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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 05.12.2003 06:00

ETH-Fluglärmstudie 2000 und Befragung 2001
Gleicher Pegel, stärkere Reaktion

Die Auswertung einer Befragung zur Belästigungssituation im Gebiet um den Flughafen Zürich-Kloten hat ergeben, dass es zwar eine Dosis-Wirkungsbeziehung zwischen Fluglärm und Belästigung gibt, dass diese jedoch durch andere Faktoren, die nichts mit Fluglärm zu tun haben, beeinflusst wird. Es gibt aber Hinweise, dass sich die Belästigungsreaktion in den letzten Jahrzehnten bei gleichem Pegel verändert hat.

Von Regina Schwendener

Wie gross ist die Fluglärmbelästigung in der Region um den Flughafen Zürich-Kloten? Um welche Zeit empfinden die Flughafenanwohner Fluglärm als besonders störend? Hat sich die Fluglärmbelästigung in den letzten Jahren verändert? - Auf diese und ähnliche Fragen versuchen Katja Wirth (sie schreibt ihre Doktorarbeit innerhalb des Projekts), Mark Brink und Christoph Schierz vom Institut für Hygiene und Arbeitsphysiologie der ETH Zürich (1) eine Antwort zu finden. Sie haben deshalb im Rahmen der Lärmstudie 2000 im August 2001 eine Befragung in der Flughafenregion durchgeführt, die im August 2003 wiederholt wurde. Jetzt liegen Teilergebnisse vor.

1826 Personen befragt

3486 zufällig aus 57 Gemeinden in einem Umkreis von 20 Kilometern rund um den Flughafen ausgewählte Personen erhielten einen Fragebogen zugeschickt. Die darin enthaltenen Fragen wurden zu einem grossen Teil auch schon in Befragungen im Ausland gestellt, so dass diese Studie international vergleichbar ist. Von den angeschriebenen Personen haben 1826 geantwortet. Das entspricht einer recht hohen Rücklaufquote von 52,4 Prozent.

Das Untersuchungsgebiet beinhaltet Regionen mit Zivilfluglärm (1298 Personen), mit Militärfluglärm (133 Personen), mit Militär- und Zivilfluglärm (122 Personen) und Kontrollgebiete ohne Fluglärm (273 Personen). Zudem galt es zu beachten, dass im Umfeld des Flughafens Zürich-Kloten seit ein paar Jahren mehrere Gegebenheiten die Gemüter erhitzen, die ebenfalls Einfluss auf das Lärmempfinden der Bevölkerung haben. Katja Wirth nennt die Pistensperrung mit dadurch verändertem Abflugregime im Sommer 2000 oder das gekündigte Luftverkehrsabkommen mit Deutschland im Mai 2000 und die bis heute andauernden neuen Verhandlungen oder die Südanflüge. Die Diskussionen betreffen den Zivilflugverkehr, nicht aber den Militärflugbetrieb des nahen Militärflugplatzes Dübendorf.

Sie sind dem Lärm auf der Spur: (v.l.) Mark Brink, Katja Wirth, Christoph Schierz. gross

Zusammenhang kleiner als erwartet

Die Resultate der Studie wurden mit der Lärmstudien von 1990 und 1971 verglichen. Die Auswertungen zeigen, dass der Zusammenhang zwischen Fluglärm und Belästigung vergleichsweise klein ist, bekennt Katja Wirth. Das Gefühl, vom Lärm der Flugzeuge belästigt zu werden, habe in Gebieten mit keinem und wenig Fluglärm bei vergleichbarem Lärmpegel zugenommen. Es gebe Hinweise, dass es in Gebieten mit wenig oder keinem Fluglärm mehr stark Belästigte und in Gebieten mit starkem Fluglärm mehr nicht Belästigte gebe als vor 30 Jahren, sagt Katja Wirth. Dies führe zur Vermutung, dass moderierende Faktoren und betriebliche und politische Veränderungen im Umfeld des Flughafens zunehmend an Bedeutung gewinnen würden.

Weiter sagt die Studie aus, dass Militär- und Zivilfluglärm bei vergleichbarem Pegel und je nach Tagesrhythmus als Belästigung unterschiedlich empfunden wurden. Zivilfluglärmbetroffene gaben eine höhere Belästigung an, als Militärfluglärmbetroffene. Dabei müssten aber die unterschiedlichen Charakteristika der beiden Lärmarten, die unterschiedliche Dauer des Lärmmittels und die unterschiedliche zeitliche Verteilung der Flüge (kein Militärflugbetrieb am frühen Morgen, über den Mittag, am Abend und am Wochenende) berücksichtigt werden, bemerkt die Doktorandin.


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Um welche Zeit empfinden die Flughafenanwohner Fluglärm als besonders störend? - Auf diese und andere Fragen, versuchte die Studie eine Antwort zu finden.

Das allgemeine Belästigungsurteil wurde aufgrund der Situation in der Wohnung, bei geöffnetem Fenster, oder draussen vor dem Haus gefällt. Analysen zeigen, dass das Belästigungsurteil von sogenannten Moderatorvariablen viel stärker abhing als vom physikalischen Lärmmass (Pegel). Moderatoren sind nicht-akustische Faktoren, die die Belästigung beeinflussen, ohne ihrerseits vom Lärmpegel beeinflusst zu sein. So ist die hohe durchschnittliche Belästigung in Gebieten bemerkenswert, in denen der Fluglärm nicht lauter als der Umgebungslärm ist.

Sensible Reaktionen

Analysen zeigen, dass das Belästigungsurteil von sogenannten Moderatorvariablen viel stärker abhängt als vom physikalischen Lärmmass (Pegel). Je nach Einstellung gegenüber dem Flugbetrieb - positiv oder negativ motiviert – fallen die Ergebnisse der Umfrage aus. So empfinden Menschen die Belästigung durch den Fluglärm bei gleichem Pegel stärker, wenn sie sich selbst zum Beispiel oft mit Ohrenpfropfen oder das Schliessen der Fenster gegen den Lärm schützen wollen, aber auch, wenn sie mit akustischen Aspekten des Wohnens - Strassenlärm, Schalldämmung innerhalb des Hauses - unzufrieden sind.

Je kleiner das Vertrauen in die Sicherheit des Flugverkehrs oder in die Politiker ist, je stärker ist das Empfinden von Belästigung, die weitere Nahrung in der Angst vor gesundheitlichen Schäden findet. Je positiver die Einstellung gegenüber Flugbetrieb, Flugsicherheit und Politiker ist, wird auch der Fluglärm weniger als Belästigung empfunden. Unabhängig von positiver und negativer Einstellung reagieren Menschen aufgrund ihrer eigenen Lärmempfindlichkeit stärker oder schwächer. Bei den meisten dieser Moderatoren ist die Richtung des Zusammenhangs nicht klar: Sind die Personen stärker belästigt, weil sie negativ gegenüber den Lärmverursachern eingestellt sind, oder beeinflusst die Belästigung ihre Einstellung gegenüber den Lärmverursachern? "Wahrscheinlich ist beides ein Stück weit der Fall", meint Katja Wirth.

Weitere Erhebungen nötig

Um die Vorgänge zu verstehen, welche die Belästigung durch Lärm auf dem Hintergrund wechselnder sozialer, wirtschaftlicher, politischer oder betrieblicher Bedingungen beeinflussen - und diese für Voraussagen nutzen zu können, seien kontinuierliche Erhebungen der Veränderungen im Umfeld des Flughafens als auch der Reaktion der Bevölkerung auf den Fluglärm nötig.

Die Studie gibt keine Auskunft darüber, wie viele Personen durch Fluglärm im Schlaf gestört wurden. Hier wird eine Feldstudie, bei der der Schlaf unter Fluglärmeinfluss physiologisch und psychologisch untersucht wird, Aufschluss geben.


Datenmaterial dank Empa

Die Empa, Abteilung für Akustik und Lärmbekämpfung, hat für das Wohnquartier jeder antwortenden Person verschiedene Fluglärmwerte berechnet. Darunter sind der Leq (äquivalenter Dauerschallpegel, ein über die Zeit verrechneter Durchschnittspegel) für Tag und Nacht, NNI (Noise and Number Index; ein früher in der Schweiz gebräuchliches Lärmmass), NAT68 (Number above threshold; ein Lärmmass, das die Anzahl Flugereignisse über einem MaximalPegel von 68 dB(A) zählt, basierend auf der Theorie, dass nur solche Ereignisse störend sind), und viele andere. Damit verfügt die Studiengruppe des IHA über ein über sehr detailliertes Datenmaterial.




Fussnoten:
(1) Institut für Hygiene und Arbeitsphysiologie der ETH Zürich (IHA): www.iha.bepr.ethz.ch/



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