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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 12.11.2001 06:00

ETH betreibt einen der ältesten Bildungsserver
EducETH - täglich belagert

Der Rekordtag war der 3. April 2000: 43'194 Seitenanfragen. Der Bildungsserver EducETH ist ein Kind der Didaktikgruppe des ETH-Instituts für Theoretische Informatik, sechs Jahre alt und damit einer der ersten Bildungsserver üdberhaupt. Die Hälfte aller schweizerischen Mittelschullehrkräfte und viele Gymnasiallehrkräfte aus Deutschland holen sich inzwischen hier ihre Unterrichtsmaterialien. Doch für die Betreiber ist EducETH ein zwar spannendes, aber defizitäres Hobby.

Von Regina Schwendener

„Im deutschsprachigen Raum scheint der Bildungsserver EducETH (1) einmalig aktiv und auch der älteste zu sein“, so Floris Tschurr, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Theoretische Informatik. Er weiss, dass nicht nur Schweizerinnen und Schweizer, sondern auch Deutsche vom didaktischen Angebot profitieren. Die ETH Zürich biete mit EducETH, der von den hauseigenen Informatikern betreut wird, eine Plattform für Gymnasien, Berufsschulen, Technikerschulen und andere mit dem Ziel, Unterrichtsmaterialien für Lehrpersonen über das Internet zu verbreiten und auszutauschen. Tschurr: „Die Stärke von EducETH liegt darin, erprobte Materialien anzubieten, die Lehrern und Lehrerinnen die Unterrichtsvorbereitung erleichtern.“ Der Bildungsserver helfe, im Rahmen der Didaktikausbildung an der ETH entstandene Unterrichtsmaterialien einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

Pionier unter den Bildungsservern

Übersichtlich präsentiert sich das Tool mit den didaktisch aufbereiteten Anregungen und Unterlagen wie zum Beispiel Fallstudien, Lernaufgaben, Puzzles und interaktiven Unterrichtseinheiten. Da surft man von den alten Sprachen über Deutsch und Biologie zu Englisch, Physik oder Geographie und Informatik. Loggt man sich ins Fach „Informatik“ ein, finden sich etwa Materialien, um das Programmieren mit Kara und Java zu erlernen, aber auch Anregungen für den Werkstattunterricht. Dann sind Lernaufgaben, aber auch Berichte zur Wartung von Informatikmitteln und Hinweise zur Situation der Informatik in der Schweiz oder in Deutschland zu finden. Linklisten machen zahlreiche Internet-Angebote in allen der angebotenen Fachbereiche zugänglich.

Bildungsserver
EducETH-Einstiegsseite zum Thema „Programmieren lernen mit Kara“. gross

Der Leiter von EducETH heisst Werner Hartmann, ein ehemaliger Kantonsschullehrer für Mathematik und Informatik. Seit 1992 ist er verantwortlich für die Didaktikausbildung am Departement Informatik der ETH Zürich. Wie ist auf die Idee gekommen, einen solchen Server einzurichten? - Hartmann: „1994 war Professor Michael Stumm aus Toronto als Gastprofessor am Departement Informatik der ETH Zürich. Zu dieser Zeit war der Internet- und WWW-Boom erst langsam im Kommen. Stumm erkannte die Chancen des neuen Mediums für die Ausbildung, und zusammen mit Silvia Ackermann legten wir den Grundstein für EducETH.“ EducETH sei damit wohl einer der ältesten Bildungsserver überhaupt.

Leidiges Thema Finanzen

Wie finanziert sich EducETH? - „Ein leidiges Thema...“, meint Werner Hartmann. Seit rund vier Jahren steht für EducETH eine 50-Prozent-Stelle zur Verfügung. Zeitweise könnte EducETH auch auf die Unterstützung durch einen Hilfsassistenten zählen. Infrastruktur und Wartung des Servers würden durch die Informatik-Support-Gruppe am Departement Informatik geleistet. „Alle übrigen Leute arbeiten bei EducETH im Wesentlichen nebenbei und für Gottes Lohn: Fachmaster und weitere freiwillige Mitarbeitende.“ Verschiedene Versuche, vom Bundesamt für Bildung und Technologie oder der Erziehungsdirektorenkonferenz finanzielle Unterstützung - in erster Linie für die Fachmaster, die Verantwortlichen für die angebotenen Themengebiete - zu erhalten, sind fehlgeschlagen. Diese Fachmaster hat Hartmann aufgrund persönlicher Kontakte "rekrutiert", wie er erzählt. Eine seiner Aufgaben sei es denn auch, zu diesen freiwilligen Mitarbeitern Sorge zu tragen.

Wäre die Lösung nicht die Gründung eines ETH-Spin-Off? Das kommt für Werner Hartmann nicht in Frage: „EducETH ist eine Non-Profit-Organisation. Alle Materialien auf dem Bildungsserver stehen gratis zur Verfügung. Öffentliche Schulen sind in der Regel auch nicht bereit, Angebote wie EducETH finanziell zu unterstützen.“ Einnahmen erzielt EducETH kaum: „Wir sind darauf angewiesen, dass wir zum Beispiel über Schulungen Geld verdienen, das wir in EducETH investieren.“ Finanzielle und moralische Unterstützung fänden sie auch immer wieder durch Professor Karl Frey, den Allgemeindidaktiker der ETH Zürich. - „Für wohl fast alle Beteiligten, insbesondere die Fachmaster und auch mich selber, ist EducETH ein spannendes und erfolgreiches, aber defizitäres Hobby“, zieht Hartmann Bilanz.


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Bildungsserver
Das EducETH-Team (v.l.): Dr. Werner Hartmann (Leiter EducETH), Raimond Reichert (Informatiker, Fachmaster Informatik), Tobias Schlatter, Informatikstudent (technische Aspekte), Diana Hornung (Content Management/ Webpublishing). gross

Lehrkräften Internet näher bringen

Hans G. Fischer, Kantonsschullehrer in Wettingen, ist der dienstälteste Fachmaster bei EducETH und für das Fach Englisch verantwortlich. Was hat ihn bewogen, sich hier zu engagieren? Während eines Sabbaticals in den USA lernte er 1994 das Internet kennen. „Ich merkte, dass mit diesem Mittel Schulklassen über Landesgrenzen hinaus Kontakt aufrecht erhalten können." Dieses Anliegen war zuvor meist wegen der langen Wartezeiten mit dem Postverkehr gescheitert. Zurück in der Schweiz, habe er mit Switch Kontakt aufgenommen und gebeten, sich für den Anschluss des Internets an den Gymnasien einzusetzen. Er stiess dort auf offene Ohren und lernte zur gleichen Zeit Werner Hartmann kennen, der am Aufbau des Bildungsservers für die Sekundarstufe II arbeitete. Beide kamen überein, dass Fischer die Seite für das Fach Englisch aufbaut. Als die Lehrkräfte dann gemerkt hätten, wie einfach man über EducETH Informationen für den Unterricht finden konnte, seien die Besucherzahlen schnell angestiegen.

Gespräch mit weltberühmten Autoren

Fischer bemüht sich, bekannte Persönlichkeiten wie kürzlich die amerikanische Schriftstellerin Doris Lessing dazu zu animieren, den Schülern, Studierenden und Lehrkräften Fragen zu beantworten. Wie kommen diese Aktionen an, was nützen sie den Endusern? – Fischer meint, dass Neuigkeiten Zeit brauchen würden, bis sie bekannt sind. Die Möglichkeit, dass Studierende an Autoren Fragen stellen könnten, bestehe erst seit dem Sommer dieses Jahres. Nach Arthur Miller (‚Death of a Salesman') können zur Zeit Fragen an Edward Albee - „Who's Afraid of Virginia Woolf?“ - gestellt werden. Schüler sollen sich vermehrt fragend mit der Literatur auseinandersetzen: „Dem Lehrer glauben sie nicht immer alles, dem Autor jedoch schon eher“, so Fischer.

Lob und Enttäuschung

EducETH habe sich zu einem anerkannten Bildungsserver in der Schweiz und Europa, ja selbst in den USA entwickelt - lobt Hans Fischer. Der Insider äussert aber auch Kritik: zum Beispiel die fehlende finanzielle Unterstützung. - Eine löbliche Ausnahme bilde die ETH. So führen die knappen Ressourcen führen dazu, dass Besucher zwar Fragen stellen könnten, aber keine Studierenden da sind, um diese Fragen kompetent zu beantworten. Gerade junge Leute würden jedoch auf eine schnelle Antwort warten und seien dann von EducETH enttäuscht. Anfragen an Schweizer Universitäten, sie möchten ihre Studierenden zur Mithilfe anregen, sind wegen fehlender Entlöhnung gescheitert. Bis jetzt hätten sich die Autoren gratis zur Fragenbeantwortung bereit erklärt. Besonders jüngere Autoren seien aber auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Es könne gut sein, dass dieses Projekt mangels Finanzen eingestellt werden müsse.

Bildungsserver
Werner Hartmann: „Wir verfolgen einen pragmatischen Ansatz und stecken unsere Arbeit nicht in Hochglanzprospekte, sondern in Inhalte.“- Dies drückt sich in allen Fachbereichen - wie hier im Beispiel Chemie - aus. gross

Sicher könnte man EducETH noch ausbauen, interaktiver machen, betont er. So sollten die einzelnen Artikel bewertet werden können, meint Fischer. Hinweise für Schüler und Lehrkräfte sollten das Suchen erleichtern. Zudem hätte er bemerkt, dass gerade junge Leute die Internetseiten nicht lesen, sondern anschauen würden: „Sehr oft erhalte ich Anfragen nach Informationen, die auf der Seite aufgelistet sind, von der die Anfrage abgeschickt wurde. Eine Anpassung des Layouts an die Realität, dass das Internet eben nicht gleich gelesen wird, wie Printmedien, ist unumgänglich. Aber langsam wird die Arbeitsbelastung für die Webmaster doch zu gross. Für sie sollte die Möglichkeit einer Entlastung geschaffen werden.“ Werner Hartmann doppelt nach: Sabbaticals von einem halben Jahr an der ETH wären für engagierte Fachmaster gleichermassen ein Gewinn wie für die ETH: einerseits kämen die Fachmaster zu den neuesten Anwendungen aus der ETH-Didaktik und profitierten vom Know-how im ETH-Bereich, das sie zurück bringen könnten an ihre Heimschule. Andererseits gelangt die ETH-Didaktik in direktesten Kontakt mit der Schulungsperipherie und indirekt mit dem Zielpublikum, den Schülern.


Fussnoten:
(1) Der Bildungsserver EducETH befindet sich unter: www.educeth.ch



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