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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 05.03.2001 06:00

Freiseitzungversuche
Das BUWAL hat es in der Hand

Momentan wird das Gesuch vom ETH-Forscher Christof Sautter für einen Freisetzungsversuch von gentechnisch verändertem Weizen beim Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) geprüft. Der Entscheid soll im Mai gefällt werden. – Das Bewilligungsverfahren ist komplex, was Anlass für eine Analyse der beiden letzten Entscheide über Gesuche für Freisetzungsversuche in der Schweiz gibt. Beide wurden abgelehnt.

Von Dora Fitzli

Mitte November hat Christof Sautter vom Institut für Pflanzenwissenschaften der ETH Zürich beim BUWAL ein Gesuch für einen Freisetzungsversuch von gentechnisch verändertem Weizen eingereicht. Vorgesehen ist ein kleines kontrolliertes Feldexperiment, das Sautter in der ETH-Versuchsstation Lindau-Eschikon durchführen möchte. Vor zwei Wochen informierte Sautter die Bevölkerung der Gemeinde Lindau. Sein Anliegen stiess bei Greenpeace und den anwesenden Bauern aus der Umgebung auf grosse Ablehnung (ETH Life [1] und die NZZ [2] berichteten).

Kompliziertes Bewilligungsverfahren

Zur Zeit liegt das Gesuch beim BUWAL. Der Entscheid soll im Mai gefällt werden. Das BUWAL prüft und beurteilt das Gesuch unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Bundesämter für Gesundheit, für Veterinärwesen und für Landwirtschaft (BAG, BVET und BLW), sowie der Eidgenössischen Fachkommissionen für biologische Sicherheit (EFBS), der kantonalen Fachstelle und der Ethikkommission für die Genetik im ausserhumanen Bereich (EKAH). So ist das in der „Verordnung über den Umgang mit Organismen in der Umwelt“, der „Freisetzungsverordnung“ des Bundesrates vom 25. August 1999 gesetzlich geregelt [3].

BUWAL Logo
Das BUWAL lehnte die letzten beiden Gesuche für Freisetzungsversuche von gentechnisch veränderten Pflanzen ab.

Auf den Entwurf dieser Freisetzungsverordnung stützte sich die Bundesbehörde auch schon im April 1999 bei den Entscheiden zu den beiden letzten eingereichten Gesuchen für die Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen. Beide Gesuche wurden abgelehnt. Das eine Gesuch wurde von der Firma Plüss-Staufer AG (seit August 2000 Omya AG) eingereicht, die herbizidresistenten Mais (T25 Mais) in Oftringen testen wollte. Das andere Gesuch kam von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Pflanzenbau aus Changins (RAC), die gegen Mehltau resistente Kartoffeln in einem Feldversuch untersuchen wollte.

Das BUWAL urteilte anders

Liest man die offiziellen Verfügungen des BUWAL zu den beiden Gesuchen, [4] [5] fällt auf, dass die Bundesämter für Gesundheit, für Veterinärwesen und für Landwirtschaft, sowie die extern zugezogenen Experten, die EFBS und die zuständigen kantonalen Stellen den Gesuchen mit erfüllbaren Auflagen zustimmten. Einzig das BUWAL, das vierte involvierte Bundesamt und gleichzeitig die entscheidende Bewilligungsbehörde, kam in beiden Fällen zu einer negativen Bewertung der Gesuche: Die ökologische Unbedenklichkeit sei nach dem heutigen Stand des Wissens und der Erfahrung nicht ausreichend belegt, lautete die Begründung.

Möglicherweise hat das BUWAL bei seiner Beurteilung der Gesuche der Stellungnahme der Eidgenössischen Ethikkommission für die Genetik im ausserhumanen Bereich (EKAH) [6] einen hohen Stellenwert eingeräumt, auch wenn das in der Verfügung nicht explizit zum Tragen kommt. Die Ethikkommission kam nämlich im Fall des Gesuchs der Plüss-Staufer AG zum Schluss, „dass der geplante Versuch zum jetzigen Zeitpunkt nicht bewilligt, sondern um unbestimmte Zeit verschoben werden sollte, weil die sozialen und ökologischen Auswirkungen gegenüber einem allfälligen ökonomischen Nutzen eindeutig zu hoch seien.“ Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass in die Bewertung des ökologischen Nutzens durch die Ethikkommission wiederum eine Studie des BUWAL einfloss. Zum Gesuch aus Changins verfasste die EKAH keine Stellungnahme.


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Kartoffelfeld
Kartoffelfeld. Die Eidgenössische Forschungsanstalt für Pflanzenbau (RAC) wich mit ihrem Versuch nach Frankreich aus. gross

BUWAL-Direktor Philippe Roch stellte bei der Bekanntgabe der Ablehnung der beiden Gesuche grundsätzliche Überlegungen zu Freisetzungsversuchen an [7]. Unter anderem: „Die Schweizer Landwirtschaft lebt davon, dass ihre Produkte als rein und naturnah gelten. Durch solche Gentech-Versuche wird dieses Image tangiert.“ Und weiter: „Die Politik ist hier gefordert.“

Othmar Käppeli, Leiter der vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten Fachstelle BATS (Biosicherheitsforschung und Abschätzung von Technikfolgen) bewertete den negativen Entscheid des BUWAL gegen den Mais-Freisetzungsversuch in Oftringen vor allem als einen politischen Entscheid. Das BUWAL habe die Schadenspotentiale nach anderen Gesichtspunkten als die BATS bewertet. Die Haltung der Anwohner und der Umweltorganisationen hätten eine grosse Rolle gespielt. Die BATS hingegen sei bei ihrem Gutachten zu den T25-Mais-Versuchen auf der reinen Sachebene geblieben. Die BATS kam in ihrem Gutachten zum Schluss, dass durch die Versuche kein „nicht vertretbares Risiko“ für Mensch und Umwelt entsteht.

"Die politische und die Sachebene sollen getrennt werden"

Auf die Frage, ob er die Entscheide des BUWAL nicht gutheisse, antwortete Käppeli in einem Interview im Fachmagazin BioTeCH forum [8]: „Ich bin der Meinung, dass man die politische und die Sachebene trennen sollte. Sonst wird es schwierig, eine Linie durchzuziehen. Entscheidungen erscheinen dadurch willkürlich. Und das schadet letztlich dem Ansehen der Bewilligungsbehörde. Wer soll denn noch ein Gesuch einreichen, wenn je nach politischer Stimmung mal so oder mal so entschieden wird?“

Unwillen erregten die Entscheide des BUWAL auch bei der Freisinnig-demokratischen Fraktion, die sich Anfang Juni 1999 mit einer dringlichen einfachen Anfrage an den Bundesrat wandte [9]. Eine der gestellten Fragen war: „Ist der Bundesrat nicht auch der Meinung, dass ein Freisetzungsversuch bewilligt werden soll, sofern dieser aufgrund der fachlichen Abklärung keine unverantwortbaren Risiken für Mensch und Umwelt sowie hinsichtlich der Nachhaltigkeit enthält?“ Der Bundesrat gab in seiner Antwort zu bedenken, dass gegen einen der angesprochenen Entscheide des BUWAL beim Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) Beschwerde erhoben worden sei [9]. Das Verfahren sei zurzeit hängig und der Bundesrat beantworte deshalb nur Fragen, die sich nicht auf das Verfahren bezögen. Deshalb fiel dann die Antwort auf die angesprochene Frage ziemlich knapp aus: „Mit dieser Frage wird suggeriert, die getroffenen Entscheide seien falsch, weil es keine unverantwortbaren Risiken gebe.“ Und weiter: „Dabei handelt es sich um eine Beurteilung des Entscheides, wozu sich der Bundesrat nicht äussern kann.“

Beschwerde in der Sackgasse

Auf Anfrage beim Direktor der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Landbau in Changins (RAC), André Stäubli, war zu erfahren, dass ihre Beschwerde aus formalen Gründen vom UVEK abgelehnt worden sei. Das RAC wurde nicht als eigenständige juristische Person anerkannt. Das RAC ist eine Institution des Bundesamtes für Landwirtschaft (BWL), das wiederum zum Eidgenössischen Volkswirtschaftdepartement gehört. Und damit war das Beschwerdeverfahren in eine Sackgasse gelangt. Theoretisch hätte nun das BWL die Beschwerde nochmals einreichen müssen, doch das ist juristisch nicht möglich. Ein Bundesamt kann nicht Beschwerde gegen ein anderes Bundesamt einreichen, geschweige denn gegen ein anderes Departement. Das ist problematisch, denn obwohl in der Verfügung des BUWAL ausdrücklich festgehalten ist, dass gegen den Entscheid Beschwerde erhoben werden kann, wurde das dem RAC verunmöglicht. - Nun, dem RAC bleibt wenigstens die Genugtuung, dass es mittlerweile seinen Freisetzungsversuch in Frankreich hat durchführen können.


Literaturhinweise:
1: ETH Life-Bericht vom 22. Februar 2001 über die Informationsveranstaltung in Lindau: www.ethlife.ethz.ch/tages/show/FreilandversuchStin.html
2: NZZ-Bericht vom 23. Februar 2001 über die Informationsveranstaltung in Lindau: www.nzz.ch/2001/02/23/zh/page-article77HUE.html
3: Freisetzungsverordnung: www.buwal.ch/presse/1999/pdf/d9908252.pdf
4: BUWAL-Verfügung zum Plüss-Staufer Gesuch: www.buwal.ch/stobobio/biotechnologie/registre_exp/b98001_verfuegung.pdf
5: BUWAL-Verfügung zum Gesuch aus Changins: www.buwal.ch/presse/1999/pdf/f9904166.pdf
6: Stellungnahme der EKAH zum Plüss-Staufer Gesuch: www.buwal.ch/stobobio/ekah/pdf/b98001d.pdf
7: Rede von BUWAL-Direktor Philipp Roch anlässlich der Pressekonferenz vom 16. April 1999 zu den Freisetzungsversuchen: www.buwal.ch/presse/1999/pdf/d9904165.pdf
8: Interview mit BATS-Leiter Othmar Käppeli im BioTeCH forum (4/99): www.bioweb.ch/de/dossiers/02/08
9: Dringliche einfache Anfrage zu den BUWAL-Entscheiden mit Antwort vom Bundesrat: www.parlament.ch/afs/data/d/gesch/1999/d_gesch_19991069.htm



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