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Publiziert: 06.06.2002 06:00

Bundesrat schickte den Entwurf eines Gesetzes in die Vernehmlassung
Stammzellen - das Ei des Kolumbus?

Beim Diskussionsapéro zum Thema Stammzellen von gestern Mittwoch abend im Zürcher Landesmuseum ging es um Fragen des wissenschaftlichen Fortschritts und darum, wie weit die Schweiz in diesem Forschungsbereich mithalten will. Ist diese Forschung das "Ei des Kolumbus" für Leidende und für künftige Therapien, oder macht man sich was vor?

Das Embryonenforschungsgesetz ist Ende Mai in die Vernehmlassung gegangen. Der Bundesrat will mit dem Gesetz eine rechtliche Lücke schliessen. Die Forschung an überzähligen Embryonen und embryonalen Stammzellen wäre unter "restriktiven Bedingungen" erlaubt. Verboten bliebe die Herstellung von Embryonen zu Forschungszwecken. Die Stiftung Science et Cité lancierte parallel zum laufenden Vernehmlassungsverfahren zusammen mit dem Collegium Helveticum und der ETH Zürich eine öffentliche Debatte zur umstrittenen Forschung mit Embryonen und Stammzellen. Die Diskussion soll kritisch und unabhängig erfolgen. Gestern Mittwoch fand die erste der drei Veranstaltungen im Landesmuseum statt, der heute Donnerstag und morgen Freitag, (18.45 bis 20.30 Uhr) zum Thema „Die Gesellschaft - Das ewige Leben" und „Die Politik - immer einen Schritt zu spät?" weitere folgen.

Die Biologin Dr. Verena Soldati vom Basler Appell gegen Gentechnologie, Basel, und Professor Wolfgang Holzgreve, Vorsteher der Basler Uni-Frauenklinik, diskutierten unter der Moderation von Ellinor von Kauffungen Zweck, Grenzen und Ziele der Stammzellforschung.

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Ellinor von Kauffungen und Verena Soldati diskutieren miteinander.

Hohe Erwartungen in die Stammzellen gesetzt

Bevor die Diskussion begann, legten beide Referenten ihre Position zur Stammzellforschung dar, Professor Holzgreve, indem er eingangs erklärte, was Stammzellen überhaupt sind: Es sind Zellen, die sich im Gegensatz zu anderen Zellen durch Teilung und Mehrung selbst erneuern und zu verschiedenen Zelltypen mit unterschiedlichen spezifischen Funktionen entwickeln beziehungsweise unter geeigneten Bedingungen und unter dem Einfluss geeigneter Signale beispielsweise als Herz-, Muskel-, Nerven- oder Hautzellen "differenzieren" können.

Es gibt embryonale Stammzellen, die aus frühen embryonalen Stadien (zum Beispiel in vitro) gewonnen werden können. Eine andere Möglichkeit sind Stammzellen, die toten Embryonen nach einem Schwangerschaftsabbruch oder einer Fehlgeburt entnommen werden. Und es gibt adulte Stammzellen - gewebespezifische Stammzellen - die aus verschiedenen Quellen stammen können: aus Nabelschnurblut, aus dem Gewebe von Kindern und Erwachsenen oder aus toten Embryonen. Das heisst, aus toten Embryonen können sowohl embryonale als auch adulte Stammzellen gewonnen werden.


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Wolfgang Holzgreve vertrat engagiert den Standpunkt des Forschers und Praktikers.

Holzgreve betont: „Embryonale Stammzellen haben nach bisherigen Erkenntnissen die grösseren Differenzierungsfähigkeiten und sind für die Forscher deshalb interessanter." Forschung allein mit adulten Stammzellen bringe die Wissenschaftler nicht weiter. Die Forschenden gingen davon aus, dass in den Stammzellen viel mehr Möglichkeiten stecken würden wie die, dass man mit ihnen Organteile ersetzen oder Krankheiten wie Aids, Diabetes oder Alzheimer heilen könnte. Aber auch Erbkrankheiten könnten vor der Geburt erkannt und geheilt werden.

Vorbehalte angemeldet

Verena Soldati sieht dagegen in der Forschung an adulten Stammzellen eine Alternative zu der an embryonalen. Sie meldete auch Vorbehalte gegenüber der vorgeburtlichen Therapie an, weil Nachfolgefragen nicht gelöst seien. Im Grunde wäre es logisch und gut, wenn man defekte Gene austausche. Sie fragt, wie sicher die Resultate vorgeburtlicher Untersuchungen aber überhaupt seien. „Mit den Argumenten Heilung, Therapie werden Hoffnungen geweckt, die meiner Meinung nach nicht erfüllt werden können, weil man noch viel zu wenig weiss", argumentiert Soldati. Mit der Forschung an embryonalen Stammzellen überschritten die Wissenschaftler eine Grenze. Im Moment ginge es um eher wenige Zellen - eine Zahl, die sich wegen des steigenden Bedarfs der Forschung schnell massiv erhöhen könnte.

Verena Soldati sieht die Hoffnung der Kranken, sieht die Forschung jedoch eindimensional und meint: „Für die Gewinnung embryonaler Stammzellen brauchen wir Embryonen" Sie gibt zu: „Embryonen sind noch keine Menschen. Richtig. Aber sie sind ein Stadium zur Menschwerdung." Zur Therapie mit Stammzellen gibt sie zu bedenken, dass man hier - wie erste Erfahrungen bereits zeigen würden - äusserst sauber transplantieren müsste, weil die mittransplantierten Zellen eines Herzgewebes zum Beispiel sonst ausser Kontrolle gerieten - gutartig, aber es könnte ja auch anders kommen.

Abschliessend äusserten sich die beiden Referenten zu ihren ethischen Grundsätzen. Für Verena Soldati gilt der Grundsatz, nie Forschung zu betreiben, deren Resultate auf Grund vom Leiden anderer Kreaturen erarbeitet würden. „Leben ist für mich wie ein Fluss. Was es real ist, hat bis jetzt niemand definieren können." Und auch Wolfgang Holzgreve unterstreicht die Unantastbarkeit von Leben - geborenes wie ungeborenes. Er müsse sich jedoch als Gynäkologe und Geburtshelfer dem Selbstbestimmungsrecht der Frau unterordnen und einen fairen Ausgleich suchen. Als Forscher lehne er Praktiken wie das Klonen à la Dolly ab, weil die Würde des Menschen dadurch verletzt würde.




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