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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 22.11.2004 06:01

ETH-Tag 2004
Neue Wege zum Erfolg

600 Gäste, so viele wie noch nie, konnte ETH-Rektor Konrad Osterwalder am vergangenen Samstag zum ETH-Tag begrüssen. ETH-Präsident Olaf Kübler erklärte, dass die ETH wie angelsächsische Top-Universitäten begonnen habe, systematisch Fundraising zu betreiben, um künftig öffentlich nicht finanzierbare Projekte zu verwirklichen. Kübler stellte überdies zur Diskussion, ob die ETH ihre Studierenden nicht selbst sollte auswählen können.

Norbert Staub

Ihren letzten Geburtstag vor dem grossen Jubiläum feierte die ETH am Samstag wie gewohnt im Beisein zahlreicher hochrangiger Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft in der Haupthalle im Zentrum. Rektor Konrad Osterwalder zeigte in seiner Begrüssungsrede den Stand der Dinge bei der Bologna-Reform auf. „Heute sind sämtliche Studiengänge vom einfachen Diplomstudium auf das gestufte Bachelor-Master-System umgestellt“, konnte Osterwalder berichten.

Das Akademische Orchester unter Johannes Schlaefli umrahmte den Festakt einmal mehr inspiriert und routiniert. Diesmal mit Bizet, Bruckner und Brahms gross

Reibungslos verlaufe der Wandel allerdings nicht. So habe die Schweizerische Hochschulkonferenz entschieden, die Masterprogramme für praktisch alle Bachelors von Schweizer Universitäten ohne Auswahlverfahren zugänglich zu machen. Das sei „höchst bedauerlich“, befand Osterwalder. Die Hochschul-Rektoren hätten einstimmig das Gegenteil empfohlen. Denn ein strenges Auswahlverfahren, verbunden mit einer hohen Erfolgschance für die Zugelassenen, würde sowohl den Ansprüchen einer Hochschule als auch der Mobilitätsidee entsprechen, sagte der ETH-Rektor. Studierende bekämen so die Sicherheit, es auch an anderen Unis zu schaffen.

Die Geehrten und der Gastgeber. V.l.n.r.: Karl Linnepe, Richard Sandor, Konrad Osterwalder, Ernst Gisel, Nigel Priestley. gross

Skeptisch auf diese Vorstellungen reagiert der VSETH. So pocht der Verband der ETH-Studierenden in seiner Pressemitteilung zum ETH-Tag darauf, dass jeder ETH-Bachelorstudent die Möglichkeit haben müsse, ein Masterstudium in Angriff zu nehmen. „Die Studienpläne sind klar an ein Gesamtkonzept Bachelor/Master ausgerichtet, ohne den Master ist man nicht fertig ausgebildet“, findet der VSETH.

Harmonisierung in Europa: der Teufel steckt im Detail

Auf Hindernisse stösst der ETH-Rektor bei der Planung internationaler Masterprogramme (die ETH will eines in Geophysik anbieten, gemeinsam mit der RWTH Aachen und der TU Delft) oder bei der Harmonisierung der akademischen Kalender. So sei es einer deutschen Uni nicht erlaubt, zusammen mit einer ausländischen ein Diplom zu erteilen. Und wenn sich in der Schweiz eine Vorverlegung des akademischen Jahresbeginns aufdrängt, weil die Uhren in Europa überwiegend anders gehen, müsse man mit einer sehr lang dauernden Umsetzung rechnen. Bei diesem Thema hat der Rektor die volle Unterstützung des VSETH.

Aus bekannten Gründen hat der Magnet USA für Studierende aus aller Welt an Wirkung eingebüsst. Beim globalen Kampf um die klügsten Köpfe habe die Schweiz derzeit gute Chancen. „Wir müssen diese Chance aber nutzen wollen“, erklärte Konrad Osterwalder.


Drei neue Ehrendoktoren

Neue Ehrendoktoren der ETH Zürich wurden der Schweizer Ernst Gisel für sein Lebenswerk als Architekt, der Neuseeländer Nigel Priestley in Anerkennung seiner grundlegenden Entwicklungen im Erdbebeningenieurwesen und der amerikanische Ökonom Richard Sandor für seine Pionierleistungen im Zusammenhang mit der Verminderung von Klima- und Umweltrisiken. Ständiger Ehrengast wurde der deutsche Unternehmer Karl Linnepe. Er unterstützt und fördert systematisch ETH-Studierende der Antriebstechnik und Mechatronik. Für vorzügliche Diplomarbeiten wurden 19 ETH- Medaillen verliehen, elf Mal gab es Auszeichnungen von privaten Donatoren, und der Willi-Studer-Preis für den besten Abschluss ging dieses Jahr an 22 Studierende.




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ETH-Präsident Olaf Kübler berührte bewusst ein politisch heisses Eisen: die Empfehlung der Experten, dass die ETH ihre Studierenden selbst auswählen soll. gross

So entwickelt die ETH jetzt Marketing-Konzepte, um Spitzen-Studierende weltweit anzusprechen und nach Zürich zu holen.

ETH-Präsident Olaf Kübler skizzierte in seiner Festansprache ein Panorama der Herausforderungen, die sich der ETH im internationalen Wissensmarkt heute stellen. Er stützte sich dabei auf die Evaluation des ETH-Bereichs, die ein Team von internationalen Experten kürzlich abgeschlossen hat. Um ihre anerkannte Spitzenstellung (1) zu bewahren, richteten die Experten drei Empfehlungen an die ETH Zürich. Erstens: Die ETH solle sich wie Harvard, das MIT oder Oxford vermehrt um private Finanzierung ausserhalb der staatlichen Geldquellen bemühen. Die daraus resultierende Agilität sei der Faktor, der im Wettbewerb der Besten oft den Unterschied ausmache. Stiftungen, Sponsoren, Donatoren und internationale Agenturen könnten eine Alternative zum Staat darstellen.

"Re-Industrialisierung der Schweiz"

Die ETH ist hier in diesem Jahr in die Offensive gegangen. Kübler nutzte die Gelegenheit, um die neue ETH Zürich Foundation vorzustellen. Diese strebt ein Vermögen von einer Milliarde Franken an, um mit dem Ertrag von mehreren Millionen Franken jährlich Projekte zu finanzieren, die über die staatliche Finanzierung nicht realisierbar wären (2).

Die zweite Empfehlung der Gutachter lautet, die ETH solle den Technologietransfer verstärken. Auch dieser Rat soll bald Früchte tragen: Die ETH wolle den Wissensfluss in die Wirtschaft verdoppeln, erklärte der ETH-Präsident. „Es geht um die Re-Industrialisierung der Schweiz mit einer Denk- und Wissensindustrie“, so Kübler. Ein Beitrag der ETH dazu sei etwa die Gründung des neuen ETH-Departements Management, Technoloy, and Economics (D-MTEC) im Oktober 2004. Hier würde unter anderem die Rolle der Hochschulen für das Wachstum einer Region wie Zürich analysiert.

Politisch inkorrekte Empfehlung

Mit der dritten Empfehlung der Peers begebe man sich in der Schweiz in die Nähe der "Ketzerei", wie Kübler sagte. Es sollte der ETH gestattet sein, ihre Studierenden selbst auszuwählen, so die Experten - ein Unding für Verfechter von Chancengleichheit und freiem Unizugang für alle mit einer Matura im Gepäck. Doch diese Auswahl werde, genauer betrachtet, in der Schweiz bereits vorgenommen, sagte Kübler. Nur nicht am Studiumsbeginn, sondern in der Regel nach einem Jahr. Denn Juristen, Mediziner, Ingenieure, Ökonomen oder Naturwissenschaftler würden streng selektioniert. An der ETH beträgt die Durchfallquote etwa ein Viertel, was Kosten von 20 bis 40 Millionen Franken verursache.

Wichtiger als das ist für Kübler etwas anderes: Eine Studienatmosphäre für junge Menschen, die ohne Angst vor dem Scheitern und mit ausgezeichneten Erfolgschancen starten können, sei enorm motivierend. "Wer an Teamwork glaubt, kann es hier exemplarisch entstehen sehen". Genau dies sei etwa am MIT Realität. Seine Idealvorstellung von einem ETH-Studium sei, dass Studieninteressierte frühzeitig angesprochen und gemäss ihren Neigungen und Eignungen fair und kundig beraten werden.

VSETH-Präsident Florian Bernlochner: "Ein Drama in drei Akten" als Gleichnis für das nicht unproblematische Verhältnis Lehrende - Studierende - Politik - Wirtschaft. gross

Florian Bernlochner, Präsident des VSETH, illustrierte seine Empfehlungen gleich mit einem kurzen "Drama in drei Akten" - sichtlich zum Vergügen des Publikums. Es zeigte die teils widerstrebenden Ansichten und Ziele, die sich mit Forschung und Bildung verknüpfen, modellhaft an der (scheiternden) Entwicklung einer Dampfmaschine. Das Gleichnis mündete in ein Bündel von Schlussfolgerungen: Studierende sollten ihr Studium sorgfältig auswählen und betreiben; Forschende sollten sich die erforderliche Zeit zur Vermittlung ihres Wissens nehmen; die Ökonomie müsse der Forschung die für Entwicklungen notwendige Zeit einräumen, und die Politik müsse Bildung und Forschung stets eine Stütze sein, "auch wenn nicht immer alle Werte messbar sind", so Bernlochner.


Fussnoten:
(1) Kürzlich wurde dies durch das globale Uni-Ranking des „Times Higher Education Supplement“ erneut untermauert. Vgl. dazu den „ETH Life“-Artikel: "ETH in den Top Ten": www.ethlife.ethz.ch/articles/news/timesranking.html Die Ergebnisse der Evaluation des ETH-Bereichs hat das Staatssekretariat für Wissenschaft und Forschung publiziert unter: www.gwf-gsr.ch/publikationen/national/eth-evaluation-d.pdf
(2) Siehe dazu ausführlich den heutigen „ETH Life“-Artikel „Ein solides Fundament“: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/ETHFoundation.html



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