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FIRST Lab: neues Forschungszentrum für Mikro- und Nanotechnik Rein in die Nano-Welt |
„There is plenty of room at the bottom" - der legendäre US-Physiker Richard Feynman hatte mit seiner Vision schon 1959 das Tor zur Nanowissenschaft aufgestossen. Nano- (wörtlich: „Zwerg"-) Technologie heisst: Konstruktion von Dingen, die kleiner als ein Mikrometer sind, weniger als ein Millionstel Meter. Das neue FIRST Lab der ETH soll dazu dienen, diesem enorm dynamischen Forschungsgebiet Impulse zu geben. Von Norbert Staub Kein Wunder, ist die Welt der kleinsten Dimensionen heute ein extrem "trendiges" Forschungsgebiet: die Halbleiterindustrie pulverisiert bei der Jagd nach immer kleineren und schnelleren Computer-Chips Rekord um Rekord; mittelfristig verspricht sie einen 15-Nanometer-Transistor (15 Milliardstel Meter). Dinge wie oral verabreichte Roboter, welche kranke Organe inspizieren und womöglich gleich reparieren, scheinen folglich mehr als nur Science-Fiction zu sein. Und irgendwann wird wohl auch biologisches Material, bis hinunter auf molekulare Strukturen, als Werkstoff für Nano-"Geräte" verwendet.
Doch ist dies - noch - Zukunftsmusik. Denn: "There is still a lot of room in between". Das Feynman relativierende Echo stammt von Heinz Jäckel. Der ETH-Professor steht der Gruppe High Speed Electronis and Photonics vor und ist Koordinator des FIRST Lab, des Forschungszentrums unter dem Chemiegebäude auf dem Campus Hönggerberg, das am 5. Juli eröffnet wurde. "Die Chancen der Mikrotechologie sind noch längst nicht ausgeschöpft", sagt Jäckel. FIRST (das Kürzel steht für: "Frontiers In Research: Space and Time") bietet nun eine zentrale, topmoderne Reinraum-Infrastruktur für die Forschung im Mikro- und Nano-Bereich. "Wir bekommen eine vorzügliche State-of-the-Art-Werkstatt für die High-Tech-Ausbildung von Forschenden aller Stufen", freut sich Heinz Jäckel. Störfaktor Mensch Die 900-m2-Anlage (Reinraum-Anteil: 450 m2) steht künftig allen ETH-Instituten offen, die auf eine Reinraum-Infrastruktur angewiesen sind. - Wirklich allen? "Ja", bekräftigt Jäckel, „allerdings müssen die Projekte chemisch mit den FIRST-Geräten kompatibel sein. Und wir setzen voraus, dass man sich persönlich engagiert." Eine zentrale Aufgabe des FIRST Lab sei, technologisches Know-How in die Breite der Hochschule zu tragen. "Das ist letztlich entscheidend für den wissenschaftlichen, aber langfristig auch für den industriellen Erfolg", meint Jäckel. Fakt ist, dass es in der Schweiz mit letzterem in der Mikrotechnik hapert. "Unser grosses Anliegen ist, dass die Schweiz jetzt bei der Nanotechnik mithält", so Jäckel. "Dazu braucht es zunächst Leute, die diese Technologie beherrschen, quer durch alle Fachbereiche."
Was ist ein Reinraum und wer braucht ihn? "Das Besondere ist seine kontrollierte Atmosphäre, primär bezüglich der Staubpartikel", erklärt Heinz Jäckel. Die Luft wird permanent gefiltert und laminar, ohne Erzeugen von Wirbeln, wieder zugeführt. Der Reinheitsgrad wird mit Klassen von 1 bis 10'000 ausgedrückt, wobei 1 die geringste Anzahl Partikel pro Volumeneinheit anzeigt. Grösster "Feind" des Reinraums ist der stetig Staubpartikel produzierende Mensch. "Am liebsten hätte man diesen ja ganz aus dem Raum verbannt", so Jäckel, "aber das ist illusorisch." Die Schaltungen zum Beispiel, die in Jäckels Gruppe gebaut werden, sind nur wenige Mikrometer klein. "Für diese Artefakte kann jeder Partikel, der sich auf ihnen ablagert, das Ende bedeuten", erklärt er. Kommt hinzu, dass auch mit toxischen Substanzen gearbeitet wird, etwa mit Arsin- und Phosphin-Verbindungen. „Das im Raum integrierte Sicherheitsdispositiv stellt sicher, dass auch bei Zwischenfällen nichts in die Umgebung gelangen kann und die Leute im Reinraum geschützt bleiben", sagt Heinz Jäckel. Lokal wird im FIRST Lab der hohe Reinheitsgrad 10 erreicht, das bedeutet weniger als 300 Staubpartikel pro m3. 30-Millionen-Investition Den Anstoss fürs FIRST Lab gaben sechs ETH-Professoren aus vier Departementen. Vor gut fünf Jahren hatte Heinz Jäckel sich mit den Experimentalphysikern Ursula Keller und Klaus Ensslin, mit Jürg Dual von der Mechanik, dem Elektrotechniker Werner Bächtold sowie dem Materialwissenschaftler Nicholas Spencer zusammengetan und den Bedarf nach gemeinsamer Reinraum-Infrastruktur formuliert. "Wir benutzen alle ähnliche oder gleiche Materialsysteme und ähnliche Prozesse. Wir brauchten also einen Raum, wo diese stattfinden können - keiner von uns verfügte bisher darüber", erzählt Jäckel.
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Die bis jetzt einzelnen ETH-Instituten angegliederten, kleineren Reinräume hätten es schwierig gemacht, zukunftsweisende Forschungs-Wege zu beschreiten. Damit ist auch schon angedeutet, wie es bei der 30-Millionen-Franken-Investition FIRST Lab (Rein-Raum, Gebäude, Maschinen) prinzipiell zu und her gehen wird: nämlich betont interdisziplinär. Sich bei aller Verschiedenheit der Interessen zusammenraufen: das war, nach vollbrachtem Werk, auch die lehrreiche Erfahrung der Initiantengruppe. "Bei der Ausrichtung von FIRST waren hitzige Diskussionen nicht selten", so Jäckel, "aber wir behielten immer das gemeinsame Ziel im Auge; das macht mich etwas stolz". Unwillkommenes Wasser Sein besonderer Dank gilt der Schulleitung. "Sie hat sich von Anfang an sehr dafür engagiert, dass FIRST erstklassig ausgerüstet und betrieben werden kann", so Jäckel. Die ETH hat sechs permanente Stellen bewilligt, je zur Hälfte Akademiker und Techniker. Für die laufenden Kosten werden jährlich 1,5 bis 2 Mio. Franken veranschlagt.
Ein Wermutstropfen sei, dass der Entscheidprozess, die baulichen Abklärungen und die Umsetzung fünf Jahre in Anspruch genommen haben - etwas lange für diesen dynamischen Forschungsbereich. Der Blick in die Zukunft stimmt den FIRST-Koordinatoren nachdenklich: denn wer weiterhin an der Spitze mithalten wolle, müsse künftig noch tiefer in die Tasche greifen. Jäckel nutzte die Medienkonferenz, um der Industrie ans Herz zu legen, sich als Sponsoren auch an den Kosten zu beteiligen. Denn sie sei es, die am Ende von den am FIRST Lab ausgebildeten Spezialisten profitiere. Und wenn wir schon bei den Fragezeichen sind: Der aus ästhetischen Gründen just überm FIRST Lab angelegte Teich ist den Forschern ein Dorn im Auge: "Solange das Wasser bleibt, wo es hingehört, stört es uns nicht", meint Jäckel dazu. Doch sollte einmal etwas durchsickern, hätte FIRST ein echtes Problem. Kristallwachstum: hohe Priorität Mit 'learning by doing' sollen Diplom- und Doktoratsstudierende etwa mit dem Züchten von neuartigen Kristallen für elektronische und optische Bauelemente vertraut gemacht werden. Den Fokus der jetzt absehbaren FIRST-Projekte bildet das Tüfteln an neuen III-V-Halbleitern. Das sind Verbindungen von Elementen der dritten Gruppe des Periodensystems mit Elementen der fünften Gruppe, so etwa Indiumphosphid. Im Vergleich zu Silizium erlaubt hier die viel grössere Beweglichkeit der freien Elektronen ein höheres Chip-Arbeitstempo bei geringer Verlustleistung. Zudem können III-V-Verbindungen Licht generieren. Besonders spannend, so Heinz Jäckel, seien derzeit Galliumnitride und Galliumantimonide, als Werkstoffe für hochauflösende blaue Laserdioden oder Transistoren, die bis zu 600 Grad Hitze aushalten. Dabei sind Kooperationen und Wissenstransfers mit anderen Hochschulen und - gegen Kostendeckung - mit der Industrie willkommen.
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