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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 16.03.2005 06:00

Truck Science und „smart“ Science

Von Helmut Weissert

Seit einigen Wochen ist er unterwegs. Er beeindruckt mit seinem kraftstrotzenden Auftreten Presse und Öffentlichkeit. Hundertfach abgelichtet wird er für die ETH zum perfekten Werbeträger des Jubiläumsjahrs. Der ETH-Truck ist bald nicht mehr aus unserem Strassenbild wegzudenken. Bevor ich ihn in Wil aus nächster Nähe sehen durfte, stellte ich mir ihn als mobile Wissenschafts-Ludothek vor, innen gefüllt mit Computern, mit einer Laborecke und mit einem ETH E-learning Portal. Doch die Enttäuschung war gross, vor dem Wiler Gymnasium gähnte mir der Truck mit seiner leeren Ladefläche entgegen. Der Marktplatz, übrigens eher mässig besucht, war ins Schulhaus verschoben worden.

Mir wurde in Wil die Gelegenheit geboten, in einer Nachmittagsstunde den interessierten Schülern und Schülerinnen aus meinem Forschungsalltag zu erzählen. Ich wollte ihnen Einblick in die Erforschung der Ozeane geben, ich wollte über Zusammenhänge von Klima und Riffsterben berichten. Nun, der Besucherandrang in der Aula hielt sich in Grenzen. Immerhin, die vier anwesenden Schülerinnen waren motiviert und interessiert und das anschliessende Gespräch mit einem Geographielehrer war anregend und äusserst aufschlussreich.

Lehrer und Schülerinnen bestätigten mir, sie waren über den Besuch der ETH erfreut. Der Lehrer fragte allerdings nach der Nachhaltigkeit dieses Besuchs, er interessierte sich, ob die ETH auch nach dem Jubiläum noch an einem intensivierten Kontakt mit den Mittelschulen interessiert sei. Als Lehrer würde er sich freuen, wenn Resultate aktueller Forschung vermehrt in den Unterricht eingebaut werden könnten, wenn Neues aus der Hochschule etwa in Themenmappen oder Materialienheften auch für Schulen zusammengestellt würde.


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Helmut Weissert geht es um die ganz grossen Zusammenhänge, sowohl auf der Zeit- wie der Raumachse. So ist eines der zentralen Themen, die ihn als Geologen beschäftigen, die Geschichte der Ozeane. „Wir sind schon etwas grössenwahnsinnig“, bekennt der aus Winterthur stammende Leiter der ETH-Forschungsgruppe „sediments, past oceans, and climate“. Was brauchts, um ein erfolgreicher Geologe zu werden? „Detektivisches Gespür. Ich empfehle Studierenden, immer mal wieder einen Krimi zu lesen“, so Weisserts etwas überraschender Tipp. Vergangene Ozeane: Schnell entsteht da heute der „Verdacht“, des l’art pour l’art. – Im Gegenteil, meint Weissert. Oft seien aktuelle Fragen die Auslöser für sein Forschen. Weisserts Team versucht zum Beispiel herauszufinden, wie die aktuelle Klimaveränderung das Wachstum der Riffe nachhaltig stören könnte – anhand der Spurensuche bei analogen Ereignissen in der Erdgeschichte. Bei dem, was uns und der Nachwelt blühen könnte, weicht die kriminologische Freude schnell der Besorgnis: „Die Erde ist durch zuviel CO2 oder Methan nicht kaputt zu kriegen, unsere Kultur langfristig aber sehr wohl“, so Weissert. Den Blick für die langfristigen Nebenwirkungen menschlichen Handelns zu schärfen, ist eines seiner Anliegen. Es erstaunt nicht, dass sein Denken in grossen Systemen keine verabsolutierte Naturwissenschaft zulässt. So sieht der die Kunst in der Rolle eines für die Wissenschaft unverzichtbaren Souffleurs.




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Geologieprofessor an der ETH und "ETH Life"-Kolumnist: Helmut Weissert.

Vielleicht werden vermehrt ETH-Forscher die Zeit finden, an einer Arbeitswoche einer Mittelschule als Experten mitzuwirken. Ich war in Wil deshalb nicht überrascht, dass die neuen E-learning Module, die wir in den Erdwissenschaften seit einigen Jahren zusammenstellen, bei Lehrern und auch bei einzelnen SchülerInnen auf ganz spezielles Interesse gestossen sind.

Nach dem Wil-Tag drängt sich für mich die Frage auf, ob diese Mittelschultage im Unterrichts-Alltag ihre Spuren hinterlassen werden.Es besteht kein Zweifel, der ETH-Truck ist ein ausgezeichneter Werbeträger, er macht auf unser Jubiläum aufmerksam. Die ETH bleibt im Gespräch. Vergessen wir aber nicht, dass neben den Medien auch die SchülerInnen und die Lehrerschaft Zielpublikum der aufwändigen Truck-Aktion sind. Wir müssen uns fragen, ob einige Markstände mit nicht immer ganz frischen Produkten, kombiniert mit Vorträgen den heutigen Erkenntnissen der Wissensvermittlung entsprechen. Sind SchülerInnen mit einem einmaligen kurzen Besuch für Wissenschaft zu begeistern? Falls das Truck-Science- Experiment bei uns eine breite Diskussion auslöst, wie wir zur Nachwuchsförderung in den Mittelschulen beitragen können, dann war das Jubiläumsprojekt erfolgreich.

Was sollten wir tun, falls wir auch nach dem Jubiläumsjahr an den Mittelschülern interessiert sind? Wir sollten bestehende Aktivitäten verstärken. Die Dozierenden, welche bisher schon Kontakt mit Mittelschulen pflegten, sollten an der ETH mehr Unterstützung und Anerkennung für ihre Arbeit erhalten. Wir sollten uns die Zeit nehmen, und mit der interessierten Lehrerschaft einen Dialog aufnehmen, der über die Jubiläumstage hinausgeht. Wir können uns vermehrt an Weiterbildungstagen für Lehrpersonen engagieren. Wir können, mit Unterstützung der ETH, Materialien erarbeiten, die auch im Mittelschulunterricht umsetzbar wären. Und ich wünsche mir, dass der schwerfällige Truck durch einen beweglichen „smart“ ersetzt wird.

Mit dem „smart“ können wir Mittelschulen in der ganzen Schweiz immer erreichen, der Platz im „smart“ reicht für die neu produzierten e-learning Produkte, für DVD’s und, ganz wichtig, für Einladungskarten an die ETH. Bei uns an der ETH werden SchülerInnen in den echten Labors den ungeschminkten Wissenschaftsalltag erleben, sie werden Laborbesuche in ihre Wissens-Arbeitswochen integrieren können. „smart“ Science anstelle von Truck Science könnte uns neue Horizonte in der Zusammenarbeit ETH-Mittelschulen eröffnen.




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