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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 14.10.2003 06:00

Elektrotechnik-Studenten zeigen Unterschiede zwischen Uni und ETH auf
ETH-Studis: Kaum Zeit für Nebenerwerb

"Nebenerwerbstätigkeit" – das war das Schlüsselwort für eine Gruppenarbeit sechstsemestriger Studenten der Elektrotechnik im Nichttechnik-Fach Mensch-Technik-Umwelt (MTU). Sie gingen in der Studie "Arbeit während des Studiums" der Frage nach, ob der Eindruck stimmt, dass Uni-Studierende während des Studiums leichter einem Erwerb nachgehen können als ETH-Studierende. Diese Vermutung wird mit dem Resultat der Arbeit belegt und begründet.

Von Regina Schwendener

Wie kommen Elektrotechnik-Studierende überhaupt dazu, ein sozialwissenschaftliches Thema zum Inhalt einer Semesterarbeit werden zu lassen? - Die Elektrotechnik-Studenten Bryn Lloyd, Roger Fischer und Roger Kaspar belegten zwei Semester das Wahlpflichtfach Mensch-Technik-Umwelt, das bereits seit den siebziger Jahren zum Hauptstudium am Departement ITET gehört. Sie erklären: "Der ETH Zürich wird teilweise vorgeworfen, dass sie ihre Ausbildung zu stark auf das Technische ausrichtet. Um dem gegenzusteuern, schreibt das Departement Informationstechnologie und Elektrotechnik vor, dass wir im Laufe unserer Ausbildung einmal innerhalb einer Gruppe eine Arbeit schreiben, die nichts mit unserem angestammten Gebiet (der Elektrotechnik) zu tun hat. Im Rahmen einer solchen Gruppenarbeit ist die vorliegende Arbeit entstanden."

Neugierde verhilft zu neuem Thema

Die Studierenden setzten beim vorgeschlagenen Thema "Teilzeitarbeit" an, spannten den Bogen, neugierig geworden, aber weiter und landeten beim Brainstorming im von ihnen selbst ausgewählten Themenkreis: Sie suchten – betreut durch Professor Ivars Udris vom Institut für Arbeitspsychologie – Antworten auf die Frage, weshalb viele ihrer Freunde an der Universität neben dem Studium einem geregelten Erwerb nachgehen, währenddessen die meisten ihrer Mitstudierenden an der ETH ihre ganze Arbeits- und Schaffenskraft ungeteilt dem Studium zukommen lassen. Dem Warum kamen sie laut erarbeitetem Konzept mit den folgenden Fragestellungen auf der Spur: Sind die Unterschiede nur im persönlichen Umfeld vorhanden, oder gibt es allgemein Unterschiede zwischen dem Verhalten der Studierenden an der Universität und der ETH? Wie sind allfällige Unterschiede zu erklären? Weshalb gehen Studierende einem Nebenerwerb nach, oder weshalb tun sie dies nicht? Welche Auswirkungen hat der Nebenerwerb auf das Studium?

Deutlicher Unterschied erkennbar

Über 2700 Studierende verschiedener Studienrichtungen der ETH und der Uni Zürich – Biologie und Mathematik (Uni und ETH), Geschichte und Psychologie (nur Uni) - erhielten per E-Mail einen Fragebogen zugeschickt. Über 700 Frauen und Männer (26 Prozent) beteiligten sich an der Umfrage unter dem Titel "Arbeit während des Studiums – Motive, Gründe, Erfahrungen" (http://people.ee.ethz.ch/~kasparr/mtu/overview.htm).

Als Ergebnis dieser Studie resultiert ein direkter Vergleich zwischen den an Uni und ETH gelehrten Fächern Biologie und Mathematik: Die meisten Studierenden an der Uni kommen durch einen Nebenerwerb für ihren Lebensunterhalt selbst auf, während der strukturierte Schulbetrieb an der ETH dafür wenig Zeit lässt. Dafür beenden ETH-Studierende ihr Studium eher in der Regelzeit als Uni-Studierende. Sind Uni-Studierende fleissiger als ihre Kolleginnen und Kollegen an der ETH, weil sie Studium und Nebenerwerbstätigkeit unter einen Hut bringen? Die Antwort lautet nicht einfach :"Ja."

Professor Udris ist vom engagierten Einsatz und dem Ergebnis der Arbeit der Studentengruppe sehr angetan. Sie gehe über den Rahmen üblicher Semesterarbeiten in einem technischen Fach hinaus. Die Ergebnisse seien zwar nicht repräsentativ, meint er relativierend; sie seien aber widerspruchsfrei und aussagekräftig, weil sie statistisch getestet kein Zufallresultat wären. Zudem, so Udris, bestätigten die Ergebnisse grösstenteils die bisherigen Erfahrungen: In den ausgewählten Departementen ist ein deutlicher Unterschied zwischen ETH und Uni erkennbar. An der Uni sind 90 Prozent der Studierenden im Laufe des letzten Jahres einer Arbeit nachgegangen, an der ETH waren es nur 68 Prozent. "Eindrücklicher werden die Unterschiede, wenn man sich vor Augen führt, wie viel die Studierenden arbeiten. An der ETH sind Stellen mit unter 20 Prozent die Regel, an der Uni arbeiten mehr als zwei Drittel der Studierenden mehr als 20 Prozent", resümiert die Gruppe.


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Professor Ivars Udris (Mitte) ist mit der Semesterarbeit von Bryn Lloyd (links) und Roger Kaspar (rechts) sehr zufrieden. Roger Fischer, der Dritte der Studentengruppe, ist zu einem Austauschjahr nach Schweden abgereist. gross

Erwähnenswert sei, dass die an der Studie Teilnehmenden nur selten angegeben haben, dass sie nicht arbeiten, weil sie keine Stelle finden. Trotz der schwierigen Wirtschaftslage gelinge es anscheinend den Studierenden, eine Arbeitsstelle zu finden, stellen die Elektrotechnikstudenten fest.

Uni: Mehr Zeit und Freiheit

Es gibt laut Studie zwei wesentliche Gründe für die Unterschiede: Zum einen erlaubt das Studium an der Uni den Frauen und Männern mehr Zeit und Freiheiten. Die Studierenden an der Uni schätzen ihr Studium als flexibler ein und haben deshalb eher Zeit, einem Nebenerwerb nachzugehen. Im Gegensatz dazu geben die Studierenden der ETH an, dass ihr Studium stark strukturiert ist und ihnen wenige Freiheiten lässt. Sie klagen eher darüber, dass ihnen ihr Studium keine Zeit für einen Erwerb lässt. Zum anderen entspricht der Lebensstil der Uni-Studierenden mehrheitlich dem Rollenbild der Erwachsenen. Sie kommen meist selbst für ihren Lebensunterhalt auf, sie leben eher in einer Partnerschaft und sie sind im Durchschnitt älter als die ETH-Studierenden, welche mehr Zeit für ihre Ausbildung aufwenden, im Grunde die Rolle des Schülers besetzen, für deren Unterhalt meistens die Eltern aufkommen und die meist jünger als 25 Jahre alt sind.

Die Gründe für einen Nebenerwerb seien meist finanzieller Natur. Kontakte zu knüpfen und sich eine Stelle nach dem Studium zu sichern, spielen als Grund für einen Erwerb nur eine untergeordnete Rolle. Dagegen ist es vielen Studierenden wichtig, Erfahrungen im Beruf zu finden. Sie halten im übrigen die Auswirkung des Nebenerwerbs für nicht allzu folgenschwer. Nur eine Minderheit der Befragten gab an, dass sie deshalb Vorlesungen versäumen muss. Die meisten Umfrageteilnehmenden befürchten auch nicht, dass die Studiendauer durch den Nebenerwerb verlängert wird, und fast gar niemand gab an, dass das Studium wegen des Erwerbs zur Nebensache geworden ist – so weitere Aussagen der Studie. Dem grössten Teil der Studierenden scheine das Studium wichtiger als der Erwerb zu sein, schliessen Lloyd, Fischer und Kaspar aus den Antworten.

Ein Fazit mit klarer Aussage

Die Studentengruppe hält unter dem Strich fest: Den Studierenden stehen in Zürich zwei unterschiedliche Bildungsinstitutionen mit unterschiedlichen Schwerpunkten zur Verfügung. Die ETH achtet auf einen geregelten Studienablauf, mit stark strukturierten Studiengängen, was dazu führt, dass der zeitliche Aufwand für die Studierenden bei verhältnismässig kurzer Ausbildungszeit gross ist. Die Universität lässt den Studierenden grössere Freiheiten bei der Gestaltung des Studiums. Sie haben weniger obligatorische Vorlesungen und einen geringeren zeitlichen Aufwand pro Woche, was wiederum dazu führt, dass die Studiendauer eher verlängert wird.

Die unterschiedlichen Studienangebote führen auch zu Unterschieden in der Studentenschaft. Junge, männliche Studierende, deren Ausbildung von den Eltern bezahlt wird, wählen eher die ETH, ältere Studierende, die selbst für ihren Unterhalt sorgen müssen, eher die Universität. Werden aus dem Resultat der Studie Konsequenzen gezogen? Ivars Udris meint, dass zu überlegen wäre, mit anderer Teilfragenstellung durch andere Studiengänge weiter zu arbeiten. Konsequenzen könnten aus der Studie seiner Meinung nach zum Beispiel insofern gezogen werden, dass die Bildungspolitiker das Stipendien- und Darlehenswesen einmal genauer unter die Lupe nähmen, dass die Sozialwissenschaften stärkeres Gewicht im Studium an der ETH bekämen. – Der Psychologe Ivars Udris hat an einer Technischen Universität studiert. Er würde jedoch heute wegen der akademischen Vielfalt und Freiheit lieber an einer Uni studieren. "Man ist dort weniger Einzelkämpfer."




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