ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
Print-Version Drucken
Publiziert: 06.11.2002 06:00

Kaffee Türk

keine_Spitzmarke



Türkischer Abend im Jugend- und Quartiertreff Höngg. Der Raum ist gefüllt mit Menschen, denen man ohne weiteres zubilligt, Türken zu sein. Ich habe das sichere Gefühl, dass wir und unsere Nachbarn die einzigen sind, die diesen soziokulturellen Abend zu dem machen, als was er angekündigt wurde: zu einem Türkischen Abend eben. Dafür braucht es Schweizer. Sonst ist es kein Türkischer Abend, sondern ein Nachtessen unter Türken. Ein erster Blick auf das üppige Buffet sagt mir bereits, dass sich der Besuch gelohnt hat. Wir essen uns quer durch all die Köstlichkeiten und geben uns verstohlenen Spekulationen darüber hin, ob die angekündigte Musik wohl noch live aufspielen würde, vielleicht gar mit einer Bauchtanzdarbietung. Die Köchin möchte unser Urteil hören über ihre Baklava. Für unseren Geschmack ist das schon viel zu süss, auch wenn wir uns einig sind: In der Türkei ist da bestimmt noch eine Steigerung drin.

Unser Gastgeber, ein Türke etwa in meinem Alter, erfragt derweil die Vorlieben beim Kaffee. In perfektem Zürichdeutsch sagt er: Die Ausländer mögen den Kaffee meist nicht so schwarz. Erst muss ich nachdenken, wen er meint, dann erst erschliesst sich mir diese wunderbare Pointe, wie sie nur der Alltag hervorbringt: Beim Sprechen über Kaffee fühlt sich der Mann selbstverständlich als Türke und muss also uns - den Ausländern - erklären, was der Unterschied ist, zu dem, was er denkt, was wir erwarten.

Unser Gastgeber war aber innerhalb seiner türkischen Landsleute fast so etwas wie ein Ausländer ja gar ein Schweizer. Sein Äusseres, vor allem aber die Art, wie er sprach und sich bewegte, unterschied sich in nichts von den Menschen um unseren Gasttisch herum. Gleichwohl war sein Geist ganz woanders. Er wehte offenbar mit dem Duft des Kaffees sogleich an den Bosporus.


Zur Person
Der 40-jährige Winterthurer Mathias Egloff hat an der Uni Zürich Zoologie studiert. Seine Welt waren jahrelang die Fische, genauer: der Barsch oder Egli. In seiner Dissertation ging es um das Überleben der Eglilarven und die Rolle, die der erste Vorgang der Schwimmblasenfüllung darin spielt. Sein Engagement für Umwelt- und Konsumfragen führte Mathias Egloff zum WWF: dort erstellte er den Schweizer Teil des “Water and Wetland Index", eine von Managementmethoden abgeleitete europaweite Erhebung über den Zustand von Gewässern und Feuchtgebieten. Weiter engagierte Egloff sich bei der Gründung der Labels „Marine Stewardship Council“ und „fair-fish“. Sein heutiges Wirkungsfeld sind die Systemdienste der ETH, wo er auf die Betreuung von Mac Usern spezialisiert ist - und nicht weniger Herzblut investiert.



weitermehr

Mathias Egloff gross

An der ETH und an der Uni habe ich schon oft die Klage gehört - und wohl auch selber vorgebracht: wenn Professuren neu besetzt werden, kämen doch nur noch Ausländer zum Zug. So eine Art positive Fremdenfeindlichkeit, oder negative Fremdenfreundlichkeit. Da ist was dran. Ich sass als Assistent selber einmal in so einer Berufungskommission. Das Dilemma war, dass eine der ganz wenigen Professorinnen einem Ruf gefolgt war und es nun möglichst galt, wieder eine Frau zu finden. Die Herren in der Kommission fanden keine. Stattdessen ergab sich die Wahl zwischen einem Schweizer mit den allerbesten Qualifikationen, der aber seine Dissertation unter seinem Vorvorgänger gemacht hatte, und einem Ausländer mit ähnlichen Qualifikationen. Dessen Vorteil wiederum war, dass er noch nie vorher in Zürich gearbeitet hatte. Beide Kandidaten waren aber schon an diversen Stellen im Ausland gewesen waren. Was sollte nun gelten: geistige Inzucht vermeiden und mit einem Outsider neue Impulse einbringen? Umgekehrt kann man auch sagen, der mit den Verhältnissen Vertraute wird viel schneller produktiv, vor allem in der Lehre, die leider bei Stellenbesetzungen sowieso fast kein Gewicht hat (oder wurde schon jemand gewählt, weil er oder sie eine guteR LehrerIn war?).

Um mich zu entscheiden, besann ich mich meiner Rolle als Vertreter der Assistierenden: Wenn dieser Schweizer mit diesen Qualifikationen nicht gewählt wird, dann wird kein Schweizer mehr je gewählt werden, weil er immer zu alt sein wird und zu nah an einer Schweizer Universität aufgewachsen ist. Bei denen, die man kennt, sieht man eben auch die Defizite besser. Und vielleicht übersieht man auch schneller ihre Vorzüge, weil man sie als selbstverständlich erachtet. Der Kaffee jedenfalls wird in- und ausländisch auch nur mit Wasser gekocht.




Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!