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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 16.10.2002 06:00

Symposium "Moderne Methoden und Konzepte im Wasserbau"
Bändigung der Naturgewalt

Wasser als enfesselte Naturgewalt ist in der Schweiz ein aktuelles Thema. Das zeigen die Hochwasser, die im Sommer 2002 in weiten Teilen Mitteleuropas massive Schäden angerichtet haben. Die entsprechenden Kosten sind in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. Ein ETH-Symposium beschäftigte sich mit aktuellen Trends beim Hochwasser-Schutz.

Von Nana Pernod

Die durch Hochwasser verursachte Schadenssumme ist im Zunehmen begriffen, aber gleichzeitig ist das Risiko für den Menschen gesunken. Die hohen Versicherungssummen sind darauf zurückzuführen, dass der private materielle Besitz der Menschen in unseren Breitengraden ebenfalls stark gewachsen ist. Gottfried Valentin, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Versuchanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie der ETH(1) erklärte gegenüber ETH Life aus der Sicht eines Ingenieurs anlässlich des Symposiums "Moderne Methoden und Konzepte im Wasserbau"(2), was sich im letzten Jahrhundert im Rahmen des Hochwasserschutzes geändert habe.

Sicherheit: wertvolles Gut

"Vor 100 Jahren hatten die Ingenieure ganz andere Werte, mit denen sie arbeiteten. Das Auftreten eines Ingenieurs vor einem Auftraggeber war immer sicher. Er konnte eine hundertprozentige Sicherheit seiner Berechnungen versprechen. Das hing eng mit dem damaligen Sicherheitsdenken zusammen", sagte Valentin. Die Kommunikation mit den Politikern war einfach, denn: sie bekamen das zu hören, was sie gegen aussen gut vertreten konnten: das wertvolle Gut Sicherheit. Heute sei das ganz anders: "Eine hundertprozentige Sicherheit können wir nicht versprechen. Zu viele Fallbeispiele der letzen Jahre zeigen, dass dies unmöglich ist." Es sei schwierig für die Politiker, dem Volk klar machen zu müssen, dass sich eine Investition trotz des verbleibenden Risikos lohnt. Wegen der zahlreichen Hochwasserkatastrophen der jüngsten Zeit seien Wirtschaft und Staat jedoch meistens bereit, Hochwasserschutzprojekte zu unterstützen.

Ein mögliches Hochwasserszenario: Strasse unter Wasser gross

Die Allgemeinheit zahlt

Eine weitere wichtige Veränderung der letzten 100 Jahre sei, so Valentin, die Schadenbilanz. Mit dem Anstieg des Privatbesitzes seien auch die Versicherungssummen gewachsen. Trotzdem versuche man überall zu sparen. "Der heutige Immobilienerwerber spart zum Beispiel am Baugrund. Dieser befindet sich in einem dichtbesiedelten Land wie der Schweiz oft an Bahnlinien, Autobahnen oder an Flüssen." So könne der Besitzer plötzlich von unerwarteten Ereignissen überrascht werden. "Dann zahlt sich das günstigere Bauland nicht mehr aus", so Valentin. Oder es wird die öffentliche Hand angezapft, um Korrekturen eines günstigen Baulandes in die Wege zu leiten. Ein Beispiel hierfür sei der Lärmschutz.

Erst nachdem ein Privatbesitzer an einer Autobahn eine Immobilie erworben hat, gründet er ein Initiativkomitee für den Bau von Lärmschutzwänden, welche dann die öffentliche Hand finanzieren solle. "Was der Einzelne einspart, darf die Allgemeinheit zahlen", schlussfolgerte Valentin.


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ETH-Professor und Delegierter SEP Albert Waldvogel sprach in der Einführung zum Symposium über "Die Vorhersage unvorhersagbarer Ereignisse" gross

Naturereignisse wie Börsenkurse

Das Erkennen der Regeln in unkontrollierbaren Szenarien stellt hohe Anforderungen an jene Fachpersonen, die sich mit der Abschätzung des Risikopotentials auseinandersetzen. Albert Waldvogel, ETH-Delegierter für die Strategischen Erfolgspositionen (SEP) sprach in der Einführung zum Symposium über die Vorhersage unvorhersagbarer Ereignisse. Naturkatastrophen sind Ereignissen, die realitätsnahe Prognosen quasi ausschliessen. Naturkatastrophen, so Waldvogel, könne man genauso schlecht vorhersagen wie Börsenkurse.

Es sei interessant, wie sich der Mensch anhand seiner Denkgewohnheiten und kulturellen Einflechtung teilweise in seinem Handeln einschränke. Technisch, so Waldvogel, wäre oft viel mehr möglich. Wenn die Lösungen oder Messwerte nicht im gewohnten Rahmen liegen, glaube der Mensch nicht daran und setze sie auch nicht um. Ein Beispiel dafür sei das bereits 1979 erkannte Ozonloch. Die Messwerte seien eindeutig gewesen, nur weil sie völlig aus dem gewohnten Rahmen fielen, beachtete man sie lange nicht, so Waldvogel.

Im Bereich der Naturkatastrophen sei die Früherkennung unerwarteter Ereignisse wichtig. Die Unwägbarkeiten der Prognosen können mit der stets verfeinerten Technik angegangen werden. Das Angehen der Probleme schliesse aber auch ein Umgehen mit Beweisnot, den Reaktionen aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft sowie mit steigender Verantwortung ein, sagte Albert Waldvogel.

Risikokultur fördern

Christian Furrer, Direktor des Bundesamtes für Wasser und Geologie, äusserte sich zum Thema Hochwasserschutz. Wichtig hier sei die Methode. Das beinhalte den Schutz, die Zielsetzungen und die Strategie. Der Schlüsselbegriff hierfür sei "Integrales Risikomanagement". Dieses schliesst Massnahmen wie Vorbeugung, Intervention und Wiederherstellung ein. Ein Vorgehensbeispiel stellt die Gefahrenanalyse dar. Die seit 1994 in der Schweiz verbreitete Methode schliesst laut Furrer das Erstellen der Gefahrenkarten ein. Gesamtschweizerisch wird diese Arbeit von Gemeinden und Kantonen getätigt und vom Bund unterstützt. Die Gefahrenkarten orientieren beispielsweise über die Risiken eines Hochwassers in einem spezifischen Gebiet. Diese Einschätzung ist für Bauvorhaben entscheidend. Als ein wichtiges Schutzziel nannte Furrer die Förderung und Entwicklung einer "Risikokultur". Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Wissenschaft müssten eng zusammenarbeiten, um die bestmöglichen Schutzmassnahmen zu realisieren. Aber trotz Vorsorge: das Risiko von Naturgefahren kann nicht gebannt werden. Analysen der Hochwasserkatastrophen der letzten Jahre liefern immerhin wertvolle Daten, auf derer Basis neue und genauere Modelle für die Prävention entwickelt werden können.


Fussnoten:
(1) www.vaw.ethz.ch
(2) www.vaw-symposium.ethz.ch



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