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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
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Publiziert: 03.04.2002 06:00

Wie es zu erfolgreicher Forschung kommt
Hartnäckig und doch flexibel!

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Hier eine Portion Lebenserfahrung zum Frühstück! - Oft wurde ich nach meinem Rezept zum Erfolg in der Forschung befragt. - Durchwegs ist Glück mitverantwortlich. Doch man kann dem Glück eine Chance geben oder nicht. Ich bin überzeugt, dass zusätzlich Hartnäckigkeit, kombiniert mit viel Flexibilität, unerlässlich ist.

Erfolge in der Forschung gibt es kaum ohne Hartnäckigkeit. Oft mögen Forschende stur erscheinen, wenn sie ohne Rücksicht auf ihre physischen Bedürfnisse und menschlichen Beziehungen ihr Ziel verfolgen. Sie erinnern sich wohl an die mühseligen Versuche mit Anthrax und Tuberkulose von Robert Koch, an die aufopfernde Entdeckung von Radium und Polonium durch Marie und Pierre Curie und an die kompromisslose Verteidigung des kopernianischen Weltbildes durch Galileo Galilei. Einen gewissen monomanen Charakterzug kann man auch mir nicht ganz absprechen, da ich mein ganzes Berufsleben der Kernresonanz-Spektroskopie geopfert habe. - Und alle hatten Erfolg nach Jahren von Entbehrung und Selbstzweifeln.

Für einen originellen Forscher oder eine originelle Forscherin ist das anfänglich gewählte Forschungsgebiet unwesentlich, denn niemand ist zum String-Theoretiker oder zum Prionenforscher geboren. So wusste ich am Tag vor dem Fassen des Dissertationsthemas noch nichts von 'N.M.R.'. Das Interesse und die Expertise kommen während der Beschäftigung mit der Problemstellung. Dabei gilt: Was immer du tust, mach es so gut wie möglich! Wer konsequent und kreativ ist, bringt auch die Wüste zum blühen. Aber alte erfolgreiche Muster zu kopieren führt oft in den Abgrund. Wie viele wollten doch während meiner Karriere die Fourierspektroskopie neu erfinden, und wie viele in der Musikwelt versuchten im Stil Mozarts zu komponieren! Aber auch in dieser Beziehung gibt es keine Tabus und mit etwas Inspiration lassen sich auch alte Kleider chique tragen.

Doch allein mit Hartnäckigkeit, vorgefassten Ideen, und mit dem Kopf durch die Wand geht es kaum. Wer nicht erstarren will braucht Offenheit für Unerwartetes, benötigt Flexibilität und Lernfähigkeit. Wie oft haben doch Forschende auf ihrer zielgerichteten Suche etwas ganz Unerwartetes gefunden, so nebenbei, ganz zufällig! Aber das Erkennen von 'gesetzeswidrigen Anomalien' erfordert eine entsprechende mentale Bereitschaft. Sie kennen die Geschichte der zufälligen Entdeckung von Penicillin durch Alexander Fleming und Gregor Mendels Versuche im Klostergarten. Erfolgreiche Forschung gleicht oft einem zielgerichteten Marsch durch die Landschaft; doch anstatt das Ziel zu erreichen entdeckt man den schmalen, unscheinbaren Zugang zu einem einzigartigen, noch unerforschten Tal. Nicht alle Forschenden lassen sich aus der vorgezeicheten Spur 'ablenken', und viele werden so die Entdeckung ihres Lebens verpassen. Wer unflexibel ist kann nicht wachsen, verpasst den Anschluss (zum Beispiel an die UNO und die EU), wird steril und egozentrisch (und, so ganz nebenbei, ein potentieller Gegner der Solidaritätsstiftung).


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prof richard ernst
Richard Ernst, ETH-Professor für Physikalische Chemie und Nobelpreisträger 1991. gross

Zur Flexibilität gehört auch eine Offenheit gegenüber gesellschaftlichen Bedürfnissen und Erfordernissen, wie in meiner letzten Kolumne (1) vertreten. Eigentlich liegt dies ja im Interesse jedes Forschenden, denn wer möchte nicht mit etwas 'Nützlichem' bekannt werden? Für das eigene Selbstbewusstsein gibt es nichts Besseres als nachhaltigen Erfolg in der breiten Öffentlichkeit. Es sind eigentlich eher die in sich geschlossenen Fachkreise, die zur selbstgefälligen Pflege von weniger relevanten Details verführen.

Eine ausgewogene Balance von Hartnäckigkeit und Flexibilität zu finden ist das Geheimnis von zahllosen wissenschaftlichen Erfolgsgeschichten. Und nicht nur in der Forschung, auch im täglichen Leben braucht es das richtige Mass von beiden. Vielleicht gehen Sie mal in sich und fragen sich, wovon Sie zu viel und wovon zu wenig besitzen. - Viel Erfolg in Ihrer eigenen überraschungsreichen Forschungstätigkeit!


Zur Person

Den Nobelpreis, den Richard Ernst 1991 für seine bahnbrechende Forschung im Bereich NMR-Spektroskopie bekam, nutzt er, um sich regelmässig als einer der profiliertesten Kommentatoren der Schweizer Bildungspolitik zu Wort zu melden. "Ich habe mich immer als Werkzeugmacher verstanden," bekennt der emeritierte ETH-Chemieprofessor, der lange in den USA in der Industrie tätig war. Seine Forschung sollte stets in eine sinnvolle Anwendung münden. Die Revolutionen in den exakten Wissenschaften gründeten, so Ernst, vor allem auf der Intuition und Kreativität der Forscher. Kein Wunder, hielten sich bei ihm die Begeisterung für die Chemie und jene für die Kunst seit seiner Jugend die Waage. Eines seiner Erfolgsrezepte: "Wenn ich etwas mache, dann nicht mit halbem Engagement, sondern richtig – alles andere ist Zeitverschwendung."




Fussnoten:
(1) Die Kolumne "Ein grosser Glückstag für die Schweiz!" von Richard Ernst



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