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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 13.01.2003 06:00

Spezialsammlungen der ETH-Bibliothek: neu unterm selben Dach
Mehr Luft für Preziosen

Heute Montag ist es soweit: die vier Spezialsammlungen der ETH-Bibliothek öffnen sich dem Publikum jetzt gemeinsam, und zwar im lichtdurchfluteten, leicht renovierten Raum des ehemaligen Info-Centers der ETH-Bibliothek. Das neue Benutzungskonzept setzt auch atmosphärisch einen Akzent: Spezielles und Rares soll nicht nur konserviert, sondern auch konsultiert werden.

Von Norbert Staub

Die ETH-Bibliothek sitzt auf einem Schatz, dessen Existenz den durchschnittlichen Besuchern jetzt bewusster werden dürfte: Die Sammlungen Alte Drucke (vornehmlich naturwissenschaftlichen Inhalts), ETH-Archiv, Bildarchiv und Kartensammlung haben seit heute Montag einen neuen gemeinsamen Lesesaal im Herzen der Bibliothek. Bis vor kurzem befand sich hier das Info-Center der ETH-Bibliothek. Nur zu verständlich also, wenn künftig vermehrt „Normalsterbliche“ unter den Bücherfreunden ihren Weg dorthin finden.

Kein Museum

Das ist durchaus Absicht. Denn die Spezialsammlungen verstehen sich wie das übrige Bibliotheksangebot als klar benutzer- und serviceorientiert und nicht als musealer Betrieb, trotz der von ihnen gehüteten Kostbarkeiten . „Die Zeiten, als Benutzerinnen und Benutzer als Störenfriede angesehen wurden, gehören der Vergangenheit an“, sagt Rudolf Mumenthaler, (40), von Haus aus Historiker und Leiter der Spezialsammlungen. „Die ETH stand immer schon auf dem Standpunkt, dass auch Wertvolles benutzt werden soll. Eine Sammlung, die nicht genutzt wird, lebt nicht“, meint Mumenthaler. Die Spezialsammlungen der ETH-Bibliothek haben zudem einen expliziten öffentlichen Auftrag.

Nur unter Aufsicht zu geniessen: Ein Prachtband aus der Sammlung „Alte Drucke“: Petrus Apianus’ Astronomicum Caesareum, gedruckt im Jahr 1540. gross

Die Raumlösung lässt jetzt spüren, was organisatorisch schon seit 1999 Realität ist. Die vier bis dahin getrennten Spezialsammlungen wurden damals zu einem eigenen Bereich zusammengeführt. An den Spezialsammlungen Interessierte werden neu an ein und demselben Schalter in Empfang genommen. Hier erfolgen auch Ausgabe und allgemeine Beratung zu den bereitgestellten Dokumenten. Tauchen Fragen auf, die spezifisches Fachwissen erfordern, ist für jede Teilsammlung eine Person auf Pikett. „Dieses zweistufige Konzept hat sich an amerikanischen Institutionen gut bewährt“, so Rudolf Mumenthaler.

Zwischen Service und Sicherheit

Die dadurch erhoffte Synergie wird an die Benutzenden weitergegeben. „Wir können im Vergleich zu früher erheblich längere Öffnungszeiten anbieten, und zwar täglich von 9 bis 18 Uhr“, so Mumenthaler. Und das ohne zusätzliche Ressourcen. „Dies wird höhere Ansprüche an unsere Mitarbeitenden stellen“, ist sich der Leiter der Spezialsammlungen bewusst. Wenn nun in einem Raum seltene Dokumente aus vier Sammlungen konsultiert und gleichzeitig elektronische Recherchen getätigt werden, ist vom Personal besondere Wachsamkeit gefragt. „Der Umgang mit raren Medien war aber schon immer ein Spagat zwischen Service und Sicherheit“.


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Neuer Raum für Altes und Rares: Rudolf Mumenthaler im Lesesaal der Spezialsammlungen kurz vor der Eröffnung. gross

Im Jahr 2001 verzeichneten die Spezialsammlungen zusammen 3'500 Besucherinnen und Besucher - plus die schriftlichen und telefonischen Anfragen.

Bücher des 19. Jahrhunderts: jetzt wirklich „alt“

Mehr Betrieb wird sich wohl ohnehin einstellen: Denn neu wurden der Sammlung Alte Drucke aus der ETH-Bibliothek die 35'000 Monographien aus dem 19. Jahrhundert zugeordnet. Damit können diese nur noch an Ort und Stelle konsultiert und nicht mehr nach Hause genommen werden. „Dokumente aus dem 19. Jahrhundert waren an der ETH bisher nicht besonders geschützt. Die internationalen Fachgremien empfehlen dies aber nachdrücklich“, sagt Rudolf Mumenthaler. Nicht zuletzt wegen des damals beginnenden Einsatzes von industriell hergestelltem Papier. Der dabei verwendete Holzschliff wird im Lauf der Zeit sauer, und das Paper zerfällt. Heute wird versucht, diesen Prozess mittels eines aufwendigen Entsäuerungsverfahrens zu stoppen. An der ETH wird dem mit einer breit angelegten Sicherheitsverfilmung dieser Bücher Rechnung getragen.

Da zeigt gerade der Blick in den Fundus der Spezialsammlung Alte Drucke die Überlegenheit des noch Älteren in Sachen Haltbarkeit. Zu den Preziosen dieser Sammlung gehören die Erstausgaben der Werke von Giganten der Naturwissenschaften: Nikolaus Kopernikus, Johannes Kepler, Galileo Galilei und Isaac Newton. Dessen "Principia" erschienen 1687 in einer Auflage von nur 250 Exemplaren. Die ETH-Bibliothek kann eines dieser äusserst wertvollen Exemplare ihr eigen nennen. Besichtigt werden dürfen Bücher dieser Klasse allerdings nur im eigens dafür erstellten, verglasten „Preziosenzimmer“, und dies nur unter Aufsicht. Kein Wunder: ihr Wert kann sich bis auf mehrere Hunderttausend Franken belaufen.

Ein Fundus für historisch Interessierte

Lang ist’s her, seit Rudolf Wolf Mitte des 19. Jahrhunderts den Nukleus zu den Spezialsammlungen angelegt hat. Der Astronomieprofessor und erste ETH-Bibliothekar hatte quasi als Hobby Klassiker der Wissenschaftsgeschichte gesammelt und diese der Bibliothek vermacht. Heute stehen vier wahre Paradiese zur Verfügung, wo historisch Interessierte aus dem Vollen schöpfen können. Sie bilden zudem die Basis für die regelmässigen wissenschaftshistorischen Ausstellungen der Bibliothek.

Das Bildarchiv beispielsweise, bekannt für seine Porträt- und Ansichtensammlung, ist vor kurzem mit der Übernahme des Archivs der Bildagentur Comet auf einen Schlag um ca. 1 Million Bilder zum Thema Schweiz reicher geworden. Die Kartensammlung ist mit ihrem Bestand von 300'000 die grösste der Schweiz, und das ETH-Archiv verwaltet die Hinterlassenschaft von ETH-Professoren, aber auch Unverhofftes wie einen über Umwege an die ETH gelangten Hermann-Hesse-Bestand. Ein grandioses Highlight bildet hier der Nachlass des grossen Psychologen C.G. Jung, der unter anderem an der ETH gewirkt hat. Er umfasst gut 30'000 Briefe und 1'000 Originalmanuskripte.


Literaturhinweise:
www.ethbib.ethz.ch/about/spezialsammlungen.html



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