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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 25.10.2002 06:00

Mit dem Branco-Weiss-Fellowship Grenzen erkunden
"Vereinigung der Gegensätze"

Ein neues Fellowship-Programm entsteht. Unter der Leitung des ETH-Förderers und Unternehmers Branco Weiss wird "Society in Science: The Branco Weiss Fellowship" an den Start geschickt. Für das erste Jahr können bis zu zehn TeilnehmerInnen aufgenommen werden, primär aus den Life Sciences. Was steckt hinter dieser Initiative? ETH Life befragte den Stifter Branco Weiss und Helga Nowotny, die Leiterin des Programms.

Von Stefan Del Fabro

Weshalb lancieren Sie "Society in Science: The Branco Weiss Fellowship"?

Branco Weiss: Ich bin in meinem Leben schon öfters als sozialer Experimentator tätig gewesen. Wir haben uns überlegt, was wir tun können, um Wissenschaft und Gesellschaft einander näher zu bringen. Wir wollen den Dialog und das gegenseitige Verständnis fördern. So sind Frau Nowotny und ich zur Idee des Fellowship gekommen.

Helga Nowotny: Es soll eine Schnittstelle geschaffen werden zwischen der gegenwärtigen Aufbruchstimmung in den Lebenswissenschaften und dem sich in Teilen der Gesellschaft regenden Widerstand. Durch dieses neue Fellowship-Programm soll die Gesellschaft Eingang in die Labors finden, und zwar durch die Arbeit der WissenschaftlerInnen selbst. Wir möchten auch eine neue Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ansprechen, die später eine Leadership-Funktion übernehmen wird.

Wie "rekrutieren" Sie Interessenten für Ihr Programm?

Nowotny: Das Inserat wird überwiegend elektronisch ausgeschrieben.

Weiss: Und zwar europaweit. Der Text des Inserates wurde so abgefasst, dass junge Leute, die sich vielleicht als konstruktive Rebellen sehen, angesprochen werden sollen. Nowotny: Führende Wissenschaftsorganisationen haben sich bereit erklärt, ihre Informationskanäle zur Verfügung zu stellen. So die European Molecular Biology Organisation in Heidelberg, die Max-Planck-Gesellschaft und die Junge Akademie in Berlin, ebenso der Welcome Trust und andere. Weiss: Die grosse Herausforderung ist, die Fellows anzuziehen und zu identifizieren und sie auszuwählen. Daran werden wir gemessen. Wenn die Fellows sich bewerben, erwarten wir von ihnen Themen-Vorschläge. Wir haben bei diesem - ich nenne das "Gross-Experiment" - folgenden Vorteil: Wir lernen fortwährend dazu. Bereits im ersten Jahr sehen wir, in welche Richtung sich das "Experiment" entwickelt. Daraus ziehen wir unsere Schlüsse für das zweite Jahr.

Wie hat die ETH Zürich auf Ihre Idee reagiert?

Weiss: Die ETH hat sich von der allerbesten Seite gezeigt. Wenn es ums Bewegen geht, sind es immer Einzelne, die etwas bewirken können. Ich habe das Privileg, dass ich solche Dinge machen kann.

Welche Anforderungen muss jemand erfüllen, um in Ihr Programm zu kommen?

Nowotny: Wissenschaftliche Qualität, dreimal unterstrichen. Ohne diese Voraussetzung läuft gar nichts. Und dann vielleicht auch ungewöhnliche Ideen, die die Fellows mit ihrer Arbeit verknüpfen wollen oder die aus ihrer Arbeit resultieren. Wir suchen Persönlichkeiten, die in der Wissenschaft bleiben wollen aber über die Wissenschaft hinaus Aspekte und Dimensionen der Gesellschaft in ihre Arbeit hereinholen wollen. Sie müssen auch Vorstellungen haben, wie sie das verwirklichen wollen. Vielleicht sind das spezialisierte Generalisten.


Zwischen Forschung und Gesellschaft
Bei der Präsentation des Branco Weiss Fellowship am 23. Oktober im Collegium Helveticum der ETH fand ETH-Präsident Olaf Kübler nur lobende Worte: "Wenn dieses Programm gelingt, dann öffnet sich ein interessantes und spannendes Gebiet". Kübler attestierte dem Förderer und Unternehmer Branco Weiss ein grosses Herz: "Vision, Courage und Grossherzigkeit prägen diese Idee", freute sich der ETH-Präsident. Der Initiant selber, der sich als "lebenslanger High-Tech-Unternehmer und sozialer Experimentator" bezeichnete, betonte, dass "das Fellowship-Programm kompetenten Wissenschaftlern mit interessanter Persönlichkeits-Struktur und sozialen Interessen eine drei- bis fünfjährige intellektuelle und finanzielle Unterstützung biete, um ihre Projekte im Grenzgebiet von Gesellschaft und Wissenschaft zu verfolgen". Helga Nowotny, die Leiterin des Projektes "Society in Science", forderte die künftigen Fellows auf, "Grenzen zwischen Disziplinen zu überschreiten, um ungewohnte Zusammenhänge herzustellen und neue Methoden zu erproben." Im erstenProgrammjahr können etwa zehn Interessierte aufgenommen werden. Die internationale Ausschreibung beginnt im November, bis Ende Mai 2003 sollte die Auswahl erfolgt sein und im kommenden Sommer beginnen die ersten Fellows ihre Arbeit.



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Die Projektleiterin und der Mäzen: Helga Nowotny und Branco Weiss stehen für das neue Fellowship-Programm, das Forschung im Grenzbereich von Wissenschaft und Gesellschaft fördern will. gross

Welche Studienrichtungen sprechen Sie an?

Nowotny: Vorzugsweise die Life Sciences. Bei einer Gruppe von etwa zehn ist eine solche Konzentration von Vorteil. Ursprünglich diskutieren wir auch, ob wir auch für die Ingenieur-Wissenschaften und andere Bereiche offen sein sollten. Weiss: Sollten wir jemanden Hervorragenden aus der Physik oder den Ingenieur-Wissenschaften finden, wäre eine Teilnahme durchaus vorstellbar.

Wenn Sie dann diese Gruppe zusammengestellt haben; was erwartet diese Fellows?

Nowotny: Eine wissenschaftlich und intellektuell stimulierende Zeit. Die Fellows können sich aussuchen, wohin sie gehen wollen und mit wem sie arbeiten wollen. Das Programm ist bis zu fünf Jahren finanziert.

Herr Weiss, was kostet das Ganze?

Weiss: Das wollen wir sehen, das ist 'open-ended'.

Ist das Ihr Geld, das Sie da investieren?

Weiss (nickt): Es ist privates Geld.

Diese Gruppe ist dezentral verteilt. Lernen sich die Leute überhaupt kennen?

Nowotny: Einmal im Jahr führen wir eine Jahreskonferenz zu einem interessanten Thema durch, bei der alle zusammenkommen. Darüber hinaus wird es eine virtuell organisierte Zusammenarbeit geben. Weiss: Das ist auch ein Kriterium bei der Auswahl. Die Fellows müssen weitgehend autonom funktionieren. Sie müssen Bedingungen erfüllen, die nicht alltäglich sind. Qualität ist ja immer die Vereinigung der Gegensätze. So müssen die Leute sowohl autonom sein wie auch in die neue Umgebung hineinpassen. Sonst würde es ja genügen, gute Noten zu haben.

Was machen Sie, wenn einer der Teilnehmer nach drei Jahren plötzlich aussteigt?

Nowotny: Es ist kein katastrophaler Verlust, wenn sich jemand entscheidet, nicht weiter in der Wissenschaft tätig zu sein, sondern sein wissenschaftliches Wissen anderswo produktiv einzusetzen.

Weiss: Ausserdem funktioniert dieser Aussteiger vielleicht als eine Art "Mini-Leuchtturm" weiter. Dann ist es ja auch in Ordnung.

Nowotny: Was wir nicht wollen ist, dass die Fellwos umgepolt werden, also beispielsweise zu Philosophen oder Historikern oder Amateur-Sozialwissenschaftlern mutieren.

Wie können Sie das verhindern? Menschen verändern sich.

Weiss: Mit einer Lebenserfahrung in Interviews und mit unseren Menschenkenntnissen trauen wir uns zu, die richtigen Leute auszuwählen. Aber letztlich bleibt ein Risiko, das gehört zum Leben.

Wie kontrollieren Sie, dass die Teilnehmer die an sie gestellten Vorgaben erfüllen?

Weiss: Es verlangt eine intensive Betreuung und Überprüfung. Wir haben einen ausgezeichneten internationalen wissenschaftlichen Beirat, der uns dabei helfen wird. Weil die Beiratsmitglieder das ganze ja auch für eine sinnvolle Idee halten.

Freuen Sie sich auf den Beginn des Fellowship-Programms?

Nowotny: Ja. Das ist sehr spannend. Es entsteht ja etwas Neues, dass es in dieser Form heute noch nicht gibt. Weiss: Ich freue mich sehr. Es ist eine Begegnung verschiedener Horizonte.




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