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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 24.12.2003 06:00

Öffentlicher Auftrag - wer zahlt, befiehlt

Von Martin Näf

Es ist Weihnachten, Zeit der Geschenke. Und damit auch Zeit, etwas darüber nachzudenken. Eines dieser "Geschenke" möchte ich zum Thema dieser Kolumne machen: Die Milliarde Franken, die der Bund - und damit der Steuerzahler - jedes Jahr in unsere Hochschule fliessen lässt. Das Wort habe ich deswegen in Anführungszeichen gesetzt, weil es eigentlich eine Investition mit entsprechendem Profit sein soll.

Als Hochschule bieten wir in erster Linie Bildung als Gegenwert an. Damit soll unserer Volkswirtschaft Wissen in Form von gut ausgebildeten Spezialisten zugeführt werden, eine der wenigen Ressourcen, die unser Land bieten kann. Die ETH ist für viele technische Berufe die einzige Möglichkeit, um sich in der deutschsprachigen Schweiz entsprechend auf Universitätsniveau zu qualifizieren. Diese Monopolstellung bringt gewisse Nachteile mit sich: Konkurrenz um die besten Studierenden spornt an, bessere Lehre zu bieten, wie der Wettstreit zwischen Universität Zürich und der Hochschule St. Gallen im Bereich der Wirtschafts- und Rechtswissenschaften zeigt. Im Gegensatz dazu ist eine Hochschule mit Monopol faktisch dazu verpflichtet, auch das Mittelmass zu bedienen, um den Bedarf der Wirtschaft abzudecken. So sehr wir uns auch gegen den wenig attraktiven "Durchschnitt" wehren: Eine reine Eliteschule ohne alternative Möglichkeiten ist politisch nicht machbar.

Das Modell MIT, Paradebeispiel einer Eliteschule, fällt damit aus dem Rennen. Doch wenn ich schon auf die andere Seite des grossen Teichs schaue, dann scheint mir das System der University of California einen tauglichen Vergleich herzugeben. Zum grossen Teil staatlich finanziert, ist die UC verpflichtet, eine gewisse Anzahl Undergraduate Students anzunehmen. Genau wie an der ETH werden damit signifikante Ressourcen für die Lehre gebunden, eine reine Konzentration auf die Forschung ist nicht mehr möglich. Auf dem Master-Level hingegen fällt die Bindung weg, hier können die UC-Departemente frei bestimmen, wer akzeptiert wird. An der ETH ist diese Freiheit faktisch verbaut mit dem klaren Credo, dass ein ETH-Bachelor automatisch den Zugang zum Masterstudium ermöglicht. Diese Verpflichtung, auch durchschnittlichen Studierenden die Möglichkeit zum Abschluss zu bieten, entspricht dem Auftrag, den uns der Steuerzahler auferlegt hat - wir sollten sie nie vergessen, auch wenn wir uns lieber mit dem MIT messen möchten.

Im Wunsch, nur die besten Studierenden aus einem internationalen Pool anzulocken, wurde auch die Sprachregelung in letzter Zeit deutlich gelockert. Während meiner Studienzeit war Englisch als Unterrichtssprache die absolute Ausnahme, heute ist die Idee, Master-Programme komplett in Englisch anzubieten, durchaus mehrheitsfähig geworden.

Ich fürchte mich allerdings etwas vor den Signalen, die damit ausgesandt werden: Vorprogrammierter Brain-Drain. Wer hierher kommt ohne die Absicht, eine Landessprache zu lernen, wird mit Sicherheit nach Studienabschluss wieder in die weite Welt ziehen.


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Martin Näf, Doktorand der Informatik und derzeit "ETH Life"- Kolumnist.

Ein gefundenes Fressen in einer Zeit, in der die SVP mit isolationistischen Parolen Wählerstimmen im Multipack abholt - und damit über unser Budget und unsere Ausrichtung ein kräftiges Wort mitredet.

Im Streben nach Internationalität begeben wir uns hier auf dünnes Eis, welches sorgfältig begangen werden will. Dass wir die Leute aus anderen Nationen dank unseren Immigrationsgesetzen oft gar nicht für unsere Wirtschaft hier behalten können, selbst wenn wir wollten, ist natürlich eine andere Geschichte - aber wer denkt schon so weit...

Auch wenn es vielleicht oben etwas anders tönt, will ich mit dieser Kolumne nicht gegen die Ausrichtung hin zur internationalen Spitzenuniversität anrennen, im Gegenteil. Aber ich möchte dazu aufrufen, beim Verkauf unserer Hochschule nicht nur die Elite zu preisen, sondern auch den Nutzen für den Geldgeber - das Volk - in verständlicher Form zu verkaufen.


Zur Person

Dass er Informatiker wird, stand für ihn immer fest. Martin Näf, Doktorand am ETH-Computer Graphics Laboratory hantierte schon als Elfjähriger mit einem programmierbaren Taschenrechner, mit 15 entwickelte er kommerzielle Software und verdiente damit sein erstes Geld. Dennoch: Technik in Reinkultur wäre ihm zuwenig. „Ich bin halt zu sehr auch Sinnesmensch“, sagt er. In der Virtual Reality hat er darum sein ideales Tummelfeld gefunden. Für seine Doktorarbeit hat Martin Näf die die Softwareschnittstelle zur Applikation von „The blue-c“ entwickelt, dem grossen ETH-Projekt, das den Weg zur Telekonferenz der nächsten Generation aufzeigt. Mit „blue-c“ kann man dereinst in Zürich eine Person auch dann dreidimensional begrüssen, wenn diese sich in Santa Barbara aufhält.

Leidenschaftlich betreibt Martin Näf sein Hobby, die elektronische Musik. Im hochgerüsteten Heimstudio produziert er Ambient-Klänge von beeindruckender Qualität. Im Frühjahr 2004 beginnt für ihn ein neuer Lebensabschnitt: dann wird er 30, und etwa gleichzeitig sollte seine Diss fertig sein. Nach neun Jahren ETH und viel Engagement für Gremien wie die AVETH, den SSD und die Unterrichtskommission des Departements Informatik hat Martin Näf nun einen Postdoc in fernen Landen im Visier.






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