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Genossenschaft in argen Finanznöten Polybuchhandlung vor dem Aus? |
"Die finanzielle Situation ist desolat." Mit diesen Worten fasst Markus Nef von der Polybuchhandlung die Situation zusammen. Eine mutmassliche Veruntreuung, hohe Infrastrukturkosten und die Konkurrenz der Internet-Buchhandlungen bringen die genossenschaftliche Buchhandlung in Bedrängnis. Von Richard Brogle/Roman Klingler Alles andere als ermutigend waren die Zahlen, die die Verwaltung der Polybuchhandlung gestern Abend an einer Orientierung präsentierte. Klar ist einzig, dass die Genossenschaft in einer akuten Liquiditätskrise steckt. Beispielsweise zahlt die Polybuchhandlung die Rechnungen einiger Lieferanten grundsätzlich erst nach der zweiten Mahnung. "Die Löhne sind bis im Frühling gesichert", meint Markus Nef, Verwaltungsmitglied der Polybuchhandlung und zuständig für die Finanzen. Mehr will er dazu im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sagen. Wie aber ist die Polybuchhandlung in Schieflage gekommen? Bis 1997 wies sie regelmässig einen Gewinn aus. Bei der ehrenamtlichen Verwaltung sieht man mehrere Gründe. Erstens drückt eine mutmassliche Veruntreuung auf das Betriebsergebnis der letzten beiden Jahre. Auf die heutigen Mitarbeiter fällt aber kein Verdacht. Da die Polybuchhandlung aus Kostengründen auf eine Scannerkasse verzichtet, ist nur eine sehr rudimentäre Lagerbewirtschaftung und Buchhaltung möglich. Die mutmassliche Veruntreuung wurde daher erst spät entdeckt. Da genaue Daten fehlen, kann sie auch nicht genau beziffert werden. Vielleicht ist die effektive Deliktssumme wesentlich grösser als die rund 40'000 Franken, die zur Anzeige gebracht wurden.
Konkurrenz aus dem Internet Der zweite Grund für die finanziellen Probleme liegt in der starken Konkurrenz aus dem Internet. Viele Studenten sparen sich heute den Gang zur Buchhandlung und lassen sich lieber die dicken Wälzer portofrei nach Hause liefern. Dazu kommt, dass über das Internet manchmal sogar billiger eingekauft werden kann. Während deutsche Internet-Anbieter zum billigeren deutschen Ladenpreis verkaufen können und gratis in die Schweiz liefern, muss die Polybuchhandlung zu den offiziellen Schweizer Buchpreisen verkaufen. Will sie mitziehen und generell Rabatte gewähren, so riskiert sie einen Lieferboykott der Verlage. Hohe Infrastrukturkosten Mit einem weiteren Problem haben alle kleinen und mittleren Buchhandlungen zu kämpfen: den hohen Infrastrukturkosten im Vergleich zu dem geringen Umsatz. Heute ist eine moderne Buchhaltungs- und Lagerbewirtschaftung fast ein Muss. Während grosse Buchhandlungen die teuren Software-Lizenzen mit ihrem grossen Umsatz amortisieren können, lasten die Softwarekosten bei kleineren Buchhandlungen schwer auf der Bilanz. Die Polybuchhandlung musste denn auch bei der ETH ein Darlehen von 100'000 Franken aufnehmen, um eine erstes Modul einer Warenbewirtschaftungs-Software einkaufen zu können. Ob diese je amortisiert werden kann, steht noch in den Sternen.
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Nachwuchsproblem Dominique Leuba von der Verwaltung macht noch auf ein weiteres Problem aufmerksam: "An der letzten Generalversammlung tauchte gerade ein einziger Delegierter auf". Der Hintergrund ist eigentlich klar. Früher gab es einen Gewinn zu verteilen und die Fachvereine, die die Delegierten stellen, sandten gerne jemanden, um bei der Gewinnverteilung ein Wörtchen mitzureden. Am Verlust hat aber niemand mehr so richtig Interesse. Wen wundert's? Auch ist es immer schwieriger, Nachfolger für die Verwaltung zu finden. Leuba: "Die heutigen Studenten gehen lieber an eine Party oder Geld verdienen." Eigentlich gebührt allen Beteiligten Respekt. Alle Mitglieder der Verwaltung arbeiten ehrenamtlich. Auch der Teamleiterin der Buchhandlung im Zentrum, Gabriela Räz, wird von verschiedenen Seiten attestiert, dass sie ihre Aufgabe mit viel Fachwissen und Sozialkompetenz ausführe. Was aber fehlt, ist eine professionelle Geschäftsleitung mit fundiertem Wissen in Betriebswirtschaft. Dieses Manko hat auch eine Studie von PriceWaterhouseCoopers (PWC) gesehen. Gemäss PWC besteht in der Polybuchhandlung eine "Führungslücke zwischen Teamleiterin und Verwaltung". Partnersuche Es stellt sich also die Frage, ob eine Genossenschaft mit ehrenamtlicher Verwaltung die richtige Form ist, eine Buchhandlung in den hart umkämpften Mark des 21. Jahrhunderts zu führen. Die Verwaltung hat das Problem erkannt und sieht sich momentan nach einem starken Partner aus dem Buchhandel um. Mit wem man in Verhandlung ist, möchte man noch nicht sagen. Die Einsetzung einer professionellen Geschäftsleitung ist auch eine Option, aber Nef zweifelt daran, ob eine solche Geschäftsleitung auch zu bezahlen sei. Ehrenamtlich geht das auf jeden Fall nicht mehr. Parallel dazu laufen Verhandlungen mit der ETH über eine Leistungsvereinbarung. Dies bedeutet, dass man sich die Leistung, eine eigenen kleinen Buchhandlung im Hause zu haben, in Zukunft von der ETH teilweise abgelten lassen möchte. Ob die ETH darauf einsteigt, ist noch nicht klar.
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