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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 09.06.2006 06:00

Podiumsdiskussion Babies and Bosses
Wo bleiben die Männer?

Frauen bleiben nach der Geburt der Kinder häufig auf der Karriereleiter stecken. Eine Podiumsdiskussion im Stadthaus Zürich zeigte auf, wie die Chancen der Frauen in Wissenschaft und Wirtschaft verbessert werden könnten.

Felix Würsten

Das Dilemma ist bekannt: Frauen haben heute im Prinzip die gleichen Berufschancen wie Männer – doch in der Realität sind es meistens doch nur Männer, die Karriere machen, während die Frauen nach der Geburt der Kinder in ihrer beruflichen Entwicklung stagnieren. "Babies and Bosses: Verhindert die Kinderfrage, dass Frauen Karriere machen?" war denn auch die berechtigte Ausgangsfrage, über die am Mittwoch Abend Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft sowie eine Politikerin im Stadthaus Zürich diskutierten.

Es braucht Mentalitätswandel

"Das Problem sind die Männer", fasste Diskussionsleiterin Esther Girsberger die Eingangsvoten der Diskussionsteilnehmer zusammen. Tatsächlich fühlen sich vom Thema "Kinder und Karriere" immer noch primär Frauen angesprochen – im gut besetzten Saal jedenfalls waren nur einige wenige versprengte Männer auszumachen. Wo also müsste angesetzt werden, dass sich in den Köpfen der Männer etwas ändert?

ETH-Präsident Ernst Hafen bestätigte, dass es einen Mentalitätswandel braucht. "Wir benötigen dringend erfolgreiche Rollenmodelle." Dass die ETH zwar 30 Prozent Studentinnen hat, aber nur 7 Prozent Professorinnen, sei ein Defizit. "Da entgeht uns ein enormes Potential." Problematisch sei dies vor allem in Disziplinen mit geringem Frauenanteil. Deshalb müsse bereits in der Schule die Faszination für diese Fächer gefördert werden.

Hafen kritisierte auch, dass die Stadt Zürich die Idee der ETH, in Science City eine öffentliche Tagesschule zu führen, nicht mit Freude aufgenommen hat, sondern vielmehr die Befürchtung äusserte, auf dem Hönggerberg entstehe eine "Gettoschule" für Akademiker. Wer als Frau eine akademische Karriere einschlagen wolle, müsse sich vielleicht auch besser überlegen, wann der ideale Zeitpunkt für Kinder ist. "Je früher man die akademische Laufbahn unterbricht, desto einfacher ist es, wieder einzusteigen." Hafen glaubt, dass die Bologna-Reform günstige Anreize schaffen wird. "Nach dem Abschluss des Bachelors gibt es nun eine erste Zäsur, bei der sich eine Babypause anbietet."

Massgeschneiderte Lösung

René Hoppeler, Leiter Personal bei der Zürcher Kantonalbank, erläuterte, wie die Bank ein familienfreundliches Arbeitsumfeld zu schaffen versucht. "Wir sahen, dass wir eine massgeschneiderte Lösung für unsere Firma finden müssen." Dass Frauen (mit Kindern) nach wie vor Mühe haben, Karriere zu machen, liege vor allem an drei Faktoren: erstens mangelndes Selbstvertrauen, sowohl der Frauen, die sich keine Karriere zutrauen, als auch der Männer, die befürchten, mit einer Teilzeitstelle an Prestige zu verlieren; zweitens Vorurteile der Vorgesetzten, die nur die Nachteile, nicht aber die Vorteile von Teilzeitarbeit sehen; und drittens schliesslich eine ungünstige Studienwahl. "Viele Frauen studieren beispielsweise Sprachen", so Hoppeler. "Solche Absolventinnen sind für uns als Bank nicht sehr interessant."


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Diskutierten fast ausschliesslich vor Frauen: Julia Gerber Rüegg, Ernst Hafen, Esther Girsberger (Moderation), René Hoppeler und Alex Beck. gross

Bemerkenswert ist, dass die Zürcher Kantonalbank heute auch Teilzeitangestellten Funktionen mit Führungsanteil ermöglicht. "Man kann solche Aufgaben auch wahrnehmen, wenn man nicht hundert Prozent arbeitet", ist Hoppeler überzeugt. Den jungen Frauen rät er, sich immer wieder mit ihren Partnern über das gewählte Lebenskonzept zu unterhalten.

Mehr Staat, trotz allem

Die Bemühungen der Zürcher Kantonalbank findet Alex Beck, wissenschaftlicher Projektleiter beim Think Tank Avenir Suisse löblich. Denn die Arbeitgeber spielen seiner Ansicht nach eine entscheidende Rolle. Wichtiger wäre jedoch, die staatlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. So fehle es beispielsweise an Tagesschulen, und das Steuersystem sei zuwenig familienfreundlich. Obwohl Avenir Suisse dem Ruf nach staatlichen Lösungen sonst eher skeptisch gegenüber steht, fordert die Stiftung in diesem speziellen Fall ein stärkeres Engagement der öffentlichen Hand. "Die Vorteile", so Beck, "überwiegen einfach zu stark."

Die Zürcher SP-Kantonsrätin Julia Gerber Rüegg räumte ein, dass die politischen Mühlen in der Schweiz sehr langsam mahlen. Dennoch dürfe man nicht übersehen, dass auf der politischen Ebene einiges unternommen werde. So habe der Nationalrat just an diesem Tag beschlossen, den Kredit zur Finanzierung von Krippen aufzustocken. Sie wies auch darauf hin, dass in der ganzen Diskussion die Kinder nicht vergessen werden dürfen. "Wir müssen eine Umwelt schaffen, in der sich unsere Kinder wohl fühlen." Den Vorwurf, die Auflagen für Krippen seien zu streng, widersprach sie deshalb: "Auch Kinder machen eine 'Karriere', und die Krippe ist häufig die erste Station." Deshalb sei es gerechtfertigt, hohe Standards einzuhalten, auch wenn dies Geld kostet. "Man kann den Pelz nicht waschen, ohne dass er nass wird."




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