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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 15.09.2004 06:00

Image aufpolieren – gratis und ohne Kratzer

Von Brigitte Manz-Brunner und Carla Zingg

Letzte Woche titelte „ETH Life“: MIT erhält Präsidentin. Eine Mitteilung, die uns ausserordentlich freute. Wir von der Chancengleichheit erhoffen uns davon natürlich einen gewaltigen Nachahmeffekt, denn „nichts ist so entscheidend für den Anstieg des Frauenanteils wie dieser selbst“ (Christine Nüsslein-Vollhard, Genetikerin, Nobelpreisträgerin 1995).

Das Massachusetts Institute of Technology ist nicht die erste amerikanische Spitzenuniversität, die von einer Frau geleitet wird. Princeton hat seit bald drei Jahren eine Präsidentin. - Und die ETH? Die ETH hat keine einzige Frau in der Schulleitung. Sie ist in reiner Männerhand, gleich wie vor 149 Jahren. Ist das noch zeitgemäss? Passt das zum Image einer Hochschule, die zur Weltklasse gehören will?

Sie werden nun protestieren:„Die ETH will an den Leistungen und nicht am Geschlecht der Spitzenleute gemessen werden.“ Natürlich wollen auch wir nur die besten Leute. Aber Hand aufs Herz: was spricht denn gegen eine Frau in der Schulleitung? Das MIT, mit dem sich die ETH gerne misst, setzt auf Topleute und auf Diversität. (1) Man ist überzeugt, dass es für die Lösung komplexer Probleme nicht nur die besten Gehirne, sondern auch die verschiedensten Kompetenzen und unterschiedliche Sichtweisen braucht. Die ETH ist sehr international zusammengesetzt, doch ist das nur ein Aspekt der Diversität.


Zu den Personen

Brigitte Manz und Carla Zingg leiten im Jobsharing seit 2000 die Stelle für Chancengleichheit an der ETH. Beide sind ETH-Absolventinnen: Brigitte Manz hat Agronomie studiert, Carla Zingg ist Forstingenieurin. Es gehe heute beim Thema Gleichstellung ganz pragmatisch um Kooperation, sagt Carla Zingg: „Die Zeiten des Geschlechterkampfs sind passé.“ Gerade an einer ETH sei an sich allen klar, dass es darum gehe, mit den besten Köpfen, egal ob Frau oder Mann, komplexe Probleme anzugehen. Doch dass die Hochschule die Frauen braucht, gerade weil sie anders sind, stösst auch ein gutes Jahrzehnt nach der Gründung der Stelle für Chancengleichheit nicht auf vorbehaltlose Zustimmung. „Seien wir ehrlich: Mit der Gleichstellungsfrage ist innerhalb der Academia kein Staat zu machen“, sagt Brigitte Manz. Es gebe stilles, aber immer noch weit verbreitetes Ja zur Männerbastion Professur. Die Hypotheken seien längst auf dem Tisch: die fehlende Integration weiblicher Lebensläufe in die akademische Karriere, wenig tragfähige Netzwerke und hartnäckige Vorurteile. Eines ihrer wichtigen Anliegen ist die Förderung weiblicher Role Models. An die ETH sollen nicht nur die besten Männer, sondern auch die besten Frauen berufen werden, fordern die Fachfrauen. Daneben ermutigt die Stelle für Chancengleichheit Akademikerinnen, sich Verbündete zu suchen, offeriert Mentoringprogramme und Informations-Events für den Nachwuchs. Aktuelles Beispiel: die Wanderausstellung zur ETH an Schweizer Gymnasien. Die „ETH Life“- Kolumnen von Brigitte Manz und Carla Zingg sind ein Spiegel ihrer Arbeitsweise; sie zeichnen gemeinsam dafür verantwortlich.




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Carla Zingg (l.) und Brigitte Manz-Brunner sind Gleichstellungsbeauftragte der ETH Zürich.

Diversität meint auch die unterschiedlichen Geschlechter, und da hat die ETH eindeutig ein Defizit, denn sie setzt nach wie vor nur auf Männer. Es gibt zwar einige Professorinnen an der ETH, was beweist, dass die ETH fähige Frauen hat, doch in der Schulleitung sitzen und entscheiden Männer.

Glaubt die ETH auf die Mitsprache der Frauen verzichten zu können? Wenn sie zum Beispiel einen Beitrag zur Lösung der dringendsten Probleme der Menschheit leisten will, wie es im Leitbild der ETH steht? Da ist von Interdisziplinarität die Rede, von vernetztem Wissen, von innovativen Konzepten, die nötig sind; Fähigkeiten, die den Frauen zugeschrieben werden, die geradezu nach Frauen rufen.

Nicht einmal unsere Landesregierung verzichtet auf Frauen. Leider haben wir momentan nur eine Magistratin, aber stellen Sie sich vor, es wäre gar keine Frau im Bundesrat! Auch in der Wirtschaft erobern Frauen Führungssessel. Der deutsche Schering-Konzern zum Beispiel berief vor kurzem eine Frau in den Vorstand und war überrascht vom enormen Echo, das dieser Schritt auslöste. (Der „Tagesspiegel“ schrieb von einem revolutionären Akt.) Stellen Sie sich den Imagegewinn vor, wenn die NZZ berichtet: ETH beruft Frau an die Spitze. Soviel Publizität - ohne einen Franken in Werbung zu investieren! Übrigens untersuchte die amerikanische Organisation Catalyst 353 der erfolgreichsten 500 Unternehmen und stellte fest, dass sie sich unter anderem durch gemischtgeschlechtliche Führungsgremien charakterisieren. (2)

Frauen als Erfolgsfaktor! Worauf wartet die ETH noch? Das 150-Jahr-Jubiläum bietet reichlich Gelegenheit, sich zu profilieren, zu positionieren und in der Welt zu verkünden, dass man zu den Besten gehören will. Der Slogan: "Welcome tomorrow!" ruft geradezu nach zukunftsweisenden Schritten, auch in der Personalpolitik. Da sind Frauen gefragt - oder können Sie sich ein neues Wissenschaftszeitalter vorstellen, wo Frauen nicht mitentscheiden? Eine Revolution ist das nicht, auch keine Utopie, denn das MIT lebt vor, was wir uns zum Jubiläum wünschen.


Fussnoten:
(1) Besuchen Sie die Homepage des MIT: www.mit.edu/
(2) Vgl. The Bottom Line: Connecting Corporate Performance and Gender Diversity, Catalyst, 2004, New York, 27 S.



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