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Botaniker Elias Landolt Ein Leben für die Zürcher Flora |
Er macht uns bewusst, dass die Stadt alles andere als eine Stein- und Betonwüste ist: Elias Landolt, emeritierter ETH-Professor für Botanik, hat ein Monumentalwerk über sämtliche Pflanzen in der Stadt Zürich geschrieben. Ein an Entdeckungen reicher Spaziergang durch Zürich. Von Bettina Spoerri Den Ort für einen kleinen Spaziergang und ein Gespräch mit ETH-Life konnte Elias Landolt selbst wählen. Der emeritierte Botanikprofessor entschied sich für den Platzspitz hinter dem Landesmuseum. Der zentral gelegene Park sei botanisch sehr interessant, weil er einer der wärmsten und mildesten Plätze Zürichs sei. Zudem ständen hier, in einer der ältesten Anlagen der Stadt, bis zu 200 Jahren alte Platanen. Hinter dem Platzspitz fliessen die Sihl und die Limmat zusammen, die eine ausgleichende Wirkung auf die klimatischen Bedingungen haben. Elias Landolt weiss wie kein anderer über die Stadt-Flora Bescheid. In seinem neuesten, über 3,5 Kilo schweren Opus (1) hat er eine riesige Menge an systematisch geordneten Informationen über das Vorkommen der Pflanzen auf dem Gebiet der Stadt in Vergangenheit und Gegenwart sowie über ihre Verbreitung und Standorte zusammengetragen. Zürich: einst ein grosser Sumpf Zürich, erklärt Elias Landolt, sei aufgrund der vielen naturnahen Gebiete reich an Pflanzenarten. Vor allem das Glatttal war bis ins 19. Jahrhundert hinein ein grosses Sumpfgebiet, ebenso das Zürichseetal bis Dietikon. Eine weitere artenreiche Gegend sei der Üetliberg-Wald.
Von unzähligen Spaziergängen kennt der Botaniker jeden Winkel der Stadt. Zum Platzspitz habe die Sihl viele Pflanzenarten aus dem Kanton Schwyz gebracht. Die meisten hier wachsenden Pflanzen sind - wie in der ganzen Stadt - nicht einheimische, sondern während der letzten Jahrzehnte eingewanderte Arten. Brombeere aus Armenien Hier gibt es viele Exoten-Sträucher, die sich aus den umliegenden Gärten ausgebreitet haben. Die Flüsse, aber auch die Bahn transportieren viele Pflanzenarten an neue Orte. Die armenische Brombeere, die am Sihlufer beim Platzspitz zu finden ist, ist hierfür ein gutes Beispiel. Ganz eindeutig, sagt der Botaniker, seien die Umweltverschmutzung und andere Folgen menschlichen Verhaltens an der Flora ablesbar. Um diese Dynamik aufzeigen zu können, habe er seine umfassende Dokumentation geschaffen.
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Drogentreff vertrieb Pflanzenarten Notizen in alten Herbarien und Literaturaufzeichnungen habe er seinen eigenen neuen Forschungen gegenübergestellt, mit folgender Bilanz: Ein Fünftel der ursprünglichen Pflanzen ist seit 160 Jahren ausgestorben, doch dafür kamen ungefähr ein Drittel neue Arten hinzu. Die heutigen Pflanzen brauchen mehr Wärme und - mehr Stickstoff. Sie sind allgemein kälteempfindlicher und auf ausgeglichenere Temperaturen angewiesen. In der Stadt, wo es aufgrund der Umweltverschmutzung im Winter milder und im Sommer relativ heiss ist und sich die Sonne meist hinter einem Dunst befindet, finden sie ideale Lebensbedingungen. Auf dem Platzspitz gediehen manche Pflanzen nicht mehr, weil in dem Park, der als Drogenumschlagplatz gedient hatte, zu viele Menschen umhergingen und zu viel Abfall liegen liessen. Doch nach dem Umstechen konnten sie sich wieder erholen und siedelten sich neu an. "In Zukunft", sagt Landolt, "werden noch mehr wärmebedürftige Pflanzen in die Stadt kommen. Sind die Populationen gross genug, können sich die Pflanzen an neue Standorte gewöhnen. Ein Herz fürs Unkraut In der Stadt nisten sie sich gerne in Hinterhöfen, auf Schuttablagerungsplätzen, dem Pflaster und an Mauern ein." In Landolts Kindheit durfte auf den noch nicht asphaltierten Trottoirs und Strassen kein einziges Unkraut stehen bleiben: "Das galt als unordentlich", sagt er, "doch heute ist man im Umgang mit dem sogenannten Unkraut toleranter geworden." Für ihn sei "Unkraut ein Kraut, das an einem Ort wächst, wo es nicht vorgesehen ist, zum Beispiel in Beeten", ihn aber störe Unkraut nicht. Allerdings sei die Stadt früher auch sauberer gewesen: "Heute werfen die Leute alles weg". Als Kind wohnte der heute 75jährige Botaniker in der Nähe des Kongresshauses, wo noch Einfamilienhäuser mit Gärten standen. Schon damals botanisierte er bei den Pfadfindern und interessierte sich für die Beziehungen zwischen den Pflanzen und der Umwelt. Fundgrube "Chreis Cheib" Der passionierte Spaziergänger empfiehlt Flora-Interessierten einen Spaziergang der Limmat entlang. Hier gebe es verschiedene aggressive Pflanzenarten wie den japanischen Knöterich oder den Riesenkerbel. Eine grosse Vielfalt wiesen auch die Bahnanlagen auf dem Güterbahnhof auf. Allerdings habe er, um dort herumgehen zu können, einen Kurs samt Schlussprüfung ablegen müssen, zudem sei er jetzt verpflichtet, jedes Mal ein rotes Jäckchen zu tragen. Auch interessant und weniger gefährlich seien die Orte, "die nicht unbedingt einen guten Ruf haben: Die Hinterhöfe im Kreis Cheib. Je besser und mehr ein Park nämlich gepflegt wird, desto uninteressanter wird er. Dann bleibt kein Platz mehr für unerwünschte Arten."
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Literaturhinweise:
Fussnoten:
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