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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 23.04.2003 06:00

DSSDSF oder By the Rivers of Babylon

Von Matthias Erzinger

Die Bilder des ausgeraubten Nationalmuseums in Bagdad haben mich an die Geschichten aus Mesopotamien erinnert: an Babylon, an den Turm als Sinnbild des Machbarkeits- und Fortschrittsglaubens. Der Turm wuchs nicht in den Himmel. Gott, so steht geschrieben, sandte die grosse Sprachwirrnis aus und bestrafte damit die Himmelsstürmer. Auch bei uns herrscht da und dort die grosse Sprachwirrnis...

Ein Beispiel: Was bewegt die nichtakademische Mehrheit unserer Bevölkerung wirklich? Ist es das virtuelle Klon-Baby, der Gen-Weizen, die Stammzellen? Trotz der dargestellten „tiefen Betroffenheit“ der Bevölkerung durch die Gentechnologie liegt meines Erachtens die Realität ganz woanders. Nämlich in den nachfolgenden Abkürzungen: GZSZ, AMB, DSDS oder jetzt wieder BB (The Battle). Diese Abkürzungen verkörpern für viele Menschen sehr viel. Eigentlich fast alles. Geborgenheit. Vertrautheit. Ergänzt vielleicht noch um MC 117 gar das Leben schlechthin. Ganz besonders abgeräumt hat DSDS. Wow, war das aber spannend. Woche für Woche. Unsere MH zusammen mit DB. All die netten Jungs und Mädels. Eine Freude. Unsere Zukunft!

gross

Wie bitte? Keine Ahnung, wovon ich spreche? Entschuldigen Sie bitte, geschätzte Leserin oder Leser, aber wo leben Sie? Was heisst H2O? Wasser? - Das wissen Sie dann wieder. Aber Sie können GZSZ nicht von Friends, oder DSDS vom Eurocontest unterscheiden. Wie? Für Sie ist AMB und BB Hans was Heiri? Noch nie etwas von „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ gehört? Von „Ally McBeal“ und „DEUTSCHLAND SUCHT DEN SUPERSTAR“?

Nicht die für Laien unverständliche Sprache der Forschenden ist das Problem. Daher müsste im Nationalrat eine Motion eingereicht werden, die schweizweit den Aufbau einer Stiftung fordert, beispielsweise unter dem Namen „Cité et Science“. Einzige Aufgabe: den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern endlich die TV-Serien und das Leben der sie konsumierenden Menschen zu erklären.


Zur Person

Nach Tätigkeiten in Fotografie, Journalismus, Marketing und Internetbusiness wurde der ehemalige ETH-Chemiestudent Matthias Erzinger 1998 der Mann für Kommunikation bei ETH Transfer, der Schnittstelle zwischen Hochschule und Wirtschaft. Dabei hat sich der vielseitig Begabte hartnäckig zum Ermöglicher von Hochschulprojekten für die Öffentlichkeit gemausert. Zwei Grossevents waren für ihn Aha-Erlebnisse: Das begeisterte Publikumsecho am Zürcher Wissensfestival im Mai 2001 und bei ‚Ada', dem Auftritt von Uni und ETH an der Expo.02. Diese hätten gezeigt, dass die Hochschulen die breite Bevölkerung ansprechen können ohne anbiedernd zu wirken. "Ich finde, das ist kein ‚nice to have', sondern ein ‚must'", sagt Erzinger. Die ETH sitze auf einem enormen Potential an Wissen, und es sei ihre Pflicht, das hinauszutragen.




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ETH-Life-Kolumnist Matthias Erzinger. gross

Zwar hätten die TV-Stationen eigentlich die Pflicht, alles daran zu setzen, um die Kluft zwischen Bildungsbürgertum und dem nach Schweiss riechenden staubigen Gölä-Büezer-Bild oder der Coiffeuse mit dem dicken Make-up und den hohen Schuhen zu überbrücken. Das Gegenteil findet statt: Die gebildete Minderheit wird immer mehr in die Ecke gedrängt. Die Schulen werden immer schlechter! Die Traumwelten der Kanäle lassen die Kanalarbeitenden Bildung und Wissenschaft völlig verdrängen.

Was tun? Der „Turm-zu-Babel-Effekt“ ist schon weit verbreitet. Aber keine Sorge: die Lösung liegt auf der Hand. Sie würde aus der Schweiz ein einig Volk von Schwestern und Brüdern machen. Die Fragestellung lautet ganz einfach: Wie bringe ich die Forschenden am Abend vor die Glotze. Und wie bringe ich das fertig, ohne gleichzeitig deren Stammkundschaft zu vergraulen? Die Antwort ist ebenso einfach wie genial. DSSDSF. „Die Schweiz sucht den Super Forscher“ (Es darf auch eine -in sein).

Ein Casting-Format mit Klaus J. Stöhlker und Beatrice Tschanz als Jury-Chefs. Der Ober-Experte Stolte-Benrath und seine Zunft (Albert Stahel, Imhof, etc) als Show-Block. Der Nationalfonds als Sponsor. Co-Moderation: Olaf Kübler und Patrick Aebischer.

Illustrationen: Marisa Grassi. gross

WWM (Wer wird Millionär) wird integriert, indem natürlich Stefan Klapproth (Entschuldigung, Günther Jauch) die ersten Runden mit den gemeinsten Fragen bestreitet. Die Finalisten schliesslich lösen Gleichungen, führen ein eigenes Miniprojekt durch, arbeiten transdisziplinär, interdisziplinär und singulär, und jede Woche wird knallhart abgewählt. Schadenfreude triumphiert und Tränen fliessen.

Ich bin überzeugt: mit diesem Knüller wären die Schweizer Strassen leergefegt wie zu TV-Urzeiten. Die Nation sitzt vereint vor dem Fernseher und bangt mit den jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf deren Weg zum Forschungsolymp. Das eidgenössiche Parlament erhöht die Forschungsgelder um dreistellige Prozentzahlen. Die Professorinnen und Professoren können wieder ein menschenwürdiges Dasein fristen. Forschung wird zur Basis einer Schweiz ohne Röstigraben. Babylon ist ganz weit weg.

Auf jeden Fall habe ich das Format sicherheitshalber schützen lassen, und hoffe nun darauf, damit Kohle zu scheffeln... im Dienste der Gesellschaft, des Vaterlandes und vor allem der Wissenschaft. Deren Dankbarkeit, das weiss ich genau, wird unermesslich sein. Denn alles bleibt gut.




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