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Rubrik: Forum
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Publiziert: 29.11.2000 06:00

Leserbrief
Replik II zu Sommarugas Thesen

Die vier Thesen von Nationalrätin Simonetta Sommaruga im ETH Life-Artikel "Forschung nicht im luftleeren Raum" haben Leserreaktionen hervorgerufen. Die Redaktion (Jakob Lindenmeyer)

Roland Bilang <bilang@bluewin.ch> schrieb am Mittwoch, 29.Nov.2000 um 13:09:

Es ist einfach unglaublich dumm und beleidigend, was unsere Konsumentenschützerin vom Dienst von sich gibt: Wer Genforschung betreibe und gleichzeitig einen Biogarten pflege, habe eine gespaltene Persönlichkeit. Vielen Dank für die Diagnose, Frau Sommaruga. Wie lange müssen wir uns solchen Blödsinn eigentlich noch gefallen lassen?

Roland Bilang

Dr. Hauke Hennecke <hennecke@micro.biol.ethz.ch> schrieb am Mittwoch, 29.Nov.2000 um 10:57:

Dass ETH-Life der realitätsfremden und wissenschaftsfeindlichen Frau Sommaruga ein Forum fuer ihre haltlosen Thesen bietet, ist skandalös. Dass ETH-Life den Artikel ueber den Bezug des Institutsgebäudes fuer Molekularbiologie und Biophysik mit einem Biohazard-Logo illustriert, ist ärgerlich. Dass ETH-Life es nicht fuer nötig findet, auf das gleichentags stattfindende, alljaehrliche Grossereignis des D-BIOL - die "ETH Biology Lecture" - speziell hinzuweisen, erzeugt Kopfschütteln. Dies sind drei aktuelle Beispiele aus der mir nahestehenden Disziplin Biologie, die zeigen, dass ETH-Life noch an sich arbeiten muss, um die ETH Zürich via Internet angemessen zu präsentieren. Try harder!

Dr. Hauke Hennecke

Departement Biologie

Dr. Annegret Siebert <annegret@edithwood.freeserve.co.uk> schrieb am Dienstag, 28.Nov.2000 um 14:11:

Wenn der Konsument keine gentechnisch veränderten Lebensmittel kaufen will, ist das doch genügend um die Einfuhr bzw. den Verkauf von gentechnisch deklarierten Produkten zu verhindern. Allerdings muss das gentechnisch veränderte Produkt auch mit einer klaren Bezeichnung versehen sein, welche Verwechselungen ausschliesst. Mir ist bisher keine Person bekannt, die gerne gentechnisch veraendertes Essen konsumieren will.

Warum sollte man hier nicht auch ein umweltfreundliches Zeichen setzen: Ich bin fuer den Schutz der Umwelt und des einheimischen natuerlichen Pflanzenlebens. Ich bin gegen das Chaos, das mit dem Erscheinen von GENPFLANZEN schon jetzt abzusehen ist. Müssen denn erst Leute sterben, oder Krankheiten bekommen, bevor Wirtschaft und Politik zum Vorteil der Landwirtschaft handeln?

Dr. Annegret Siebert

Michael Teuber <teuber@ilw.agrl.ethz.ch> schrieb am Dienstag, 28.Nov.2000 um 11:19:

Es ist ein guter Brauch der Wissenschaft, auf emotionale Provokationen sachlich zu reagieren, selbst wenn einem pauschal öffentliches Engagement als patriarchalisches Besserwissen ausgelegt wird. Die Oeffentlichkeit weiss zu differenzieren (siehe Abstimmung zur Genschutzinitiative).

Unser Wertesystem muss unabhdngig von Amt und Klientel demokratisch weiterentwickelt werden. Dass sich Wissenschaftler bei solchen Diskussionen auch ihrer Emotionen bedienen, ist ein wichtiges, legitimes und notwendiges Element ihrer Glaubwürdigkeit, das allerdings eine fehlende wissenschaftliche Grundlage nicht ersetzen darf.

Michael Teuber

Labor für Lebensmittelmikrobiologie

Thomas Oertle <oertle@hifo.unizh.ch> schrieb am Dienstag, 28.Nov.2000 um 16:09:

Die vier Thesen im Artikel "Forschung nicht im luftleeren Raum", welche von Frau Sommaruga - sicherlich bewusst pointiert - in der Diskussionveranstaltung vorgetragen wurden, zeugen m.E. von einer wenig kritischen Betrachtungsweise des Problems.

Die patriarchale Haltung breiter Teile der Naturwissenschaften sind in der Tat obsolet in der heutigen Zeit; ich würde aber bestreiten, dass dies ein typisches Merkmal der Naturwissenschafter ist. Patriarchale Attitüden sind wahrscheinlich noch vermehrter anzutreffen bei Aerzten und Teilen der Wirtschaft als bei Wissenschafter.

These 2 hinkt an der gleichen einseitigen Wahrnehmung von Frau Sommaruga: es ist nicht widersprüchlicher wenn ein Genforscher sich als Bio-Gärtner betätigt als ein Arzt, der seinen Patienten Antibiotika für jede Erkältung verschreibt, seine Kinder aber mit traditionellen Methoden behandelt. Dass Chirurgen bekanntlich am meisten eine Operation von seiten ihrer Kollegen fürchten spricht auch für sich. Ausserdem ist der Vorwurf so pauschal wie die ganze Genschutz-Diskussion seitens Befürworter und Gegner geführt worden ist: man kann sehr wohl die Gentechnik in der biomedizinischen Grundlagenforschung befürworten, den Nutzen von Gen-Food aber bezweifeln. Das hat etwas mit differenzierter Einstellung und nicht mit gespaltener Persönlichkeit zu tun.

Dass auch Grundlagenforschung in einem politischen-gesellschaftlichen Rahmen stattfindet ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit und seit Feyerabend auch im Gedankengut der Wissenschafter breit verankert. Wissenschaft als solche aber gänzlich zu relativieren und ihr jede Objektivität absprechen hiesse aber das Kind mit dem Bade auszuschütten. Es wird immer gegensätzliche Befunde geben, solange Wissenschaft betrieben wird. Wie aber die Befunde im Bereich der Erwärmung der Geosphäre in den letzten Jahren gezeigt haben, gibt es doch Tendenzen die einen allgemeinen Konsens innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft erzielen können - auch bei so komplexen Problemen. Dass wissenschaftliche Studien nichts absolut beweisen können (Popper) ist kein Problem der Wissenschafter, sondern der Politiker und der Gesellschaft wie sie mit wissenschaftlichen Daten umzugehen pflegen.

Ich stimme Frau Sommaruga bei, dass Fachwissen nicht zwingend Glaubwürdigkeit mit sich trägt - und das ist auch gut so. Im Bereich der Gentechnik hat sich ja gezeigt, dass Universitäten im Jahr 2000 nur bei knapp 4% der Bevölkerung am meisten Vertrauen geniessen - und bei der Wirtschaft sind es nicht einmal 1%. Konsumentenschutzorganisationen mit 34% und Aerzte/Umweltschutzorganisationen mit je über 15% geniessen das grösste Vetrauen in der schweizerischen Bevölkerung. Dies muss den Wissenschaftern zu denken geben und sie zu vermehrter Auseinandersetzung mit der Bevölkerung zwingen. Aber nicht nur: es bedeutet auch eine grosse Verantwortung der Konsumenten-/Umweltschutzorganisationen und Aerzten das Vertrauen welches die Bevölkerung in sie setzt nicht mit Pauschalurteilen zu missbrauchen. Eine differenziertere Beurteilung der sehr wohl kritisierbaren Gentechnik hat man bei den z.T. haarsträubend schlecht informierten Konsumentenschützern im Wahljahr 1998 leider vermisst. Es ist zu hoffen, dass Gegner und Befürworter der Gentechnik dies ändern - ohne dem anderen Persönlichkeitsspaltung und Autoritätsgehabe vorzuwerfen.

Thomas Oertle

Institut für Hirnfoschung





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