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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen |
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Lobbying: der falsche Weg? |
Dora Fitzli Lobbying ist ein boomendes Geschäft in Washington D.C.. Im Jahr 2005 waren 34'750 Personen als Lobbyisten registriert, das bedeutet mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2000. In der gleichen Zeitspanne sind die Ausgaben der Lobbyisten von 1.56 Milliarden Dollar auf 2.21 Milliarden Dollar angestiegen (1). In der K Street, Downtown in Washington D.C., wo die meisten Lobbyingfirmen ihre Büros haben, findet ein eigentlicher Gold-Rausch statt. Gemäss der Washington Post sind dafür hauptsächlich drei Faktoren verantwortlich (1): Erstens sind die Staatsausgaben 2000 bis 2004 um 30 Prozent auf 2.29 Billionen Dollar angestiegen (2). Zweitens sind beide Kammern des Kongresses sowie das Weisse Haus unter der Kontrolle der republikanischen Partei, was der Wirtschaftssektor als Chance betrachtet, seine Anliegen durchzubringen. Denn anders als unter demokratischer Führung, müssen die Republikaner/innen nicht auch noch die Bedürfnisse der Gewerkschaften berücksichtigen. Dritter Grund ist, dass sich im Industriesektor eine breite Akzeptanz für die Notwendigkeit und Nützlichkeit von professionellem Lobbying durchgesetzt hat. Eine Beschäftigung als Lobbyist wird zudem auch kaum mehr als geschmacklos betrachtet; die Saläre sind zu verlockend. Ein gut vernetzter und langjähriger Mitarbeiter eines Kongressabgeordneten kann in einer Lobbyingfirma mit einem Einstiegslohn von 300'000 Dollar oder mehr rechnen, womit er mehr als doppelt so viel verdient wie vorher. Doch nicht nur die Mitarbeiter/innen aus der Verwaltung und von Kongressabgeordneten zieht es in die K Street, sondern auch die Kongressabgeordneten selbst. In der Zeitspanne von 1998-2004 waren dies insgesamt 43 Prozent; von den republikanischen Senatoren/innen waren es sogar 66.7 Prozent (3). Da die ehemaligen Kongressabgeordneten als Lobbyisten wiederum weit mehr verdienen als in ihrer Tätigkeit auf dem Hill, ist es mittlerweile nicht mehr auszuschliessen, dass eine spätere Lobbyisten-Karriere mit ein Motiv für eine politische Karriere ist. Das starke Lobbying-Wachstum ist für die amerikanische Demokratie aber nicht einfach eine positive Entwicklung, verschiebt sich doch die Macht zum Nachteil der Minderbemittelten noch weiter zu den Wohlhabenden. Dennoch gibt es bis jetzt kaum ernsthafte Bestrebungen, das System grundsätzlich zu überdenken und einzuschränken. Der Aufschrei nach dem Bekanntwerden des Korruptionsskandals um Jack Abramoff von Anfang 2006 hat nicht lange angedauert. Die neuen Regelungen, die nachfolgend im Kongress diskutiert wurden, werden allgemein als zahnlos eingeschätzt. Lobbying ist tief im politischen System der USA verankert und umfasst alle Bereiche. Es gewinnt auch im Bildungs- und Forschungsbereich zunehmend an Bedeutung. Rückgrat sind dabei die zahlreichen Vereinigungen der Colleges und Universitäten sowie die über 125 wissenschaftlichen Gesellschaften (4)(5). Ein Grossteil dieser Gruppen betreibt aber kein Lobbying oder setzt dafür höchstens 20 Prozent ihrer Zeit und ihres Budgets ein. Die Haupttätigkeit ist Beratung ('Advocacy’) in Form von allgemein bildenden Aktivitäten, wie Informationskampagnen, in denen beispielsweise versucht wird, den wirtschaftlichen Gewinn von staatlich finanzierter Forschung aufzuzeigen (6). Die doch sehr fliessenden Grenzen zwischen Lobbying und Advocacying scheinen niemanden zu stören. Ganz ihre Scheu vor Lobbying abgelegt, haben die amerikanischen Universitäten und Colleges, die interne oder externe Lobbyisten beschäftigen. Diese Aktivitäten laufen unter dem Namen „Public Affairs“ oder „Government Relations“. Die grosse und oft zitierte Erfolgsgeschichte des amerikanischen Wissenschaftslobbying ist die Verdoppelung des Budgets der National Institutes of Health (NIH) von 14 Milliarden Dollar auf 28 Milliarden Dollar innerhalb von fünf Jahren (1998-2003). Doch auch für die USA ist dieser Fall einzigartig. Wesentlich war dafür die spezielle Konstellation, dass die Interessen der biomedizinischen und klinischen Forschung weitgehend deckungsgleich mit den Interessen zahlreicher Patientenorganisationen waren. Schon bald wurde dieser Erfolg aber dadurch relativiert, dass das Budget der NIH seit 2004 stagniert und 2006 erstmals seit 1970 gekürzt wurde. So steht die Vermutung im Raum, dass die NIH heute besser dastehen würden, wenn ihr Budget nicht so schnell und stark, sondern dafür kontinuierlich, aber ohne Abbruch angestiegen wäre. (7) Seitdem die amerikanischen Staatsausgaben nicht nur durch Medicare und Medicaid (medizinische Versorgung für Pensionäre und Sozialfälle), sondern auch durch den „War on Terrorism“ enorm belastet werden, ist nun auch die Maschinerie der amerikanischen Higher Education- und Wissenschaftslobby ins Stocken geraten. So kommt die beschlossene Verdoppelung des Budgets der National Science Foundation (NSF) nur noch schleppend voran. (7)
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Auch in der Schweiz sehen die Finanzierungsperspektiven für Bildung, Forschung und Innovation (BFI) nicht rosig aus, obwohl der BFI-Bereich bei den meisten politischen Parteien hoch auf der Prioritätenliste steht. Sowohl die SP, FDP und CVP wie auch die kantonalen Erziehungsdirektoren sprachen sich für die nächste Planungsperiode 2008-2011 für ein sechs- oder höherprozentiges Wachstum für den BFI-Bereich aus. Deshalb kam der erste Grundsatzentscheid des Bundesrates vom 5. Juli 2006 für ein jährliches Wachstum von 4.5 Prozent so überraschend wie enttäuschend. Zudem ist allen bewusst, dass es sich nicht um ein wirkliches 4.5-prozentiges Wachstum handeln würde, da damit nicht nur die Teuerung kompensiert, sondern vor allem auch offene und neue Verpflichtungen in der Berufsbildung und im Fachhochschulbereich beglichen werden müssten. Damit bliebe letztlich für den Schweizerischen Nationalfonds (SNF), den ETH-Bereich und die kantonalen Universitäten nicht mehr viel zusätzliches Geld übrig. Dies ist in Anbetracht des grossen Nachholbedarfs beim SNF und den steigenden Studierendenzahlen höchst bedenkenswert. In dieser und ähnlichen Situationen taucht immer wieder die Frage auf, wie die NIH ihre Budgetverdoppelung erreicht haben. Da es sich dabei – wie oben dargelegt – auch im den USA um einen Einzelfall handelt, ist eine Nachahmung schwierig und es ist zudem aufgrund der amerikanischen Exzesse fraglich, ob Lobbying nach amerikanischen Vorbild wirklich der richtige Weg wäre.
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Fussnoten:
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