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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 07.06.2006 06:00

Keine Kurzzeiteffekte, allfällige Langzeitwirkung bleibt offen
Entwarnung bei UMTS-Strahlung

Die mit Spannung erwartete Schweizer Studie zu den Auswirkungen von Handy-Antennenstrahlung zeigt, dass zumindest die kurzzeitige Exposition bei UMTS-Strahlung keinen Einfluss auf das Wohlbefinden des Menschen hat. Damit werden die Ergebnisse einer niederländischen Studie vom Jahr 2003 korrigiert. An der Untersuchung haben sich auch ETH-Forscher beteiligt. Am Dienstag wurden die Resultate an der Uni Zürich den zahlreich erschienenen Medien präsentiert.

Norbert Staub

Die Studie entstand im Auftrag der an der ETH ansässigen Forschungsstiftung Mobilkommunikation (FSM).(1) Die dafür nötigen Mittel in der Höhe von 723'000 Franken wurden von schweizerischen und niederländischen Behörden (60 Prozent) sowie von der Mobilfunkindustrie aufgebracht (40 Prozent). Trotz dieser partiell interessengebundenen Finanzierung sei die Untersuchung in absoluter Unabhängigkeit durchgeführt worden, betonte Gregor Dürrenberger, Geschäftsführer der FSM an der Medienkonferenz. So sei vertraglich geregelt gewesen, dass die Forschungsstiftung und die Geldgeber bis zur Publikation der Ergebnisse keine Einsicht in Forschungsdesign, -antrag und -verlauf erhalten. Erschienen ist die Untersuchung am Dienstag im Journal „Environmental Health Perspectives“.(2)

Anstoss zur Untersuchung hatten die Ergebnisse der TNO-Studie von 2003 gegeben.(3) Diese besagten, dass UMTS-Strahlung bei Testpersonen zu einer Verschlechterung des Wohlbefindens führe. Die Fachwelt war erstaunt über den Befund. In der Öffentlichkeit und bei gegenüber der Handystrahlung kritisch eingestellten Bürgerinitiativen fand die TNO-Studie erwartungsgemäss ein starkes Echo.

Zweifel an Robustheit der Daten

Wie robust die Daten der TNO-Studie sind, wurde allerdings von Anfang an kontrovers diskutiert. Die FSM setzte sich deshalb frühzeitig für eine Wiederholung der Studie ein. Im Fokus stand die Frage, ob sich der überraschende Befund in Bezug auf UMTS-Signale reproduzieren lässt. 2004 konnte der Startschuss für eine Schweizer Nachfolgestudie gegeben werden, an der auch die niederländischen Behörden Interesse hatten. Durchgeführt wurde sie von einem Konsortium bestehend aus Peter Achermann vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Uni Zürich, Niels Kuster, ETH-Elektrotechnik-Professor und Direktor der Forschungsstiftung für Informationstechnologie und Gesellschaft (IT’IS) sowie Martin Röösli vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Uni Bern.

„Unsere Ergebnisse können die die Resultate der TNO-Studie nicht bestätigen“, fasste Studienleiter Peter Achermann an der Medienkonferenz zusammen. Insgesamt sind 117 Personen UMTS-Strahlung ausgesetzt worden. 33 davon hatten sich zuvor als elektrosensibel deklariert, 84 als nicht-elektrosensibel; in der TNO-Studie waren es insgesamt nur 48 Personen. Die Testpersonen im Alter zwischen 20 und 60 Jahren wurden im Abstand von einer Woche zwei Feldstärkegraden exponiert, die einer UMTS-Antenne entspricht: Einem Volt pro Meter und 10 Volt pro Meter. Jede Person durchlief zwei 45-minütige Tests und einen dritten ohne Strahlung als Kontrollbedingung.

Handy bestrahlt den Organismus viel stärker

Die Auswertung der während der Tests ausgefüllten Fragebogen zum Wohlbefinden ergaben im Vergleich zur Kontrollbedingung keine Veränderung mit Bezug auf die Strahlungsstärke. Unabhängig von der Feldstärke gaben jedoch elektrosensible Personen mehr Symptome an. Zudem so Achermann, seien die Versuchspersonen nicht in der Lage gewesen, UMTS-Felder wahrzunehmen. Auch hier schätzten elektrosensible Personen die Feldbedingung generell als intensiver ein – allerdings ohne Konnex zur tatsächlich vorliegenden Feldstärke.


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An der TNO-Nachfolgestudie zur Mobilfunkstrahlung haben Gregor Dürrenberger von der Forschungsstiftung Mobilkommunikation (l.) als Koordinator und ETH-Professor Niels Kuster als Autor mitgewirkt. gross

Dasselbe Bild bei der Überprüfung der kognitiven Fähigkeiten: Auch hier konnte kein konsistenter Einfluss der UMTS-Strahlung nachgewiesen werden. Weiter ergaben die Untersuchungen, dass der Höchstwert der Strahlungsabsorption im Gehirn bei 10 Volt pro Meter etwa hundert Mal unter dem international empfohlenen Genzwert liegt. Dies wiederum sei hundert Mal weniger als beim Gebrauch eines Handys. Niels Kuster illustrierte das Strahlungsverhältnis zwischen Handy und Antenne so: Die Belastung von 24 Stunden ununterbrochener Strahlung durch eine Antenne entspricht zwei Sekunden Telefonieren mit einem Handy: "Das reicht gerade, um hallo zu sagen."

Heisst das also, dass die UMTS-Strahlung von Antennen völlig unbedenklich ist? Nein. Die Autoren geben zu bedenken, dass die Studie nur die kurzfristigen Effekte eines UMTS-Antennensignals auf Wohlbefinden und Denkleistung überprüft habe. Für Aussagen über das Gesundheitsrisiko durch UMTS-Handys oder duch eine chronische Bestrahlung – etwa wenn in unmittelbarer Nachbarschaft einer Antenne gelebt wird – könne mit dieser Studie nichts ausgesagt werden. Aufschluss darüber dürfte unter anderem das kürzlich lancierte nationale Forschungsprogramm 57 "Nichtionisierende Strahlung – Umwelt und Gesundheit" geben.(4)

Bund setzt auf Forschung und Vorsorge

Die Mobilfunkbetreiber Swisscom Mobile, Orange und Sunrise erwarten aufgrund der Studie nun, dass " die Blockaden bei der Bewilligung von Sendeanlagen beseitigt werden", wie Michael Burkhardt vom Branchenverband der Telecom-Anbieter sagte. Jürg Baumann vom Bundesamt für Umwelt meinte stellvertretend auch für die Bundesämter für Gesundheit und Kommunikation, dass die Studie die von einzelnen Gemeinden in der Schweiz verhängten Moratorien für UMTS-Antennen als unbegründet erscheinen lassen.

Neben dem NFP 57 und weiterer internationaler Forschung setze der Bund auf das Vorsorgesystem mit wissenschaftlichen Immissionsgrenzwerten und den weit strengeren Anlagegrenzwerten. Letztere gelten für Orte, wo Menschen sich lange Zeit aufhalten. Für UMTS-Strahlung von Antennen beträgt dieser Grenzwert 6 Volt pro Meter. Er ist damit zehnmal strenger als der Immissionsgrenzwert.

Die Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz halten gemäss einer Mitteilung vom Dienstag nach wie vor an ihrer Forderung nach einem Moratorium für den Weiterausbau des Mobilfunknetzes fest. Es seien gesundheitliche Probleme aufgrund von Langzeitbelastungen durch Mobilfunkantennen zu befürchten, lautete die Begründung.


Literaturhinweise:
Forschungsstiftung Mobilkommunikation: www.mobile-research.ethz.ch
Forschungsstiftung für Informationstechnologie und Gesellschaft: www.itis.ethz.ch

Fussnoten:
(1) Siehe dazu auch die „ETH Life“-Berichte „Wohlwollende Vernachlässigung“ vom 21.November 2003: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/elektro_handy.html sowie „Ein weites (Frequenz-) Feld vom 18. Februar 2003: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/emc_03.htm
(2) Link zur Studie in der aktuellen Ausgabe des Open-Access-Journals “Environmental Health Perspectives”: www.ehponline.org/docs/2006/8934/abstract.html
(3) TNO steht für „The Netherlands Organisation for Applied Scientific Research“
(4) Vergleiche dazu die „ETH Life“-News „Strahlungsrisiken unter der Lupe“ vom 13. Dezember 2005: www.ethlife.ethz.ch/articles/news/nfp57.html



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