chips und Cola sparsam konsumiert werden sollten, werden die fetthaltigen Nahrungsmittel auf einer tieferen Ebene stärker gewichtet – dies, weil die Empfehlung für den Konsum von Kohlenhydraten zurückgegangen ist. Speziell betont werden neu die Nüsse, deren gemässigter Konsum das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten reduzieren soll.


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Die bisherige Lebensmittelpyramide: Von unten viel – von oben wenig. (Bild: Schweizerische Gesellschaft für Ernährung) gross

Zuwenig Kohlenhydrate bei Sportlern

Die stärkehaltigen Nahrungsmittel finden sich etwa in der Mitte der Pyramide und enthalten neu auch Hülsenfrüchte. Trotzdem hält Colombani die offizielle Empfehlung der täglichen Kohlenhydrat-Menge speziell für inaktive Menschen für zu hoch. Bei den Sportlern hingegen ist es genau umgekehrt: Aufgrund ihrer hohen Aktivität sollten sie ihre Energiedepots täglich mit genügend Kohlenhydraten auffüllen. Doch bereits vor zwei Jahren zeigten Untersuchungen, dass 53 Prozent der Sportler und 67 Prozent der Sportlerinnen zuwenig Kohlenhydrate konsumierten.(4) Für Sportler hat Colombani die Lebensmittelpyramide unter Berücksichtigung der täglichen Trainingsdauer und –Intensität links und rechts der Ebenen erweitert. Die Nahrung setze sich für Sportler nicht grundlegend anders zusammen, aktive Menschen brauchen von allem einfach mehr, erklärte Colombani.

Die hoch raffinierten Kohlenhydrate standen während der Tagung immer wieder im Zentrum: Einerseits verteufelt als Ursache für Übergewicht und Zuckerkrankheit, anderseits gelobt als effektiver Leistungssteigerer bei Sportlern. Versuche zeigten, dass sogar lediglich das Spülen der Mundhöhle mit Sportgetränken die Leistung wesentlich verbessert, obwohl das Sportgetränk nachher wieder ausgespuckt wurde. Als Ursache vermuten die Forscher neuronale Effekte.

Faulheit macht krank

Der entscheidende Faktor für eine gute Gesundheit findet sich ausserhalb der Pyramide. Denn ohne genügend körperliche Aktivität ist es trotz optimaler Ernährung schwierig, gesund zu bleiben. Colombani fügte dem hinzu: „Physische Inaktivität ist ein Krankheitszustand.“ Das Zentrale am Stoffwechsel sei die Energiebilanz. Doch hier fehle in unserer heutigen Lebensweise häufig die Aktivität, auf die der menschliche Stoffwechsel während der letzten Jahrmillionen im Laufe der Evolution eingestellt wurde. (5) Früher gab es Zyklen von Festmahl und Hunger. Damit ein Jäger zu seinem Festmahl kam und seinen Speicher wieder auffüllen konnte, musste er muskuläre Arbeit leisten. Der Hunger trieb die Menschen darauf wieder zu Aktivität. Heute sind diese Zyklen an mehreren Stellen unterbrochen. Die Muskeln ruhen und die Speicher werden trotzdem gefüllt.

Grossandrang: Das AudiMax war durch die rund 300 Teilnehmenden gut gefüllt. gross

Bewegungsmangel, nicht Junk-Food

Hauptursache für die massive Zunahme an Übergewicht und dessen Folge-Erkrankungen in unserer heutigen Überfluss-Gesellschaft sei nicht der übermässige Konsum von Junk-Food, sondern der Bewegungsmangel, bestätigte auch der Holländer Fred Brouns in seiner Präsentation über Kohlenhydrate. Ein Radrennfahrer konsumiert während der Tour-de-France täglich rund ein Kilo hoch raffinierten Zuckers in Form von Sportgetränken und Riegeln, ohne dass sich negative Auswirkungen zeigen.

Eisen im Sport – ein heisses Eisen

German Clénin vom Sportwissenschaftlichen Institut Magglingen zeigte an verschieden Fallbeispielen, dass eine Substitution mit Eisen bei einem tatsächlichen Eisenmangel Sinn mache. Die Substitution mit Eisen bleibt jedoch auch im Spitzensport ein heisses Eisen und ist wegen der unangenehmen Nebenwirkungen wie Durchfall, Übelkeit, Erbrechen und Verstopfung bei Sportlern nicht sehr beliebt.

Die Basis für eine optimale Ernährung bildet auch bei Sportlern die neue Lebensmittelpyramide, die im April von der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE (6) veröffentlicht werden soll. Die von Colombanis Team davon abgeleitete „Sporternährungspyramide“ folgt dann im Sommer. „ETH Life“ wird berichten.


Literaturhinweise:
„ETH Life“-Interview mit Paolo Colombani: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/sporternaehrung.html

Fussnoten:
(1) Website des Swiss Forum for Sport Nutrition (SFSN): www.sfsn.ethz.ch
(2) Tagungsprogramm der 2. Tagung „Angewandte Sporternährung“: www.sfsn.ethz.ch/education/Tagung/Programm
(3) Homepage der Ernährungsbiologie der ETH Zürich: www.nb.inw.agrl.ethz.ch/
(4) „ETH Life“-Bericht zur ersten Tagung “Angewandte Sporternährung”: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/sfsn.html
(5) Nature Review Artikel: Dennis M. Bramble & Daniel E. Liebermann: Endurance running and the evolution of Homo; Nature 2004; 432: 345-352.
(6) Website der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE: www.sge-ssn.ch/ Lebensmittelpyramide unter: www.sge-ssn.ch/d/printmedien/faltblaetter_und_poster/lebensmittelpyramide/



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