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Publiziert: 01.12.2005 06:00

Argumente für die Autonomie der Universitäten und einen Bottom-up Approach
Eine Frage des Vertrauens

Von Reto Bader

Mit Interesse lese ich die von Theo Wallimann eingebrachte Analyse Klaus Antonis zum Zustand deutscher Universitäten und dessen Forderung nach Selbstbestimmung der Wissenschaften im Sinne der klassischen "Volluniversität".

Besonders wichtig erscheint mir die Bemerkung, dass Autonomie der Universitäten und Autonomie der Wissenschaften nicht dasselbe sind. Anzustreben wäre eine Autonomie der Wissenschaften, welche garantierte, dass Neben- und Miteinander verschiedener Ideen und Disziplinen als leitendes Prinzip vertrauensvoll akzeptiert und auch entsprechend finanziert würde – sozusagen „Live and let live“. Kritischer Dialog und respektvoller Umgang sind in diesem Modus eine Selbstverständlichkeit.

Weshalb herrscht denn heute an Universitäten ein Klima, das eher mit „Live and let die“ charakterisiert werden könnte? Liegt es tatsächlich daran, dass uns Wissenschaftern „von oben“ (Planbürokraten, Verbandsfunktionäre und Hochschulpolitiker) gleichsam ein totalitäres System aufgezwängt wird, in dem wir nur noch kopflos mitschwimmen können („swim or sink“), wie der Artikel suggeriert? Ich bezweifle stark, dass die scientific community in corpore keine andere Wahl hat, als sich solche Eingriffe von aussen gefallen zu lassen.

Von Seiten der Politiker wird immer wieder betont, dass Geld für Forschung und Universität grundsätzlich vorhanden ist, obwohl bei geforderten Budgeterhöhungen sofort der Ruf nach Rentabilität der Universität im volkswirtschaftlichen Sinn ertönt. Ist eine Erhöhung der finanziellen Unterstützung von Forschung tatsächlich gerechtfertigt und können wir den Forschern vertrauen, dass sich diese zusätzlichen Investitionen dereinst lohnen und wenigstens teilweise in Arbeitsplätze umsetzen lassen? Lässt sich das irgendwie lenken/kontrollieren? Für Politiker, die ihre Aufgabe ernst nehmen, sollten solche Fragen selbstverständlich sein.

Im Gegensatz zu einer einseitigen Schuldzuweisung zulasten potentieller Geldgeber möchte ich hier kurz die Frage in den Raum stellen, ob gewisse Probleme nicht teilweise auch selbstverschuldet sind. Beispielsweise zwingt uns Wissenschafter niemand, unseren Erfolg durch die Höhe an eingebrachten Drittmitteln zu definieren und in dieser Hinsicht weniger erfolgreichen (oder einfach sparsameren) Kollegen respektlos zu begegnen. Unsere Erfahrung würde uns im Prinzip erlauben zu erkennen, dass das längerfristige ökonomische Potential von neuen Entdeckungen sehr schwer abschätzbar ist und es deshalb wenig mit Wissenschaft zu tun hat, wenn gegenüber Geldgebern manchmal übertriebene Versprechungen gemacht werden.

Geldgeber lassen das Erfolgspotential von Projekten meist durch Experten-Kollegen einschätzen. Um Erfolg in einem solchen System zu haben, braucht man demnach die Unterstützung von Kollegen, erworben durch hohe Qualität der wissenschaftlichen Arbeit oder häufig leider auch blinde Loyalität nach dem Motto „die eine Hand wäscht die andere“. Selbst für junge Nachwuchs-Wissenschafter gibt es allzu viele Gelegenheiten, sich mit Loyalität gegenüber fortgeschritteneren Wissenschaftern einen Platz in einem Labor zu sichern oder sich die Mitarbeit an einem der grosszügig finanzierten Riesen-Projekte zu erkaufen.

Wissenschaft kann nur blühen, wenn ihre Teilnehmer Beobachtungen und Argumente und nicht Prestige ins Zentrum rücken. Dies durchzusetzen ist Aufgabe aller, vom Studenten bis hin zum Professor, vom Autor bis hin zum Gutachter und Wissenschafts-Editor. Ich bin ziemlich optimistisch, dass die Vertrauensfrage durch Gesellschaft und Politiker dann weniger hartnäckig gestellt werden müsste. Viele destruktive Tendenzen würden sich plötzlich in Luft auflösen und wir könnten uns wieder unserer eigentlichen Aufgabe, dem kritischen Nachdenken, widmen.





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