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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 30.10.2002 06:00

“Visionäre" Diskussionsrunde der UMNW-Alumni zur Umweltpolitik
Klares Ziel - steiniger Weg

"Wer löst die Umweltprobleme des 21. Jahrhunderts?" - Das Thema der diesjährigen Fachveranstaltung der Umweltwissenschaften-Alumni lockte vergangene Woche ein grosses Publikum ins AudiMax der ETH. Eine kontroverse Diskussion versprachen ausgewiesene Fachleute aus Behörden, Wissenschaft, Wirtschaft und NGOs.

Von Ariane Schaffer

Markus Sorg vom Vorstand der Umwelt-Alumni stellte der Diskussion vom letzten Donnerstag eine bewusst zugespitzte Aussage voran: “Einzelkämpferische Massnahmen, zwar unbestritten von grossem Wert, sind letztlich nicht das geeignete Mittel, die globale Umweltproblematik in den Griff zu bekommen. Es braucht eine institutionelle Verantwortung”. Das Publikum durfte gespannt sein.

"Sauberes" Verhalten muss rentieren

Was könnte Unternehmen zu umweltgerechterem Handeln veranlassen? Der Ökonom Aymo Brunetti, Leiter Wirtschaftspolitische Grundlagen des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco), brachte es sehr pragmatisch auf den Punkt: ”Etwas zynisch gesagt, werden Firmen dann umweltschonende Produkte herstellen, wenn es sich für sie lohnt.“ Es kristallisierte sich heraus, dass dies einerseits über die Nachfrage nach saubereren Produkten oder über gesetzliche Rahmenbedingungen, die es unrentabel machen, umweltschädigend zu produzieren, geschieht. Auch der Faktor Reputation spiele heute eine wichtige Rolle.”Ein renommiertes Unternehmen kann sich heute ‘Dreckschleudern’ schlicht nicht mehr leisten”, so Brunettis Resumé.

CS-Vertreter für CO2-Abgabe

Einen Schritt weiter ging Patrik Burri, studierter Umweltnaturwissenschaftler und tätig im Bereich Umweltmanagement der Credit Suisse Group. Burri empfahl zur längerfristigen Sicherung von Nachhaltigkeit eine Abkehr von der Humankapitalbesteuerung hin zur Ressourcenbesteuerung. ”Letztlich kommen wir um Massnahmen wie die CO2- Abgabe nicht umhin. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung”. Ob er allerdings dem Aufruf des Moderators Daniel Wiener Folge leisten wird, das Sponsoring der nächsten Abstimmungskampagne für die ökologische Steuerreform von der NGO-Vertreterin Miriam Behrens (Pro Natura) zu übernehmen, blieb unklar.

Einig über die Pflicht, umzudenken

Dass aber ein Umdenken bezüglich des Ressourcenverbrauchs nötig ist, mochte niemand ernsthaft bezweifeln. Auch in der Stossrichtung waren sich die Podiumsteilnehmer überraschend einig: man will weg von einem rein am Gewinn definierten Wirtschaftswachstum, hin zu Wachstum, das auch Werte wie Sozialverträglichkeit, Humankapital oder ökologische Anforderungen berücksichtigt, hin auch zu längerfristig stabilen Wirtschaftsystemen. In diesem Sinne äusserte sich auch André Schneider, Direktor beim World Economic Forum (WEF): ”Pure gewinnorientierte Strategie kann keine dauerhafte Strategie sein. Dem Wunsch, immer schneller, immer mehr Geld zu verdienen, haben sich klare Limiten gezeigt”.

Bei Miriam Behrens lösten solche Voten Zufriedenheit aus - die Pro-Natura-Vertreterin war dennoch überrascht über den allgemeinen Konsens. “Das ist eigentlich das, was wir auch immer schon gesagt haben. Das Bruttosozialprodukt ist nicht geeignet, um eine nachhaltige Entwicklung des Wohlstandes zu messen. Das Ökosozialprodukt wird immer wieder diskutiert.


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Pures Gewinnstreben stösst an Grenzen: Über Strategien, dem Umweltdenken in Wirtschaft und Gesellschaft zum Durchbruch zu verhelfen, diskutierten an der ETH (v.l.n.r.): Patrik Burri (CS), Miriam Behrens (Pro Natura), Aymo Brunetti (seco), Irmi Seidl (WSL), André Schneider (WEF) und Georg Wüest (Geberit). gross

Wichtig ist vor allem, dass Kostenwahrheit eingeführt wird”. Am schlimmsten sei es im Transportbereich. “Es geht einfach nicht an, dass ein australischer Wein billiger ist als ein schweizerischer”.

Absage an "globale Bestrafung"

Laut Irmi Seidl, Umweltökonomin an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, hat die Liberalisierung der Kapitalmärkte in den 90er Jahren zu einem Wettlauf der Firmen geführt. “Wir müssen hier, bei den internationalen Finanzmärkten, ansetzen”: Ökonomische Instrumente seien ein Muss, um die ökologische Wahrheit abbilden zu können. “Nur so können sich andere Allokationsentscheide herausbilden.” Gerade aber die Forderung nach einer Regulierung von Konzernen und Kapitalmärkten ging dann André Schneider, als Vertreter der wirtschaftlichen Interessen des WEF, doch zu weit. “Unsere Mitglieder, also die 1’000 grössten Firmen dieser Welt, empfinden solche Massnahmen als globale Bestrafung”, so Schneider. “Ich sehe meine Aufgabe in erster Linie darin, unsere Mitglieder für eine erste Stufe der Selbstregulierung zu gewinnen”. Dieser Ansatz mochte bestechend klingen, keiner der anderen Gesprächsteilnehmer glaubte jedoch, dass freiwillige Einschränkungen den Erfolg bringen. Vermehrte staatliche Regulation über ökonomische Instrumente bei gleichzeitig - je nach Position - freierem oder limitierterem Markt: Eher dies scheint die Devise der Zunkunft zu sein. Die grosse Schwierigkeit bestehe allerdings darin, dass der internationale Regulator fehlt. Deshalb seien Initiativen wie das Kyoto-Protokoll besonders wichtig.

Was will die Wirtschaft?

“Think global - act local”: Für dieses alte Dogma mochte sich denn auch niemand mehr stark machen. Nicht nur, weil Umweltprobleme an Grenzen nicht Halt machen, sondern auf Seiten der Wirtschaft auch aus Angst vor dem Gespenst des nationalen Alleingangs und dem daraus entstehenden Wettbewerbsnachteil. Georg Wüest hat als Leiter des Umweltmanagements bei der GEBERIT langjährige Industrieerfahrung. Ihm sind die Bedenken wirtschaftsnaher Kreise allerdings oft auch recht fremd: “Die CO2-Abgabe ist eine Lenkungsabgabe; sie wird der Wirtschaft zurückerstattet und geht nicht an den Staat.” Je nach Energielage des Unternehmens hätte es ja auch Gewinner gegeben. Dennoch sei die Vorlage heftig bekämpft worden: ”Das liegt am Denken!” so Wüests Diagnose.

Dem konnte sich André Schneider vom WEF nicht anschliessen. In seinem Plädoyer warb er nochmals für einen freieren Markt. So würden auch Entwicklungsländer gewinnen. Wie er den massiv subventionierten Agrarmarkt anprangerte und vielleicht auch auch jenen des Transportbereiches mit einschloss, legte nahe, dass auch der von Miriam Behrens bedauerte Schweizer Wein wieder eine Chance bekommen soll.


Literaturhinweise:
http://www.umweltalumni.ethz.ch/



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