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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 12.12.2006 06:00

Neues Buch über das Wasserproblem
Schöne Form soll aufrütteln

Wasser gibt es im Überfluss – oder es ist rar. Oder es ist grob verschmutzt und verdreckt. Oder es wird sinnlos verschwendet. Als Mitherausgeber eines ungewöhnlichen Bucheszeigt ETH-Professor René Schwarzenbach eine globale Sicht auf das Wasser – und wie man unangenehme und aufrüttelnde Fakten ästhetisch und emotional verpackt.

Interview: Peter Rüegg

Viele Menschen sorgen sich zunehmend um das Klima, der bisherige Winter und der Herbst waren wärmer als je zuvor. Ihre Sorge gilt hingegen dem Wasser. Warum?

René Schwarzenbach: Wasser ist ein Schlüsselthema unserer Zukunft. Viele zentrale Probleme der Menschheit sind direkt oder indirekt mit dem Wasser verknüpft. Dazu gehören Hunger, Armut, Seuchen und Kindersterblichkeit, aber auch zahlreiche Konflikte und sogar Kriege. Und Wasser bestimmt wesentlich auch das Klima. Wenn man Wasser umfassend thematisiert, kann man viele komplexe Zusammenhänge aufzeigen, die man kennen muss, wenn man wichtige Probleme dieser Welt nachhaltig lösen will, und das auf lokaler, regionaler, ja sogar globaler Ebene.

Für einen Wissenschaftler ist das Buch eine ungewöhnliche Produktion: Ästhetisch gestaltet, mit vielen bewegenden Bildern und kurzen gut lesbaren Texten. Welche Absicht verfolgen Sie damit?

Als Wissenschaftler ist man gewohnt, Bilder vor allem als Illustrationen zu einem Text zu benutzen. Hier funktioniert das Ganze gerade umgekehrt. Der Leser oder Betrachter soll über Bilder angesprochen und neugierig auf den Text gemacht werden. Dieser liefert dann vor allem Fakten. So verwandelt sich ein exquisiter Bildband beim Herumstöbern in ein nützliches Sachbuch. Lars Müller und sein Verlag sind weltweit bekannt für diese Art Bücher, die man „visual reader“ nennt.

Wie funktioniert dieses „visual reading“?

(Blättert im Buch) Schauen Sie sich das Bild von diesem saftigen Steak auf einem Teller an. Was hat das mit Wasser zu tun? Unten in der Legende lesen Sie: 300 Gramm Fleisch, 3000 Liter Wasser. So viel Wasser braucht es, um dieses Steak zu produzieren. Über solche visuelle Botschaften möchten wir Interesse für ein gewisses Thema wecken. In diesem Fall das Thema Wasser und Landwirtschaft. Wie Sie hier sehen, zeigen wir zu diesem Thema aber auch Bilder von ausgetrockneten oder versalzten Böden.

Solche Schockbilder sind allerdings in Verruf geraten, nicht die gewünschte Wirkung zu erzielen.

Das Buch arbeitet nicht mit Schockbildern. Das wäre etwas billig für ein Thema von so grosser Wichtigkeit. Es zeigt lediglich alle Facetten von Wasser – darunter auch einige unschöne, schockierende. Es ist der Verdienst der Verlagsleute, dass das Buch trotz einigen brisanten Inhalten ein kleines Kunstwerk geworden ist. Einige Bekannte von mir, die das Buch angeschaut haben, sagen sogar, das Buch sei sehr schön - schaurig schön.

Wem empfehlen Sie das Buch zur Lektüre?

Allen, die sich Sorge um diese Welt machen – und den anderen erst recht! Es gibt ja gegenwärtig Filme wie „An inconvenient truth“ mit Al Gore oder „We feed the world“, welche auch Wasserthemen ansprechen. Wer ins Kino geht, um solche Filme zu sehen, ist meistens schon vorher für das Thema sensibilisiert. Ein Buch kommt zu Ihnen nach Hause oder ins Geschäft. Da ist es wahrscheinlicher, dass jemand, der sich noch nicht so viele Gedanken gemacht hat, ins Thema Wasser „hineingesogen“ wird.


Zu wenig im Aralsee, zu viel in New Orleans: Das neue Buch "Wem gehört das Wasser?" zeigt alle Seiten des Wassers. (Bilder: Gerd Ludwig/Visum; Justin Sullivan/gettyimages) gross

Um das Buch breit zu streuen, bräuchten Sie einen Al Gore, der diese unangenehmen Wahrheiten zum Wasser überbringt.

(Lacht) Ich wüsste nicht, wer dieser Botschafter sein könnte! Am besten das Buch selbst. Es ist ja bei weitem nicht einfach ein alarmistisches Katastrophenbuch, es zeigt auch die Schönheiten des Wassers, seine Faszination; es zeigt, wie Menschen mit dem Wasser umgehen und leben; und es erklärt Vieles, was man immer schon gern über Wasser gewusst hätte.

Der Titel heisst „Wem gehört das Wasser?“ Wie wird diese Frage beantwortet?

Wasser gehört allen. Das ist die Botschaft dieses Buches. Wir beziehen am Ende des Buches in einem Plädoyer klar Stellung dazu. Darin enthalten ist auch die Frage, ob der Zugang zu Wasser ein Menschrecht oder ob Wasser bloss ein beliebiges Konsumgut ist. Für uns ist der Fall sternenklar: Trinkwasser und Wasser für die einfachsten hygienischen Bedürfnisse sollte ein Menschenrecht sein.

Lebensmittel-Grosskonzerne wie Nestlé sehen das anders.

(Lacht wieder) Die haben das Buch noch nicht gelesen.

Zeigt das Buch neben den offensichtlichen Missständen auch Lösungen auf?

Das Buch wurde nicht verfasst, um Weltuntergangsstimmung zu verbreiten. Es soll sensibilisieren und aufzeigen, wo die Probleme liegen und wie sie gelöst werden müssen, und welche Ansätze vielversprechend sein könnten. So gibt es zum Beispiel sehr innovative Ansätze, wie man den Wasserverbrauch in der Landwirtschaft massiv senken kann. Oder wie man Wasserkraft ohne massive ökologische Schäden nutzen kann. Die Lösungen haben immer dann eine Chance, wenn alle Betroffenen miteinbezogen werden. Vernünftig läuft es auch dort, wo die Lösungen nicht mega sind. Megalösungen führen oft zu Megaproblemen.

Das Wasserproblem betrifft im Moment vor allem Schwellen- und Entwicklungsländer. Wie sieht die Situation in der Schweiz aus?

Die Schweiz ist so etwas wie das Wasserschloss von Europa und hat gegenwärtig kaum ein schwerwiegendes Wasserproblem. Lokale Probleme wie Verschmutzungen von Grundwasser und Oberflächengewässern durch verschiedenste Chemikalien sind natürlich auch bei uns vorhanden, im Allgemeinen ist unser Wasser aber von so hoher Qualität, dass ich mich manchmal wundere, warum so viele Leute statt Hahnenwasser teures Mineralwasser trinken. Unabhängig von unserer eigenen Situation können wir aber durch unser eigenes Verhalten und durch das Verhalten unserer Politiker und Wirtschaftsführer wichtige Beiträge zur Lösung der globalen Wasserkrise machen.




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