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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 25.04.2001 06:00

"Dubya" und das Gartenzelt

Von Arnd Bätzner

Das Verfassen von Kolumnen scheint, betrachtet man die Zeitungslandschaft, häufig auf eine Grundsatzfrage hinauszulaufen: Ernsthaft oder eher zwinkernd? Es ist durchaus möglich, mit einer einzelnen Kolumne politischen Kehraus auf hoher Ebene zu betreiben - zur rechten Zeit der richtige Mann im richtigen Blatt. Aufmerksame Zeitgenossen können auch im Wochenrhythmus immer und immer wieder das Allzumenschliche an der Schnittstelle zwischen Stadt und Schlafstadt festzumachen, leise und doch witzig, ohne die Thematik je zu überreizen.

Auf der anderen Seite stehen die weniger leuchtenden Beispiele wie der Versuch, dem Leser das ferne Amerika nahezubringen, indem der Begriff "compassionate conservatism" erklärt wird. Nicht zerlegt, nein, erklärt. Man hätte auch auf die Webseite der Wahlkampfstrategen verweisen können, die ihn, einem Kunstnamen für ein neues Automobil gleich, kreiert (oder eingekauft) haben. Oder im Akkordrhythmus der Täglichkeit verfasste Restaurant-Kritiken, die durch eine bisweilen repetitive Verwendung der Floskel "mein Partner bestellt..." in Erinnerung bleiben und dadurch, dass auch der letzte Abzockerspunten noch gelobt wird.

Manchmal kann man es einfach kürzer sagen, oder dann aber wenigstens unterhaltend. So hat es eben dieser Bush Junior in beeindruckender Pose auf das Titelbild der aktuellen Ausgabe des SPIEGEL gebracht. Das Mitfühlende des Auftritts erschliesst sich beim Betrachten sofort, und auch das konservative Element ist prominent vertreten, wenn man das Band der historischen Betrachtung etwas dehnt und Westernstiefel als Ausdruck eines eher der Vergangenheit verpflichteten Weltbildes zulässt.

Sogar der Stressjob mit den Restaurantkritiken wäre einfacher zu handhaben, wenn man hin- und wieder eine einfache Warnung wiederholte: von einem Besuch eines Restaurants in kulinarischer Absicht in und um Zürich ist, bis auf wenige Ausnahmen, jedem abzuraten, der entweder dem "Convenience Food" abgeneigt oder dem sein Portemonnaie lieb ist oder beides. Auch wenn sich die Lage in den letzten zwei Jahren erheblich verbessert hat, werden einzelne Lichtblicke dadurch relativiert, dass downtown elsewhere auch ein solcher Aufschwung stattgefunden hat. Nur erstens von einem anderen Ausgangslevel her und zweitens immer noch für einen Bruchteil des pekuniären Gegenwerts.

Der Student hält also auf dem Weg nach Hause nochmal in der Migros an in der untadeligen Absicht, die Essensvorräte günstig aufzufüllen. 500g Erdbeeren zu zweifünfzig in den Korb, weiter hinten deutet eine Ansammlung von Pensionierten auf wegen bevorstehenden Verfallsdatums reduziertes Backwerk hin. Während ich darüber sinniere, ob nun der preishalbierte Abricot-Cake die rechte Wahl ist oder doch der Financier-Cake, fällt mein Blick auf einen weissen Plastikbaldachin, der in seltsam glatter Harmonie zu den Plastikpalmen neben dem Rollband steht.

Die Frage, warum der Abricot-Cake eigentlich Cake heisst und nicht Kuchen, wobei gleiches für den Financier-Cake gilt, und weiteres Sinnieren über Benennungen von Migros-Produkten in der ersten Anglizismen-Welle der Siebzigerjahre lässt mich beinahe das Unerhörte übersehen: Eine der mühsamsten Diskussionen im Vorstand des VSETH war doch die gewesen, wie man künftig schnell und unkompliziert einen Stand aufstellen könnte zur Vereinfachung von Informations- oder Verteilaktionen. Und da steht nun mitten in der Migros dieses Plastezelt, unter dem bei genauerem Hinsehen eine Vielzahl weiterer Plastezelte in Kartons verpackt gestapelt sind. 3x3 Meter, Tiefpreis-Shop, Made in China, Neununddreissig statt Neununfünfzig.


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VSETH Prds Bdtzner
VSETH-Präsident Arnd Bätzner

Es sind diese flatterigen Unterstände, die man normalerweise abgebildet sieht in den Prospekten von Heimwerkermärkten oder Elektronikversendern, meist auf einem englischen Rasen vor einem französischen Landhaus, und meistens mit einem PW der Marke Opel darunter. Mitfühlend konservativ eben, oder anders ausgedrückt: Spiessig bis zum Limit. Kann man so etwas vor der ETH aufstellen?

Die Frage steht im Raum, da sehe ich die beiden Kollegen aus der Bank, die sich jeder einen der Kartons "Gartenzelt weiss" schnappen, genau wie fünf andere Kunden in dieser Zeit. Bon sang, die Leute posten als ob der Zivilschutz zur Vorratshaltung von weissen Plastkbaldachinen aufgerufen hätte. Ich schiele hinunter, nein, die Leute tragen keine Westernstiefel. Unter der texanischen Sonne scheint ein solches Zelt irgendwie sinnstiftend, oder wenigstens vor einem Reihenhaus in Recklinghausen. Gerät nicht, wer in Zürich mit einem solchen Karton aus der Migros kommt, in den nicht zu widerlegenden Verdacht, auch eine Wohnwand zu Hause und einen Lenkradüberzug aus Lammfell im Auto zu haben?

Kurze Zeit später habe ich mich dazu verurteilt, das urdeutsche Wort "Partyzelt" gleich viermal auf die Spesenrechnung zu schreiben. Während die sperrigen Kartons rund um das ETH-Dienstfahrzeug mit Armee-Kontrollschild zu mühsamen Verrenkungen führen, lassen mich die Blicke des Rentnergrüppchens aus sicherer Entfernung ahnen, dass nur der heute zufällig getragene Anzug den sofortigen Ruf nach der Polizei verhindert. Hinter mir braust ein Porsche vorbei, innen zwei Investmentbanker und zwei weisse....Sie wissen schon. Vor Schreck vergesse ich beinahe die Erdbeeren im Einkaufswagen.

Wenn Sie also demnächst auf dem ETH-Areal grell in der Sonne gleissende, rechteckige Unterstände entdecken, nähern Sie sich bitte umgehend dem Geschehen. Denn Sie wissen dann:

1. Hier sind Studierende engagiert rund um ihre Hochschule am Werk. Mit etwas Glück bedeutet das, dass Sie gratis was zu trinken bekommen.

2. Der VSETH wird bemüht sein, Sie in Wert und Inhalt der vermittelten Botschaft vom Stil des Auftrittes abzulenken.

3. Es hat viel Mühe und Überwindung gekostet, bis diese Aktion stattfinden konnte. Es ist daher pädagogisch sinnvoll, dass Sie dies durch Ihr Interesse honorieren, denn Studierende müssen auch ausserhalb des Hörsaales etwas lernen.

4. Ähnlichkeiten mit weissen Zelten, die Sie auf neueren Fernsehbildern im Garten des weissen Hauses entdeckt haben, sind rein zufällig und keine politische Aussage.


Zur Person

Arnd Bätzner wurde in Bonn/Deutschland geboren und ist im französischen Jura aufgewachsen. Er hat am Konservatorium in Genf Klavier studiert und bereitet sich zurzeit auf das Diplom in Hochenergiephysik an der ETH vor. Bätzner ist seit Herbst 1998 Präsident des Verbandes der Studierenden der ETH (VSETH).






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